NSU-Aufarbeitung in Chemnitz: Ein Ort, der den Opfern eine Stimme gibt
Chemnitz - Am Johannisplatz wurde am Sonntag feierlich das bundesweit erste Dokumentationszentrum „Offener Prozess“ eröffnet – ein Ort, der sich kritisch mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) auseinandersetzt und den Betroffenen eine Stimme gibt.
Alles in Kürze
- Dokumentationszentrum „Offener Prozess“ in Chemnitz eröffnet
- Zentrum gibt Opfern des NSU eine Stimme
- Ausstellung zeigt Taten und Behördenversagen
- Chemnitz als Ort mit NSU-Verbindung gewählt
- Zentrum bis Ende 2025 finanziert und ab 2026 im Doppelhaushalt

Schon vor Öffnung der Türen bildete sich eine lange Schlange. Viele wollten daran teilhaben, darunter auch Angehörige der Opfer. Mit dabei: Mandy Boulgarides (38), deren Vater Theodoros 2005 in München ermordet wurde. "Dieser Ort ist für uns ein Befreiungsschlag", sagt Mandy Boulgarides. Sie hofft, dass das Zentrum die Aufklärung weiter voranbringt und dauerhaft bestehen bleibt.
Auch Serkan Yildirim (45), der 1999 in Nürnberg ein Attentat des NSU überlebte, war vor Ort. "Endlich werden wir gehört und können uns hier zeigen", meint er.
Auf rund 1000 Quadratmetern zeigt das Zentrum nicht nur die Taten des NSU und das eklatante Behördenversagen. Es macht auch sichtbar, was zu lange unbeachtet blieb: die Perspektiven der Hinterbliebenen.
Die Betreiber betonen: Chemnitz sei kein zufällig gewählter Ort, schließlich bewegte sich der NSU jahrelang in dieser Stadt. Diese Verbindung ist Teil der Geschichte und nun auch Teil der Aufarbeitung.
Eindrückliche Ausstellung: Akten, Erinnerungen und Stimmen der Betroffenen





Die Ausstellung ist multimedial und eindringlich: Sound- und Videoinstallationen, persönliche Gegenstände der Opfer, gelbe Schilder mit Informationen zu den Tatorten und Regale voller Aktenordner, die das institutionelle Versagen symbolisieren, lassen die Besucher tief eintauchen.
Bis Ende 2025 ist das Projekt finanziert. Für 2026 ist ein Budget im sächsischen Doppelhaushalt vorgesehen. Das Zentrum wird durch Stadt, Land und Bund gefördert.
Die Resonanz der ersten Besucher war durchweg positiv. SPD-Stadträtin Julia Bombien (42) zeigt sich bewegt: "Die Ausstellung hat mich sehr berührt. Es ist erschütternd, welche Fehler damals von Behörden gemacht wurden. Das wird hier eindrucksvoll vermittelt." Ein weiterer Besucher betont: "Es geht nicht nur um das Erinnern, sondern in Zeiten des Rechtsrucks auch um aktive Aufklärung heute."
Das Zentrum ist mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, donnerstags ab 11 Uhr. Eintritt frei.
Titelfoto: Bildmontage: Kristin Schmidt