Neue Fernstrecke Chemnitz-Berlin: Bahninitiative ist unzufrieden

Chemnitz - Endlich ist es so weit: Nach 16 Jahren hält in Chemnitz endlich wieder ein Fernzug. Ab Juni 2022 fährt ein Doppelstock-Intercity von Chemnitz über Freiberg, Dresden, Berlin bis nach Warnemünde. Das Konzept wurde am Donnerstag im Chemnitzer Hauptbahnhof vorgestellt. Doch die Freude bei der "Bahninitiative Chemnitz" hält sich in Grenzen. Denn: Mit der neuen Fernverkehrsverbindung geht's nicht schneller in die Bundeshauptstadt als bisher.

Der neue Intercity-Zug der Marke "Stadler KISS": Er soll die Chemnitzer ab Juni ohne Umstieg nach Berlin transportieren.
Der neue Intercity-Zug der Marke "Stadler KISS": Er soll die Chemnitzer ab Juni ohne Umstieg nach Berlin transportieren.  © Sven Gleisberg

Etwa drei Stunden braucht der Intercity von Chemnitz nach Berlin. Eine Zeitersparnis gegenüber den aktuellen Verbindungen ist das nicht.

Denn auch schon jetzt ist Berlin innerhalb von drei Stunden erreichbar - mit einem Regionalexpress nach Leipzig und dann weiter mit einem ICE nach Berlin dauert es exakt zwei Stunden und 58 Minuten. Dabei ist der Aufenthalt (46 Minuten) in Leipzig schon eingerechnet.

An diesem Punkt stört sich auch die "Bahninitiative Chemnitz". Das Bündnis hatte eine Direktverbindung von Chemnitz nach Berlin über Riesa gefordert. Fahrtzeit: nur etwa 2 Stunden und 15 Minuten. Doch die Entscheidung fiel für die längere Verbindung über Freiberg und Dresden.

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Vorteil: Die Chemnitzer können den Streckenabschnitt Chemnitz-Dresden auch mit Nahverkehrsfahrkarten nutzen, sind mit dem IC schnell in der sächsischen Landeshauptstadt. Zudem bekommt auch Freiberg wieder einen Fernanschluss. Nachteil: Die Fahrtzeit von etwa drei Stunden nach Berlin.

Insgesamt 295 Sitzplätze bietet der neue Intercity, der ab Sommer 2022 von Chemnitz über Berlin an die Ostsee düst.
Insgesamt 295 Sitzplätze bietet der neue Intercity, der ab Sommer 2022 von Chemnitz über Berlin an die Ostsee düst.  © Sven Gleisberg
Der Chemnitzer Hauptbahnhof war 16 Jahre lang vom Fernverkehrs-Netz abgeschnitten - das ändert sich ab Juni 2022.
Der Chemnitzer Hauptbahnhof war 16 Jahre lang vom Fernverkehrs-Netz abgeschnitten - das ändert sich ab Juni 2022.  © Uwe Meinhold

"Unsere Region braucht nicht nur das 'Fernverkehrsgefühl'"

Sebastian Drechsler (30) von der Bahninitiative Chemnitz sieht in der neuen Fernverbindung nach Berlin einen ersten Schritt. Doch zufrieden ist er noch nicht.
Sebastian Drechsler (30) von der Bahninitiative Chemnitz sieht in der neuen Fernverbindung nach Berlin einen ersten Schritt. Doch zufrieden ist er noch nicht.  © Kristin Schmidt

Auch, dass nur zwei Züge täglich in beide Richtungen fahren, ärgert die Bahninitiative. "Unsere Region braucht nicht nur das 'Fernverkehrsgefühl', wie es einige Politiker beschreiben, sondern regelmäßige, häufige und zuverlässige Verbindungen", so Sebastian Drechsler (30), Sprecher der Bahninitiative Chemnitz.

Die Bahninitiative sieht dennoch mit der neuen Fernverbindung über Berlin an die Ostsee einen wichtigen ersten Schritt. "Jetzt müssen weitere Verbindungen und Schritte zur Wiederanbindung folgen."

Weitere Schritte - damit meint die Bahninitiative vor allem den Ausbau der Strecke Chemnitz - Leipzig. Diese ist teilweise eingleisig, teilweise auch nicht elektrifiziert.

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Bis die komplette Trasse ausgebaut ist, wird es allerdings noch dauern. Laut Deutsche Bahn befindet sich das Bauprojekt aktuell in der Planungsphase. Erst 2028 soll die Strecke komplett elektrifiziert sein.

Chemnitz bekommt nur einen "Fernverkehr light"

Kommentar von Fabian Windrich

Dass Chemnitz wieder an den Fernverkehr angeschlossen wird, war längst überfällig. Sicher hat auch der Kulturhauptstadt-Titel zur Umsetzung beigetragen. Ohne diesen Titel wären wir sicher noch Jahre vom Fernverkehr abgeschnitten.

Allerdings: Die IC-Verbindung nach Berlin ist für mich nur ein "Fernverkehr light". Denn schneller geht es damit nach Berlin leider nicht. Nur das Umsteigen fällt weg.

Doch eine Fernverbindung nach Berlin ist eigentlich zweitrangig. Wichtiger ist aus meiner Sicht eine schnellere Verbindung nach Leipzig, denn von dort aus fahren die ICEs blitzschnell in alle Regionen Deutschlands.

Aber nach Leipzig wird es so schnell keinen Fernverkehr geben. Denn: Die Strecke muss zunächst ausgebaut werden. Hier hat die Politik zu lange gewartet - eine eingleisige, teilweise nicht elektrifizierte Strecke ist im Jahr 2022 auf dieser wichtigen Trasse ein Trauerspiel.

Hier muss in den nächsten Jahren unbedingt etwas passieren!

Titelfoto: Sven Gleisberg, Kristin Schmidt

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