Aus für Leipzigs Neues Schauspiel? "Wenn es so weiterläuft, ist's im April vorbei"

Leipzig - Corona ist vorbei und damit auch die Probleme der Kultur? Wie weit diese Annahme von der Realität entfernt ist, zeigt aktuell das Neue Schauspiel in Leipzig. Weil Besucher ausbleiben und Energiekosten steigen, kämpft der Verein ums Überleben.

Markus Czygan im Theatersaal des Neuen Schauspiels. Der erste Vorsitzende des gleichnamigen Vereins kämpft aktuell um die Existenz des Kulturhauses.
Markus Czygan im Theatersaal des Neuen Schauspiels. Der erste Vorsitzende des gleichnamigen Vereins kämpft aktuell um die Existenz des Kulturhauses.  © Christian Grube

"Wenn es so weiterläuft, wie das aktuell der Fall ist, brauchen wir Hilfe", sagte Markus Czygan, erster Vorsitzender des Vereins Neues Schauspiel, gegenüber TAG24. "Dann ist das hier im April oder Mai vorbei, dann können wir nicht mal mehr die Fixkosten bezahlen."

Seit 2010 existiert das Neue Schauspiel mittlerweile im Leipziger Westen, veranstaltet Theateraufführungen, Konzerte, Literaturabende, Poetry Slams und andere Kulturereignisse. 15.000 Besucher zählte das Kulturhaus vor Corona pro Jahr. In den Sommermonaten produziert der MDR die Comedy-Show "Olafs Klub" mit Olaf Schubert (55) in den Räumen des Vereins.

Staatliche Hilfen habe das Neue Schauspiel vor der Pandemie nur selten erhalten, erinnert sich Markus Czygan. Durch Einnahmen aus dem ebenfalls in den Räumen befindlichen "Tante Manfred" sowie das Vermieten an andere Veranstalter habe es der Verein "gerade so geschafft", die eigenen Mietkosten sowie die Löhne an seine drei festen Mitarbeiter zu zahlen.

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Dann kam Corona und traf wie viele Kulturstätten auch das Neue Schauspiel mit voller Wucht. Veranstaltungen mussten abgesagt werden, das "Tante Manfred" blieb leer.

Statt 150 Besuchern plötzlich nur noch 60

Vor Corona konnte sich das Neue Schauspiel vor allem mit den Einnahmen aus der Gastronomie über Wasser halten. Weil auch dort die Gäste ausbleiben und nun auch noch steigende Energiekosten dazukommen, wächst die Sorge um das eigene Überleben.
Vor Corona konnte sich das Neue Schauspiel vor allem mit den Einnahmen aus der Gastronomie über Wasser halten. Weil auch dort die Gäste ausbleiben und nun auch noch steigende Energiekosten dazukommen, wächst die Sorge um das eigene Überleben.  © Christian Grube

"Die Sorge war natürlich erstmal groß. Glücklicherweise haben die Hilfen dann doch ziemlich gut gegriffen."

Markus Czygan und seine Kollegen beantragten Hartz IV. Die Kosten für die Räumlichkeiten konnten dank der Förderungen aufgefangen werden. "Da hat uns die Regierung wirklich den Hintern gerettet."

Selbst einige Neuanschaffungen waren plötzlich möglich, um das Haus auf die Zeit nach der Pandemie vorzubereiten.

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Die Hoffnung: Ist Corona einmal vorbei, kommen auch die Besucher wieder. "Wir hatten ja gehofft, dass die Leute nach den zwei Jahren wieder Lust auf Kultur haben. Als wir dann im September endlich wieder richtig öffnen konnten, war das zunächst auch so, aber das hat nicht lange angehalten", sagt Markus Czygan. "Nach vier, fünf Wochen war die Euphorie wieder verpufft und selbst beliebte Veranstaltungen waren nicht mehr gut besucht."

Als Beispiel nennt er den Westslam, eine Poetry-Slam-Veranstaltung, die einmal im Monat stattfindet. "Vor Corona mussten wir da manchmal auf 150, 160 Besucher aufstocken, und es wurde richtig eng, weil die Leute reinwollten. Jetzt sind wir froh, wenn 60 Leute kommen."

Die Leute hätten mittlerweile gelernt, zu Hause zu bleiben. "Dazu kommt natürlich noch, dass auch sie überlegen müssen, wie sie ihr Geld ausgeben, jetzt da es knapp wird. Wenn Essen und Strom teurer werden, dann überlege ich natürlich, ob ich mehrmals im Monat ins Theater gehe oder ob vielleicht auch einmal reicht", sagt Markus Czygan. "Ist ja vollkommen verständlich."

"Im Moment verdient hier keiner auch nur einen Cent"

Seit 2010 existiert das Neue Schauspiel mittlerweile im Leipziger Westen. "Wenn es so weiterläuft, ist das hier im April oder Mai vorbei", sagt Markus Czygan nun jedoch.
Seit 2010 existiert das Neue Schauspiel mittlerweile im Leipziger Westen. "Wenn es so weiterläuft, ist das hier im April oder Mai vorbei", sagt Markus Czygan nun jedoch.  © Christian Grube

Die Besucherzahlen seien um etwa zwei Drittel zurückgegangen, nicht nur bei den Veranstaltungen, sondern auch der Gastronomie.

In puncto staatlicher Hilfe sehe es indes düster aus. "Wir haben jetzt noch eine Förderung beantragt, mit der wir die Lüftung umbauen können, aber hier geht es ja nicht mehr darum, Corona zu bekämpfen, sondern deren Folgen. Wir müssen schauen, wie wir in Zukunft noch existieren können."

Zusätzlich zu den bisherigen Kosten wie Miete und Lohn kommen nun auch für das Neue Schauspiel steigende Energiepreise. "Wir haben also sowohl Mindereinnahmen als auch Mehrkosten. Das macht uns natürlich zu schaffen."

Liquiditätshilfen wie während der Pandemie gebe es mittlerweile nicht mehr. "Der Laden funktioniert gerade noch so, aber im Moment verdient hier keiner auch nur einen Cent." Spätestens im März entfalle der Sonderzustand für Markus Czygan und seine Kollegen, durch den sie während der Krise Hartz IV erhielten. "Was dann wird, wenn wir im Grunde hier auch wieder Geld rausziehen müssen, das kann niemand sagen."

Markus Czygan hofft nun auf Hilfe seitens der Stadt sowie der Politik. "Wir brauchen in irgendeiner Form eine Zusage, dass wir zumindest unsere drei Stellen über eine Förderung vorerst finanzieren können. Dann würden wir schon irgendwie halten können. Und da reden wir ja auch nicht von exorbitanten Summen."

Vonseiten des Leipziger Kulturamts erfuhr TAG24, dass das Neue Schauspiel bereits zwei Förderanträge für 2023 gestellt habe. "Über diese wird im mehrstufigen Förderverfahren entschieden", erklärte Pressesprecher Sebastian Fink. "Die Information der Antragsteller ist für Januar geplant."

Titelfoto: Montage: Christian Grube

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