Bei Neonazi-Randale 2018 war er noch das Opfer: Würzburg-Killer wohnte jahrelang in Chemnitz

Chemnitz - Die Bluttat von Würzburg schockt das ganze Land: Der Somalier Jibril A. (24) erstach in der Innenstadt vergangene Woche drei Frauen, verletzte mehrere Passanten schwer. Der mutmaßliche Islamist fiel bereits vor Jahren in Sachsen negativ auf - gegen ihn wurde wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Jibril A. lebte von 2015 bis 2019 in Chemnitz. Eine Spurensuche.

Die GGG-Wohnblöcke in der Straße Am Harthwald sind frisch saniert. Bis 2019 wohnte hier Würzburg-Attentäter Jibril A (24).
Die GGG-Wohnblöcke in der Straße Am Harthwald sind frisch saniert. Bis 2019 wohnte hier Würzburg-Attentäter Jibril A (24).  © Uwe Meinhold

Wie Unterfrankens Polizeipräsident Gerhard Kallert bestätigte, reiste Jibril A. am 6. Mai 2015 nach Deutschland ein und kam in die Erstaufnahme nach Chemnitz. Er sagte, er sei aus Somalia und 18 Jahre alt - wegen fehlender Papiere konnten diese Angaben nicht behördlich geprüft werden.

Noch im selben Jahr bekam es der Asylbewerber mit der Polizei zu tun. LKA-Sprecher Tom Bernhardt (51): "Ich kann bestätigen, dass 2015 gegen Jibril A. wegen einer gefährlichen Körperverletzung in einer Chemnitzer Asyl-Einrichtung ermittelt wurde."

Nach TAG24-Informationen waren damals mehrere Flüchtlinge im Streit um einen Kühlschrank aufeinander losgegangen. Auch ein Küchenmesser und eine abgebrochene Flasche waren wohl im Einsatz, es gab mehrere Verletzte.

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Aber keine Verurteilung, wie Ingrid Burghart (57), Sprecherin der Chemnitzer Staatsanwaltschaft, erklärt: "Weil der genaue Tatverlauf nicht aufgeklärt werden konnte, wurde das Verfahren eingestellt."

Jibril A. (24) im September 2018 in seiner Chemnitzer Wohnung.
Jibril A. (24) im September 2018 in seiner Chemnitzer Wohnung.  © Johanna Rüdiger/ FUNKE Mediengruppe

Nachbar erinnert sich an Jibril A.: "Er war ständig besoffen"

Gerd Wieczorek (65) hat keine guten Erinnerungen an seine früheren Nachbarn.
Gerd Wieczorek (65) hat keine guten Erinnerungen an seine früheren Nachbarn.  © Uwe Meinhold

Laut LKA war Jibril A. danach in Sachsen nicht mehr auffällig. 2017 bekam er seine Aufenthaltsgenehmigung - nicht als anerkannter Flüchtling, sondern weil ihm wegen des Bürgerkriegs in Somalia "subsidiärer Schutz" zustand. Er zog nach Markersdorf, in eine WG (Am Harthwald) mit dem Afghanen Saifullah Z. (23).

Nachbar Gerd Wieczorek (65) erinnert sich: "Die beiden wohnten im Erdgeschoss, waren ständig besoffen und haben bis in die Nacht Krach gemacht. Da kam auch mal die Polizei."

Im Umfeld der rechtsextremen Krawalle Anfang September 2018 wurde Jibril A. selbst zum Opfer: Vier Vermummte jagten ihn und seinen Mitbewohner durchs Heckert-Gebiet. "Ich bin ganz schnell gerannt, deshalb haben sie mir nichts getan", sagte Jibril A. kurz nach der Hetzjagd zu einer Reporterin der "Berliner Morgenpost".

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Dann berichtete er davon, sich nur noch in Begleitung rauszutrauen: "Oft muss ich überlegen: Gehe ich zur Arbeit oder bleibe ich zu Hause?“ Im Osten sei es zu gefährlich für ihn, sagte Jibril A. damals.

Wenige Monate später zog er nach Würzburg. Dort lebte er zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft, beschäftigte seit Anfang des Jahres mehrfach die Polizei. Vorübergehend wurde Jibril A. sogar in eine Psychiatrie eingewiesen.

Jibril A. wurde in Chemnitz von Vermummten gejagt

Die Ereignisse im Spätsommer 2018 begleiten Chemnitz bis heute.
Die Ereignisse im Spätsommer 2018 begleiten Chemnitz bis heute.  © DPA

Polizei prüft: War es ein islamistisches Attentat?

Nach dem Amoklauf sitzen Trauer und Entsetzen bei vielen Würzburgern tief.
Nach dem Amoklauf sitzen Trauer und Entsetzen bei vielen Würzburgern tief.  © dpa/Nicolas Armer

Bis zu 130 Ermittler suchen derzeit nach dem Motiv für die Wahnsinnstat in Würzburg. "Wir gehen mehr als hundert Spuren nach", so ein Sprecher des LKA Bayern.

Während des Amoklaufs soll er mehrfach "Allahu Akbar" (dt.: "Gott ist groß") gerufen haben. Doch: "Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (54, CSU) versicherte am Dienstag, dass die Ermittlungen lückenlos geführt werden. Auch islamistische Motive würden benannt, sollten sie vorliegen.

Es müssten aber auch Dimension und Zusammenhang geklärt werden. "Da sind die Sicherheitsbehörden dran."

Update, 11.50 Uhr: Video zu Übergriffen in Chemnitz: LKA prüft Verbindung zu Würzburg

Ermittler prüfen derzeit ein Video, in dem angeblich der Messerangreifer von Würzburg von einem rassistischen Übergriff in Chemnitz berichtet. "Das ist eine Spur", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes am Mittwoch in München. Ob der 24-jährige Somalier, der am Freitag in Würzburg drei Frauen mit einem Messer tötete und sieben weitere Menschen verletzte, tatsächlich in dem Clip zu sehen ist, werde noch analysiert.

Das Video-Interview zu Chemnitz wurde 2018 von der Funke-Mediengruppe veröffentlicht. Der Anwalt des Somaliers, Hanjo Schrepfer, bestätigte der "Welt", dass einer der in dem Video interviewten Männer sein Mandant sei, der nun unter anderem wegen dreifachen Mordes in Würzburg in Untersuchungshaft sitzt. In dem Clip berichtet dieser, wie er Zeuge eines rassistischen Übergriffs geworden ist.

Titelfoto: DPA, Johanna Rüdiger/ FUNKE Mediengruppe

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