Chemnitzer Gastronom immer wieder angefeindet: "Ein Koffer ist immer gepackt"

Chemnitz - Will er wirklich auswandern? Der Betreiber des jüdischen Restaurants "Schalom" in Chemnitz, Uwe Dziuballa (59), sieht sich immer häufiger mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert.

Uwe Dziuballa (59) ist der Betreiber des jüdischen Restaurants "Schalom".
Uwe Dziuballa (59) ist der Betreiber des jüdischen Restaurants "Schalom".  © Uwe Meinhold

Die Zahl antisemitischer Straftaten und Gewaltdelikte in Deutschland hat sich laut Verfassungsschutz nahezu verdoppelt - von 2641 im Jahr 2022 auf 5164 im Jahr 2023.

Auch Dziuballa spürt diese Zunahme: "Es fühlt sich manchmal an, als gäbe es einen Wettbewerb, bei dem alle ihren Hass loswerden wollen".

Besonders schockieren sei für ihn, dass es sich vermehrt um junge Menschen handle, denen er noch keinen "allumfassenden Judenhass" unterstellen wolle, aber die dennoch antisemitische Gesten zeigten.

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Ein Vorfall, der ihn besonders erschütterte, ereignete sich vor der Universitätsbibliothek. Dort begegnete er beim Spaziergang mit seiner Frau zwei Frauen, wobei eine ein Kopftuch trug. Eine davon spuckte ihn direkt an.

"Das ist einfach nur asozial", sagt er und betont, dass solche Taten ihn sprachlos machen. "Man ist erstmal wie paralysiert, weil man damit nicht rechnet - schon gar nicht von Frauen."

Polizei bewacht regelmäßig sein Restaurant "Schalom"

Das jüdische Restaurant "Schalom" steht verstärkt unter Polizeischutz.
Das jüdische Restaurant "Schalom" steht verstärkt unter Polizeischutz.  © Kristin Schmidt

Dziuballa gibt zu, dass die Vorfälle ihn manchmal an die Grenzen seiner Geduld bringen. "Es gibt Momente, in denen ich mich frage: Was wollen wir hier eigentlich noch?"

Der Gedanke, Deutschland zu verlassen, sei schon mehrmals Thema in der Familie gewesen. Dennoch bleibt es vorerst ein Gedankenspiel: "Wir sind hier zu Hause. Solange das Positive das Negative überwiegt, bleiben wir hier."

Dennoch hat sich der Alltag des Gastronomen spürbar verändert. Er geht immer seltener sichtbar mit Kippa durch die Stadt, versteckt sie unter einem Hut. "Ich fühle mich nicht mehr so sicher und aufgehoben wie vor einem Jahr", sagt er.

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Trotz allem schätzt er den Schutz durch die Polizei, die regelmäßig vor seinem Restaurant steht. "Ich bin dankbar, dass wir als jüdische Einrichtung wichtig genommen werden", merkt er an, hinterfragt auch gleichzeitig: "Wie viele andere Restaurants, etwas arabische oder italienische, haben Polizeischutz?"

Dziuballa wünscht sich mehr Menschlichkeit

Der jüdische Gastronom Uwe Dziuballa (59) sieht sich mit immer mehr antisemitischen Anfeindungen in Chemnitz konfrontiert.
Der jüdische Gastronom Uwe Dziuballa (59) sieht sich mit immer mehr antisemitischen Anfeindungen in Chemnitz konfrontiert.  © Uwe Meinhold

Auch seine Frau ist von den Entwicklungen entsetzt. In der Familie spricht man offen über die Vorfälle, jedoch hält Dziuballa jüngere Familienmitglieder bewusst von der Öffentlichkeit und den antisemitischen Anfeindungen fern.

"Wir versuchen, unser Leben so normal wie möglich weiterzuführen", erklärt er. Dabei hilft ihm ein gewisser Zynismus: "Die anderen haben immer Problem - ich eigentlich nicht."

Dziuballa sieht die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft als problematisch an. "Es fehlt an Gelassenheit und Dialog", sagt er.

"Mehr Menschlichkeit und weniger Schubladendenken - das wäre ein Schritt in die richtige Richtung."

Stadt Chemnitz arbeite eng mit Jüdischer Gemeinde zusammen

In Chemnitz gibt es eine jüdische Gemeinde, die sich immer mehr Sorgen um ihre Sicherheit macht.
In Chemnitz gibt es eine jüdische Gemeinde, die sich immer mehr Sorgen um ihre Sicherheit macht.  © Kristin Schmidt

Die Stadt Chemnitz äußerte sich zu den antisemitischen Vorfällen und betonte, dass sie jährlich sechsstellige Beträge in Projekte zur Demokratieförderung und Extremismusbekämpfung investiere. Zahlen über eine Zunahme antisemitischer Straftaten lägen der Stadt jedoch nicht vor.

"Die Stadt arbeitet seit Jahren eng und vertrauensvoll mit der Jüdischen Gemeinde in Chemnitz zusammen und deren Aktivitäten bereichern uns als Stadt", erklärt das Rathaus. Veranstaltungen wie die "Tage der jüdischen Kultur", seien lebendige Zeichen des gemeinsamen Miteinanders.

Ob Uwe Dziuballa tatsächlich auswandern wird, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass der zunehmende Hass ihm und der jüdischen Gemeinde das Leben in Chemnitz spürbar erschwert.

Titelfoto: Bildmontage: Kristin Schmidt, Uwe Meinhold

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