Erschoss 69-Jähriger seinen Bruder? Mord in Afghanistan in Deutschland vor Gericht
Von Michael Bauer
Alles in Kürze
- 69-Jähriger Afghane wegen Brudermordes angeklagt
- Tat soll 2015 in Afghanistan stattgefunden haben
- Angeklagter bestreitet Tat und warnt vor Falschaussagen
- Staatsanwaltschaft sieht Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe
- Prozess in Hanau möglich durch Ausnahmeregelung im Strafgesetzbuch
Hanau - Ein mutmaßlicher Brudermord, der sich vor knapp zehn Jahren in Afghanistan zugetragen haben soll, beschäftigt das Landgericht Hanau.

Angeklagt ist ein heute 69 Jahre alter Afghane, der zuletzt in der hessischen Stadt östlich von Frankfurt am Main wohnte und seit Januar in Untersuchungshaft sitzt. Zum Prozessauftakt am Donnerstag wies der Mann den Tatvorwurf zurück.
Er habe seinen Bruder nicht erschossen und sei zur Tatzeit auch gar nicht in der afghanischen Stadt Kandahar gewesen, ließ er seinen Dolmetscher übersetzen. Tatsächlich habe er sich in Pakistan aufgehalten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 26. Oktober 2015 seinen Bruder in dessen Haus erschossen zu haben. Hintergrund soll ein Erbstreit über ein Grundstück gewesen sein.
Die Anklage sieht in dem Fall die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe erfüllt. Tatzeuge soll der damals elfjährige Sohn des Opfers sein.
Mordprozess in Hanau: Kinder des Opfers zeigten ihren Onkel an

Der Sohn und die Tochter des Getöteten, die wie weitere Familienangehörige mittlerweile ebenso in der Bundesrepublik leben, zeigten den Angeklagten nach Gerichtsangaben im vergangenen Jahr an, nachdem sie ihn in Deutschland getroffen hatten.
Alle drei kamen zu verschiedenen Zeitpunkten als Flüchtlinge nach Deutschland. Die Kinder des Getöteten sind Nebenkläger und sollen auch als Zeugen aussagen.
Der Angeklagte erklärte, er habe sich nicht, wie von der Anklage behauptet, mit seinem Bruder um ein Grundstück gestritten. Diesen Streit habe er mit anderen Familienangehörigen gehabt, nicht aber mit dem Bruder.
Er berichtete außerdem, dass er einmal von seinem Bruder und zwei weiteren Männer entführt worden sei. Sein Bruder sei drogensüchtig und in Drogengeschäfte verwickelt gewesen. Warum er entführt worden sei, wisse er nicht, sagte der Angeklagte.
Der Prozess wird nach Justizangaben durch eine Ausnahmeregelung im Strafgesetzbuch möglich. Üblicherweise werden Vergehen und Verbrechen an den für die jeweiligen Tatorte zuständigen Gerichten angeklagt und verhandelt. Seit der Machtübernahme der Taliban sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan aber stark eingeschränkt. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um "stellvertretende Strafrechtspflege".
Titelfoto: Montage: Michael Bauer/dpa