In Widersprüche verstrickt: Freispruch im Prozess um Leipziger WG-Vergewaltigung

Leipzig - Eine Nacht, zwei Versionen, ein Urteil: Ein 27-Jähriger hat sich am Mittwoch wegen Vergewaltigung vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten müssen - und wurde freigesprochen. Die Nebenklägerin (24) hatte sich in Widersprüche verstrickt.

Der Angeklagte Omar E. (27, M.) mit seinem Verteidiger (l.) und einem Dolmetscher (r.) in einem Verhandlungssaal des Amtsgerichts.
Der Angeklagte Omar E. (27, M.) mit seinem Verteidiger (l.) und einem Dolmetscher (r.) in einem Verhandlungssaal des Amtsgerichts.

Ein Frühlingsabend im Jahr 2021, man trifft sich in einer Leipziger WG - und hat schließlich Sex. Doch wie kam es dazu?

Die Anklage warf Omar E. vor, die WG-Bewohnerin in ihrem Zimmer vergewaltigt zu haben. Demnach soll die Nebenklägerin bereits am Abend geäußert haben, dass sie keinen Sex wolle. Nach einem morgendlichen Kuss soll Omar E. die junge Frau dann aber angefasst haben - obwohl sie mehrfach nein gesagt und versucht haben soll, ihn wegzuschieben. Schließlich soll er sich untenrum nackt auf sie gelegt haben. Die körperlich unterlegene 24-Jährige soll daraufhin aufgegeben und um ein Kondom gebeten haben, woraufhin es zum Akt gekommen sei.

Da es sich bereits um den zweiten Anlauf des Prozesses handelte, wurden die Aussagen aus der vorherigen Verhandlung verlesen - die völlig unterschiedliche Bilder zeichnen.

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Laut Omar E. habe die 24-Jährige immer wieder den Kontakt zu ihm gesucht. So sei sie ihm auch an diesem Abend körperlich nähergekommen. Nach Umarmungen und Küssen habe er sie am Morgen mehrmals gefragt, ob sie mit ihm schlafen will, wozu sie ja gesagt habe. Auch das Kondom habe sie ihm übergezogen. "Alles war ganz normal und sie war ganz zufrieden, alles war freiwillig", so die Worte des Angeklagten.

Zudem habe die 24-Jährige ihm in der Vergangenheit mehrmals erzählt, vergewaltigt worden zu sein - und dabei die Geschichten geändert.

"Sexuelle Handlungen über sich ergehen lassen, die sie nicht wollte"

Das Gericht sprach den Angeklagten am Mittwoch vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. (Archivbild)
Das Gericht sprach den Angeklagten am Mittwoch vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. (Archivbild)  © Peter Endig/dpa

Laut der 24-Jährigen habe zwischen den beiden ein "eher flüchtiger Kontakt" bestanden. Sie habe ihn zum Abendessen eingeladen - und sei irritiert gewesen, dass er Schlafsachen dabei hatte. Aber: "Ich konnte ihn nicht rausschmeißen, wir sind ein offenes Haus, jeder ist willkommen". Am Morgen habe es zwar einen Kuss gegeben, doch: "alles Weitere war dann nicht ok." Im Bett habe sie versucht, ihn von sich runterzudrücken - und irgendwann aufgegeben. Sie habe auch überlegt, zu schlagen und zu kratzen, "aber wollte ihm nicht wehtun".

Allerdings habe es während des Geschlechtsverkehrs Stellungswechsel gegeben - warum wisse sie nicht. Sie habe gewollt, dass es vorbei ist.

Darüber hinaus hatte sie zuvor bei der Polizei ausgesagt, dass vorher klar gewesen sei, dass Omar E. in der WG übernachtet.

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Die Staatsanwältin machte in ihrem Plädoyer auf den selbstständigen Stellungswechsel und die "Widersprüche in den Aussagen" der Nebenklägerin aufmerksam. Zudem sei zwar sicherlich ein Nein geäußert worden, aber durch widersprüchliche Signale habe der Angeklagte glauben können, dass er sie erfolgreich überredet habe. Die 24-Jährige sei jemand, die anderen nicht vor den Kopf stoßen möchte - und es bestünden Zweifel, ob der Angeklagte das erkannte. Die Forderung: Freispruch.

Die 24-Jährige habe "sexuelle Handlungen über sich ergehen lassen, die sie nicht wollte", so die Vertreterin der Nebenklage. Sie sei sehr gastfreundlich und habe niemandem etwas abschlagen können. Das sei ihr "zum Verhängnis geworden." Sie habe an dem Morgen nachvollziehbar ihre Strategie gewechselt - "Flucht oder Ergeben". Die Anwältin stellte keinen Antrag.

Auch das Gericht betonte widersprüchliche Aussage-Details. Das Urteil: Freispruch.

Titelfoto: TAG24

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