Heute vor 135 Jahren, am 6. Dezember 1890, wagte der französische Mediziner Charles Richet den ersten Versuch einer Serumimpfung am Menschen - ein unscheinbarer Moment, der aber später den Weg zur Entdeckung der Anaphylaxie und damit zur modernen Allergieforschung ebnete.
Meilensteine aus Medizin, Technik und Geschichte gibt es hier: heute vor ... Jahren.
Charles Richet (*1850, †1935) beschäftigte sich mit vielen physiologischen Themen, unter anderem damit, wie gleichwarme Tiere ihre Körpertemperatur durch Schwitzen oder Zittern regulieren.
Parallel dazu erforschte er das Immunsystem und zeigte, dass sich im Blut Abwehrstoffe bilden, wenn der Körper mit Krankheitserregern oder Impfstoffen in Kontakt kommt.
Am 6. Dezember 1890 führte Richet im Pariser Hospital "Hôtel-Dieu" einen frühen serotherapeutischen Versuch am Menschen durch, um die Wirkung von Blutserum auf die Immunität zu prüfen.
Berühmt wurde der Mediziner jedoch für seine Forschung zur Anaphylaxie, der Überreaktion des Körpers auf bestimmte Stoffe, wie sie auch bei Allergien vorkommt.
Gemeinsam mit Paul Portier zeigte er, dass injizierte Proteine die Zusammensetzung des Blutes in kürzester Zeit und dauerhaft verändern können - eine Arbeit, die Charles Richet 1913 den Nobelpreis einbrachte.
Was ist über die erste Immunserum-Injektion bekannt?
Am 6. Dezember 1890 injizierte Richet einem tuberkulosekranken Patienten ein Blutserum, das aus zuvor geimpften Tieren gewonnen worden war.
Ziel war es, die therapeutische Wirkung der sogenannten Serotherapie (auch passive Impfung genannt) beim Menschen zu prüfen.
Diese eher experimentelle Anwendung beim Menschen brachte jedoch keine dokumentierte, nachhaltige Heilung oder Immunisierung gegen Tuberkulose - der erhoffte therapeutische Nutzen blieb damit aus.
Während die Wissenschaftsgeschichte die systematische und wirksame Serumtherapie später vor allem mit Emil von Behring und Shibasaburo Kitasato verbindet, bleibt Richets Experiment ein wichtiger, oft übersehener Vorläufer.
Unterschiede zwischen aktiver und passiver Impfung
Bei der aktiven Impfung erhält der Körper harmlose Formen eines Erregers und bildet daraufhin selbst Antikörper und Gedächtniszellen. Der Schutz entwickelt sich zwar erst nach einiger Zeit, hält dafür aber lange an.
Bei der passiven Impfung werden dagegen fertige Antikörper verabreicht. Sie wirken sofort, verschwinden jedoch nach kurzer Zeit wieder, weil der Körper dabei kein immunologisches Gedächtnis aufbaut.
Warum dieser Versuch dennoch ein Durchbruch war
Die Injektion vom 6. Dezember 1890 bildet einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der Immunologie. Sie zeigte früh, dass (wiederholte) Serumgaben nicht nur keine Schutzwirkung erzeugten, sondern das Immunsystem dadurch auch überreagieren kann.
In den Folgejahren führte Richet weitere Experimente durch - vor allem mit Meerestiergiften - und entdeckte ein Phänomen, das er 1902 "Anaphylaxie" nannte: eine akute, überschießende Abwehrreaktion des Körpers.
Dieses Verständnis bildet die Basis für die moderne Allergologie, die Bewertung von Impfstoffreaktionen und die heutige Notfallmedizin bei allergischen Schocks.