"Mein Papi ist tot!" Sächsischer Verein begleitet trauernde Kinder, die Mama, Papa oder Geschwister verloren haben

Leipzig - Das Weihnachtsfest in besinnlicher Runde mit den Eltern zu verbringen ist nicht für alle Kinder selbstverständlich. Wenn Mama, Papa oder Geschwister gestorben sind, versucht ein Leipziger Verein, den Schmerz der Kleinen bestmöglich zu lindern und psychische Folgen zu vermeiden. Ehrenamtlich, gemeinnützig und spendenfinanziert.

Katrin Gärtner (40, l.) und Julia Enoch (40, r.) freuten sich 2018 über den "Sonderpreis der Bundeskanzlerin" für ihr soziales Engagement, für den sie von Angela Merkel (67, M.) höchstpersönlich ausgewählt wurden.
Katrin Gärtner (40, l.) und Julia Enoch (40, r.) freuten sich 2018 über den "Sonderpreis der Bundeskanzlerin" für ihr soziales Engagement, für den sie von Angela Merkel (67, M.) höchstpersönlich ausgewählt wurden.  © startsocial/Thomas Effinger

Wolfsträne e. V. wurde im März 2017 von Katrin Gärtner (40) gegründet - "auf der Wohnzimmercouch mit einer Handvoll Leute", beschreibt es ihre Stellvertreterin Julia Enoch (40) bildlich.

Die Initiatorin handelte mit der Gründung aus persönlicher Betroffenheit, denn als 14-Jährige hatte sie ihre Mama an den Krebs verloren. "Sie hat dem Thema keinen Raum gegeben, einen super Schulabschluss gemacht, war total unauffällig", erzählt Julia Enoch.

Doch vor zehn Jahren stürzt Katrin Gärtner in ein tiefes Loch. Schnell wird klar, dass die fehlende Verarbeitung des Verlustes ihrer Mutter 16 Jahre zuvor nicht (gänzlich) aufgearbeitet wurde.

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Später lernt sie selbst ein trauerndes Kind kennen, will es vermitteln - doch es gab keine geeignete Anlaufstelle. Enoch: "Das wollte sie nicht so stehenlassen und hat dann den Wolfsträne e. V. selbst gegründet."

Sachsenweit ist der Verein, der 2017 mit drei betroffenen Kindern gestartet ist, in dieser Form einmalig. Im Erzgebirge und dem Raum Dresden gibt es mit dem Lacrima-Programm ein ähnliches Angebot, das aber zum Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. gehört.

Bei der Wolfsträne wird allen Kindern kostenlos geholfen - egal aus welchem Grund Mama, Papa oder Geschwister gestorben sind.
Bei der Wolfsträne wird allen Kindern kostenlos geholfen - egal aus welchem Grund Mama, Papa oder Geschwister gestorben sind.  © Wolfsträne e. V.

Wolfsträne e. V.: Knapp 40 Mitarbeiter versuchen, das Leid der Kinder zu lindern

Besonders über das Gestalterische lässt sich Trauer bei Kindern bewältigen.
Besonders über das Gestalterische lässt sich Trauer bei Kindern bewältigen.  © Wolfsträne e. V.

Vier Festangestellte zählt die Wolfsträne derzeit, die von 35 Ehrenamtlichen unterstützt wird und sich neben ihrem Hauptsitz in Leipzig auch in der Außenstelle Torgau komplett kostenfrei um trauernde Kinder vornehmlich im Alter von fünf bis 18 Jahren kümmern.

Im Gegensatz zu Erwachsenen, weiß Julia Enoch, sind Minderjährige nicht in einem Dauertief gefangen. So komme es nicht selten vor, dass Kinder von einem zutiefst betrübten Moment im nächsten ein Eis essen gehen wollen und innerhalb weniger Augenblicke besser drauf sind.

Der Fokus der Trauerbewältigung liegt bei der Wolfsträne allein auf den Kindern, mit denen ohne anwesende Eltern und meistens in Gruppen gearbeitet wird.

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Die Trauerbegleitung startet teilweise schon, wenn Mutter oder Vater an einer unheilbaren Krankheit leiden und der Tod in naher Zukunft absehbar ist. Mindestens bis zur Beerdigung werden dann Einzeltreffen angeboten, auch bei den Kindern daheim. Anschließend ist das Ziel, sie in einer Gruppe mit Gleichaltrigen zu integrieren, die das gleiche Schicksal durchleben müssen.

Ob Erkrankungen, tödliche Unfälle oder Suizid: Bei der Wolfsträne finden alle trauernden Kinder Hilfe - kostenlos und zeitlich unbegrenzt!

