Skurrile Kunstaktion: Warum am Springbrunnen plötzlich Stoffpuppen sitzen
Dresden - Fünf lebensgroße Stoffpuppen sitzen auf Stühlen am Albertplatz vorm Springbrunnen "Stürmische Wogen".

Ihnen gegenüber haben zwei bemalte Stoffkörper Platz genommen: Es sind Abbilder des Künstlers Esteban von Wilhelm und seiner Großtante Angelina. Zwischen den Figuren liegen Transparente und Friedenstauben.
Die Kunstaktion sorgt für Aufsehen. Passanten kommen näher, lesen die Texte. Ein Radler steigt ab, nickt. Eine alte Dame zückt sogar ein Notizbuch und schreibt sich diese Zeilen auf: "Wir sind Migranten. Wir sind aufgenommen worden. Wir sind gerettet worden. Jetzt leben wir in Frieden und Freiheit ..."
"Hier in Deutschland fühle ich mich zum ersten Mal frei", sagt Esteban von Wilhelm (43), der in seiner Heimat Venezuela gepeinigt wurde.
"In Dresden habe ich meine neue Heimat gefunden."


Esteban von Wilhelm hat ein Faible für barocke Opulenz und das Wettiner Königshaus

Seit sieben Jahren lebt er hier und regt mit ungewöhnlichen Kunstaktionen zum Nachdenken an. 100 Wettiner- und Adelsporträts auf goldenen Betonplatten legte Esteban etwa beim Palais Sommer 2021 auf dem Neumarkt aus.
Sein Faible für barocke Opulenz und das Wettiner Königshaus ist nicht zu übersehen. Auch die Stofffiguren am Albertplatz haben historische Vorbilder wie den letzten Sachsenkönig Friedrich August III.
Ganz bewusst streift Esteban immer wieder die Geschichte seiner Wahlheimat. "Als Migrant darf ich das sagen: Die Andersartigkeit endet, wenn ich mich in der Identität meiner neuen Heimat wiedererkenne. Wenn die Kultur und Geschichte dieses Landes beginnt, einen neuen Horizont in meinem Leben zu bilden. Wenn ich an der Gestaltung seiner Gegenwart und Zukunft teilnehme und mir dabei seiner Vergangenheit bewusst bin", betont Esteban.
Bis zum morgigen Sonntag appellieren seine Figuren am Dresdner Albertplatz ans hohe Gut der Freiheit.
Titelfoto: Norbert Neumann