Erst Hammer-Angriff, dann GPS-Verfolgung, jetzt Frauenknast: Der Fall der Linksextremen Lina E. (27)

Leipzig - Brandanschläge auf Baustellen, Angriffe auf den Connewitzer Polizeiposten – das alles gehört mittlerweile schon fast zum Alltag in Leipzig. Doch auch Attacken auf Menschen häufen sich seit einigen Jahren, nicht nur in der Messestadt. Verantwortlich für einige davon soll Lina E. (27) sein, die im vergangenen November festgenommen wurde und seitdem in Untersuchungshaft sitzt. "Kripo Live – Den Tätern auf der Spur" gibt einen Einblick in die Ermittlungen gegen die Studentin.

In dieser JVA in Chemnitz sitzt Lina E. (27) seit Ende vergangenen Jahres in Untersuchungshaft.
In dieser JVA in Chemnitz sitzt Lina E. (27) seit Ende vergangenen Jahres in Untersuchungshaft.  © Screenshot/MDR/Kripo Live

Zum ersten Mal seit 20 Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft des Bundes gegen eine linksextreme Gruppe – die Gruppe, deren Anführerin die 27-jährige Lina E. aus Leipzig sein soll.

Seit die Studentin der Erziehungswissenschaften am 5. November 2020 in ihrer Wohnung festgenommen worden ist, sitzt sie im zentralen Frauengefängnis der JVA Chemnitz in Untersuchungshaft.

Sie wird unter anderem der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und des besonders schweren Landfriedensbruchs beschuldigt.

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Die Vorwürfe wiegen schwer, ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe, doch Anklage wurde bislang nicht erhoben.

Leipzig sei zu einem Hotspot der gewaltbereiten, linksextremistischen Szene geworden, die sich im Laufe der Jahre immer mehr radikalisiert habe, so Experten.

So offenbar auch Lina E., auf deren Konto seit Anfang 2019 mehrere Gewalttaten gehen sollen.

Zwei Angriffe auf rechtsextremen Wirt in Eisenach innerhalb von zwei Monaten

In dieser Kneipe in Eisenach, die als rechter Szenetreff bekannt ist, sollen Lina E. und weitere Vermummte den Wirt und seine Gäste angegriffen haben. (Archivbild)
In dieser Kneipe in Eisenach, die als rechter Szenetreff bekannt ist, sollen Lina E. und weitere Vermummte den Wirt und seine Gäste angegriffen haben. (Archivbild)  © Michael Reichel/dpa

Damals, am 8. Januar 2019, geschieht in Connewitz die erste Straftat, mit der die 27-Jährige in Verbindung gebracht wird. Zwei Kanalarbeiter werden von fünf Vermummten, darunter eine Frau, angegriffen.

Eins der Opfer soll eine Mütze mit einem Adleremblem getragen haben – ein Grund, warum von einem politischen Motiv ausgegangen wird. Welche Beweise es für Linas Beteiligung gibt, ist nicht bekannt.

Neun Monate später, am 19. Oktober 2019, verüben zwischen zehn und 15 Vermummte einen Anschlag auf das Lokal Bull's Eye im thüringischen Eisenach, das als rechter Szenetreff bekannt ist.

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Mit Bierkrügen und Barhockern sollen sich der Betreiber, offenbar ein bekannter Rechtsextremer, und drei Gäste gegen die mit Schlagstöcken und Reizgas bewaffneten Angreifer gewehrt haben. Lina E. soll auch hier beteiligt gewesen sein.

Ebenfalls am 14. Dezember desselben Jahres: Wieder wird der Wirt (21) von einer größeren Gruppe angegriffen – diesmal auf seinem Heimweg in der Nähe seiner Wohnung. Mit Hämmern, Stangen und anderem Werkzeug sind der 21-Jährige und seine Begleiter schwer, zum Teil lebensgefährlich verletzt worden.

Die Ermittlungsergebnisse des LKA Sachsen belasten Lina E. schwer. Und sie begeht offenbar einen entscheidenden Fehler. Einen Tag vor der Tat wird sie in einem Leipziger Baumarkt erwischt, wie sie versucht, zwei Hämmer zu stehlen. Dieses angezeigte Delikt soll ihr im Nachhinein zum Verhängnis werden.

Doch nicht nur das. Der Fluchtwagen, Linas VW Golf, wird in der Nähe des Tatortes in Eisenach von der Polizei gestoppt – im Kofferraum werden unter anderem Hämmer gefunden, am Fahrzeug sind gestohlene Kennzeichen angebracht, die richtigen befinden sich auf der Rückbank. Zufall?

Solche Hämmer wollte die Studentin einen Tag vor der Tat am 14. Dezember in einem Leipziger Baumarkt klauen – und wurde erwischt.
Solche Hämmer wollte die Studentin einen Tag vor der Tat am 14. Dezember in einem Leipziger Baumarkt klauen – und wurde erwischt.  © Screenshot/MDR/Kripo Live

Viele Resonanztaten nach Linas Verhaftung

In Connewitz werden immer wieder Forderungen nach Linas Freilassung laut – hier eher harmlos in Form von Graffitis.
In Connewitz werden immer wieder Forderungen nach Linas Freilassung laut – hier eher harmlos in Form von Graffitis.  © Screenshot/MDR/Kripo Live

Infolgedessen wird Lina E. von der Polizei observiert. Mittels GPS-Sender am und einer Wanze im Auto können von den Ermittlern weitere Beweise gesammelt werden. Die mutmaßliche Rädelsführerin Lina wird schließlich festgenommen.

"Das ist eben das Schöne an Polizeiarbeit. Mit Fleiß und Akribie, wenn sie einmal ein Fädchen haben, an dem sie ziehen können, ziehen sie da immer weiter dran und dann gehen tatsächlich auch immer neue Ansätze, neue Perspektiven, neue Informationen auf, die zusammen dann ein Bild ergeben", so Dirk Münster, Leiter Abteilung der Staatsschutz, der die Soko LinX leitet.

In Connewitz wird seither mit verschiedenen Aktionen immer wieder die Freilassung der jungen Frau gefordert. Zuletzt werden Ende April mehrere Fahrzeuge einer Autovermietung im Osten der Stadt in Brand gesetzt.

Kurz nach der Tat taucht im Internet ein Bekennerschreiben auf, in dem es heißt: "Unsere Genossin Lina sitzt immer noch in Haft. Darüber sind wir wütend und haben deshalb heute Nacht ein paar Wagen einer Autovermietung angezündet. Lasst sie endlich frei!"

Brandstiftungen dieser Art sind schon seit Jahren an der Tagesordnung. Mit den Fällen in der Käthe-Kollwitz-Straße sowie am ehemalign Technischen Rathaus 2019 und in Anger-Crottendorf 2020 werde Lina laut Dirk Münster nicht in Verbindung gebracht.

Worin Ermittler und Experten die Motivation und Ziele der Täter sehen, könnt Ihr am heutigen Mittwochabend um 21.15 Uhr im MDR oder bereits vorab in der Mediathek sehen.

Titelfoto: Bildmontage / Screenshot/MDR/Kripo Live

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