Meister der Fake News: Premiere von Rainald Grebes "Baron Münchhausen" im Schauspielhaus
Dresden - Wie ist unser Verhältnis zu Lüge und Wahrheit? Und wie manipulieren Medien die Wirklichkeit? Rainald Grebe (51) folgt in seinem Schauspiel "Baron Münchhausen" amüsant und melancholisch den Spuren dieses Mannes und kulturgeschichtlichen Phänomens, eines frühen Meisters der Fake News. Die Premiere war am Donnerstag im Schauspielhaus.

Geplant war die Produktion bereits für 2020, dem Jahr, in dem sich der Geburtstag des wirklichen Rittmeisters Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen zum 300. Mal jährte. Als auch US-Präsident Trump (76) noch im Amt war und dessen Begriff "Fake News" neu.
Um diesen Begriff dreht sich letztlich alles. Nichts und niemandem ist hier zu glauben. Das beginnt bei einem falschen halbhohen Vorhang, auf dem ein Oval für Filmeinspielungen dient. Ein fiktiver Regisseur (Klaus Dieter Werner) erklärt dort immer wieder, dass und wie er die Geschichte lenkt.
Das Stück ist in mehrere Ebenen und Perspektiven aufgesplittet. So erzählen "Wissenschaftler" (Sven Hönig, Tilla Kratochwil) die verschlungene Publikationsgeschichte der Erzählungen, die zur Zeit der Aufklärung entstanden, sowie die Lebensgeschichte des aus Bodenwerder stammenden Freiherrn – groteskerweise illustriert von tristen Fotos der heutigen Stadt.
Dort agiert seit Jahrzehnten Adolf Hahn als Münchhausen-Darsteller. Dessen Schlagerlied ("Ja das, das kann nur einer / nur ich, sonst kann es keiner. / Die Welt weiß ohnehin, / dass ich der Größte bin") intoniert Ahmad Mesgarha auf der berühmten Kanonenkugel herabschwebend launig im Halbplayback. Diese karnevaleske Mitklatsch-Nummer ist sicherlich der Brüller des Abends.
Die übrige Musik wird live gespielt, für zahlreiche Songs zeichnet Grebes musikalischer Partner Jens-Karsten-Stoll verantwortlich.
Rainald Grebe mit lustiger Inszenierung über Fake News

Die Geschichten Münchhausens – der Flug mit den Enten, das Pferd am Kirchturm, die Reise zum Mond – kommen in unterschiedlichsten Vignetten auf die Bühne, mal heiter, mal albern, oft eher getragen. Wie Schwindeleien private Beziehungen bestimmen, zeigen Mesgarha und Anna-Katharina Muck in herrlich witzigen, an Loriot gemahnenden Paar-Szenen.
Auch wird offengelegt, wie Filme tricksen und die Wirklichkeit arrangieren: in nachgestellten Scherenschnitt-Stummfilmszenen, in einer expressionistischen „Caligari“-Parodie und dem Kanonenkugelritt des Ufa-Films mit Hans Albers, für den Erich Kästner 1943 als "Berthold Bürger" das Drehbuch schrieb.
Hier im Schauspielhaus fliegt der Baron über Stalingrad-Szenen.
Am Ende gelangt man ins "Reich der Shitstorms und der heißen Luft": Impf-Gegner und -Befürworter bekriegen sich mit Papp-Kanonen und ihren jeweiligen "Wahrheiten", eine russische Bloggerin deckt auf, wie sie unter wechselnden Namen Putin-Propaganda betreibt. Und es soll auch das Lüseum, das Lügenmuseum in Radebeul ("der Vorstadtperle von Dresden") gerettet werden.
Einige Nummern ziehen sich etwas, haben Längen, insgesamt aber unterhält "Baron Münchhausen" prächtig und bietet augenzwinkernd Stoff zum Nachdenken. Motto: "Süß ist das Betrogensein". Das Premierenpublikum war begeistert.
Titelfoto: Bildmontage: PR/Sebastian Hoppe, Stephanie Pilick/dpa