Wolfsträne e. V.: "Kinder vertragen deutlich mehr, als wir ihnen zumuten!"

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter begleiten Kinder auch auf den Friedhof.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter begleiten Kinder auch auf den Friedhof.  © Wolfsträne e. V.

Die Kontaktaufnahme läuft dabei entweder über Eltern direkt, die über Internetrecherche auf den Wolfsträne e. V. stoßen.

Mittlerweile melden sich aber vor allem Netzwerkpartner wie das Universitätsklinikum Leipzig (UKL).

"Sie rufen uns an und teilen mit, dass sie bei einem Patienten die Geräte abstellen, er eine Frau und zwei Kinder hat und nach einer Trauerbegleitung fragen", berichtet Julia Enoch von einem Praxisbeispiel.

In solchen Fällen beginnt die Arbeit schon in einem sehr frühen Stadium, nämlich wenn Mama oder Papa noch leben. Die Wolfsträne rät dann beispielsweise, dass die Kinder Abschied nehmen können, indem sie verstorbene Elternteile noch einmal sehen oder den Sarg bemalen.

"Das wirkt für viele total abschreckend. Aber Kinder vertragen deutlich mehr, als wir ihnen zumuten. Das ist für deren Verarbeitung ganz wichtig." Ein "Papa ist jetzt irgendwo, der kommt nicht wieder" gebe es dementsprechend nicht.

400 Betroffene hat der Leipziger Verein bisher schon begleitet, derzeit gibt es 13 Trauergruppen. Aufgrund der Corona-Pandemie kommt es seit Monaten zu Schwierigkeiten, da sich die Mitarbeiter aufgrund der Schutzverordnungen regelmäßig nicht mit den Trauernden treffen dürfen.

Dennoch kommen virtuelle Sitzungen nicht infrage, da die Kinder dann zu abgelenkt vom häuslichen Umfeld sein könnten. "Dann sitzen alle an ihrem Küchentisch, da öffnet sich kein Kind", weiß Enoch.

Julia Enoch (l.) und Katrin Gärtner 2018 unter dem Leipziger Glücksbaum.
Julia Enoch (l.) und Katrin Gärtner 2018 unter dem Leipziger Glücksbaum.  © Picture Point/Kerstin Dölitzsch

So könnt Ihr dem Leipziger Wolfsträne e. V. unter die Arme greifen

Auch das Bemalen eines Sarges wird als Trauerbekämpfung genutzt.
Auch das Bemalen eines Sarges wird als Trauerbekämpfung genutzt.  © Wolfsträne e. V.

Für ihr soziales Engagement ist die Wolfsträne schon mehrfach ausgezeichnet worden, darunter mit dem "Sonderpreis der Bundeskanzlerin", bei dem sich Angela Merkel (67) den Leipziger Verein 2018 selbst ausgesucht hat.

2019 folgte der Familienfreundlichkeitspreis der Stadt Leipzig, 2020 gab's den Engagement-Preis "Leben bewahren" von der damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (43).

Um die Kapazitäten zu erhöhen, ist die Wolfsträne auch fortlaufend auf der Suche nach Menschen, die sich um die vom Schicksal gebeutelten Kinder kümmern möchten.

Da es sich "nur" um trauernde und keine psychisch kranken Kinder handelt, sind weder Ausbildung noch Vorkenntnisse nötig. Natürlich solltet Ihr aber eine gewisse Empathie mitbringen und Freude, mit Kindern zu arbeiten. Bei Wolfsträne e. V. erfolgt dann eine interne Ausbildung zum Trauerbegleiter.

Interessenten sollten sich bereit erklären, mindestens zehn Stunden im Monat zur Verfügung zu stehen.

Da der Verein leider nicht von Krankenkassen anerkannt und somit auch nicht finanziell unterstützt wird, ist er auf Geldspenden angewiesen. Diese werden bei der Wolfsträne z. B. für von Kindern gestalteten Grabschmuck, Kisten für Platz für materielle Andenken, kleine Ausflüge und Feste, aber auch laufende Fixkosten benötigt.

Auch Fördermitgliedschaften ab fünf Euro im Monat sind möglich.

Mehr Informationen zum Wolfsträne e. V. und wie Ihr helfen könnt, findet Ihr auf der >>>Homepage.

Spendenkonto Wolfsträne e.V.

Bank: Stadt- und Kreissparkasse Leipzig
IBAN: DE89 8605 5592 1090 1651 17
BIC: WELADE8LXXX

Oder spendet ganz einfach via PayPal.

Titelfoto: Bildmontage: Wolfsträne e.V.

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