Vermisste Rebecca Reusch: Hobby-Detektive stören Ermittlungen
Von Marion van der Kraats und Wilhelm Pischke
Berlin - Kaum rückt die Polizei mit einem Großaufgebot, Bagger, Drohne und Leichenspürhunden an, sind sie auch da - Schaulustige. Zu ihnen gehört eine ganz besondere Spezies: Hobby-Detektive. Die aktuellen Ermittlungen im Fall Rebecca Reusch werfen ein Schlaglicht auf diese Szene.
Seit Jahren recherchieren die Laienermittler und tauschen sich in Foren aus. Bei den Einsätzen in Brandenburg sind sie derart präsent, dass die Profis warnen: "Bitte nehmen Sie von weiteren eigenen Ermittlungen bis auf Weiteres Abstand!"
"Ich und ein paar Leute suchen seit einigen Jahren die Stellen ab, an denen man was verschwinden lassen könnte", sagt einer der Anwesenden an diesem Oktobertag in der brandenburgischen Gemeinde Rietz-Neuendorf. Parkhäuser, Dorfteiche, Bunkeranlagen und Weiher hätten sie schon durchkämmt, berichtet der Mann. Als Hobby-Ermittler sieht er sich nicht. Nein, das sei "einfach ein Helfersyndrom, keine Ahnung", sagt der Mann. "Ein zeitintensives Hobby."
Auch in der benachbarten Gemeinde Tauche verfolgt ein Mann mit Basecap den Polizeieinsatz rund um das Grundstück der Großeltern des Hauptverdächtigen im Fall der seit mehr als sechs Jahren verschwundenen Rebecca genau.
Er sammelt nach eigenen Angaben Hinweise von Menschen und gibt sie an Behörden weiter. "Irgendwann ist vielleicht mal das Entscheidende dabei. Das ist unsere Intention", sagte er. Und betonte: "Wir wollen kein Geld."
Seit dem Verschwinden des blonden Mädchens gibt es eine Reihe von Laienermittlern, die sich auf Spurensuche begeben. Viele dokumentieren per Videos oder lassen über Livestreams ihre Follower auf Social Media an ihren Bemühungen teilhaben.
Fall Rebecca Reusch: Was treibt Hobby-Detektive an?
Das Verschwinden von Rebecca zählt bei deutschen True-Crime-Fans zu den bekanntesten ungelösten Fällen, wozu auch ein Investigativ-Podcast beitrug. Doch was sind die Beweggründe?
"Ganz viele Menschen haben diese Faszination für das Ungelöste oder das Mysterium", sagt Anne Ganzert. Sie beschäftigt sich mit diesem Phänomen und leitet ein sechsjähriges Forschungsprojekt an der Philipps-Universität Marburg, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit rund 1,8 Millionen Euro unterstützt.
"Wir wollen die Amateurermittlungspraxis im digitalen Kontext verstehen", erklärt Ganzert. Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY… Ungelöst" trägt bereits seit 1967 das Verbrechen in die deutschen Wohnzimmer - und fordert Zuschauer auf, Beobachtungen der Polizei mitzuteilen, um so bei der Aufklärung eines bislang ungelösten Falls beizutragen.
Heutzutage findet die Verbrecherjagd zunehmend in anderen Medien statt - und das Genre True Crime erlebt einen regelrechten Aufschwung. "Im Prinzip ist es nur die digitalisierte Variante davon, dass Leute sich einlesen, herumstöbern, ein bisschen Recherche betreiben", meint die Wissenschaftlerin.
Hobby-Ermittler könnten Spuren zerstören
Im schlimmsten Fall behindern Hobby-Ermittler die Arbeit der Profis, etwa indem sie durch Wälder streifen und Spuren zerstören oder Verdächtige durch ihre Recherchen vorwarnen, sodass diese wichtige Beweise vernichten können.
Polizei und Staatsanwaltschaft sind darum in puncto Laienermittlern äußerst kritisch: "Nicht nur, dass sie die Ermittlungen konkret behindern, indem sie zum Beispiel Spuren vernichten können", so der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Michael Petzold. Teils begingen die "Hobby-Ermittler" auch selbst Straftaten und störten die Polizei damit bei ihrer Arbeit.
Titelfoto: Christophe Gateau/dpa, Polizei Berlin (Bildmontage)

