Neuer US-Generalkonsul in Leipzig: "Die Vereinigten Staaten sind ein Land der Vielfalt"

Leipzig - Ende August bekam Leipzig mit Kenichiro "Ken" Toko (45) einen neuen US-Generalkonsul (TAG24 berichtete). Toko ist zuständig für die Region Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Seine Aufgabe: Die Beziehungen zwischen Deutschen und Amerikanern verbessern und vertiefen. Dabei verfolgt er auch eine Mission, die mit der Kindheit seiner Mutter zu tun hat.

Der Generalkonsul im Gespräch mit Redakteur Markus Griese (l.).
Der Generalkonsul im Gespräch mit Redakteur Markus Griese (l.).  © Ralf Seegers

TAG24: Herr Toko, Sie stammen aus New York City. Da wir gerade erst September hatten - wie ist Ihre Erinnerung an 9/11, also die Terroranschläge von 2001?

Ken Toko: Ich war tatsächlich in der Gegend. Damals lebte ich in New Jersey, ganz nah bei New York. Ich konnte von der anderen Seite des Hudson die Türme einstürzen sehen. Ich war schockiert, wie alle anderen auch.

Spielte das eine Rolle bei Ihrer Berufswahl?

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Es war nicht der einzige Grund (um Diplomat zu werden). Tatsächlich hätte ich in der Woche nach Tokio fliegen sollen, um einen Job bei Sony anzufangen. Mein Flug wurde verschoben...

... wie alle anderen...

Ja, alles war geschlossen, es herrschte Chaos. Ich hatte damals Freunde, die im New Yorker Finanzdistrikt arbeiteten. Zum Glück ist ihnen nichts passiert. Aber sie haben gesehen wie Leute aus den brennenden Zwillingstürmen sprangen - schrecklich!

Sie waren also in Ihren Zwanzigern, als Sie in Japan arbeiten wollten. War es da hilfreich, dass Sie japanische Wurzeln haben und zweisprachig aufgewachsen sind?

Sehr hilfreich. Japanisch ist eine schwierige Sprache, wenn man es später im Leben lernen möchte.

"War schon in Washington mit deutschen Themen beschäftigt"

Das Generalkonsulat ist in einer ehemaligen Bankiers-Villa untergebracht. Besitzer des Gebäudes ist der Freistaat Sachsen.
Das Generalkonsulat ist in einer ehemaligen Bankiers-Villa untergebracht. Besitzer des Gebäudes ist der Freistaat Sachsen.  © Ralf Seegers

Ihre Eltern sind noch in Japan geboren?

Ja, sie stammen aus dem Süden und wanderten in den frühen Siebzigern in die USA aus. Zu der Zeit war das sehr ungewöhnlich.

Weil Japan damals boomte?

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Genau. Und damals war das System noch so, dass die Menschen praktisch ihr Leben lang für eine Firma arbeiteten. Auch mein Vater hatte einen guten Job in einer guten Firma, aber meine Mutter wollte unbedingt in die Vereinigten Staaten.

Warum das?

Als Kind wuchs sie auf dem Land auf, es gab wenig Kontakt zur Außenwelt. Damals traf sie eine Nonne aus Amerika, die mit den Kindern dort Englisch sprach. Meine Mutter war fasziniert davon. Sie begann, amerikanische Filme zu schauen und wurde immer faszinierter. Schließlich entschieden sich meine Eltern, in die USA auszuwandern.

Sie dagegen sind jetzt in Leipzig, vorher hatten sie im US-Außenministerium in einer Abteilung gearbeitet, die für Deutschland zuständig ist. Wie kam es dazu?

Ich war schon die letzten beiden Jahre in Washington mit deutschen Themen beschäftigt. Nun gibt es bei uns keine Personalabteilung, die den Leuten sagt, wohin sie zu gehen haben. Stattdessen kommt jeden Sommer eine Liste raus mit offenen Positionen (an US-Botschaften und Konsulaten, Anm. d. Red.) in aller Welt. Leipzig war meine erste Wahl.

"Es geht mir um die Menschen und darum, Brücken zu bauen zu den Vereinigten Staaten"

Legitimer Präsident der USA: "Trump wurde vom amerikanischen Volk gewählt".
Legitimer Präsident der USA: "Trump wurde vom amerikanischen Volk gewählt".  © Evan Vucci/AP/dpa

Was möchten Sie hier erreichen?

Es geht mir um die Menschen und darum, Brücken zu bauen zu den Vereinigten Staaten. Es gibt viele Menschen hier, die nicht viel Erfahrung mit den USA haben. Ich möchte, dass die Leute verstehen, was für ein vielfältiges Land die Vereinigten Staaten sind in Bezug auf Herkunft, Gedanken, Religion.

Klingt fast, als grenzten Sie sich gleich mal ab von Präsident Trump...

Nein. Sehen Sie, Präsident Trump wurde vom amerikanischen Volk gewählt und ist der legitime Präsident der USA. Aber was ich sagen möchte ist, dass die Vereinigten Staaten in puncto Vielfalt anders sind als die meisten Länder, wo vielleicht 90 Prozent der Menschen einen ähnlichen Background haben. Als amerikanischer Diplomat wurde ich oft nicht als Amerikaner angesehen. Wenn ich dann frage, 'Wie sieht ein typischer Amerikaner denn Eurer Meinung nach aus?', dann sagen sie "Wie Brad Pitt!" (lacht). Das zeigt, dass unsere Vielfalt wohl nicht überall verstanden wird.

Wie sieht es mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit aus?

Das ist eine weitere Schlüsselaufgabe. Ich möchte dabei mithelfen, dass stärkere Wirtschaftsverbindungen entstehen zwischen dieser Region und den USA. Sachsen hat viele Start-ups, junge Unternehmensgründer, das Silicon Saxony, Halbleiter- und Biotechnologiebetriebe. Wenn es bei denen Interesse an Geschäften in den USA geben sollte, werden wir dabei helfen.

"Möchte mit der jüngeren Generation in Kontakt treten"

Ken Toko (45) möchte in den kommenden drei Jahren die Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für sich und sein Land gewinnen. (Archivbild)
Ken Toko (45) möchte in den kommenden drei Jahren die Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für sich und sein Land gewinnen. (Archivbild)  © Thomas Türpe

Und andersherum?

Natürlich auch das.

Auch als professioneller Diplomat, der die politischen Ziele der Regierung umsetzt, hat doch jeder seinen eigenen Stil. Was ist Ihrer?

Das hängt stark davon ab, ob ich an einer Botschaft oder einem Konsulat arbeite. In den Botschaften in Kiew und Tokio hatte ich viel mit den Regierungen der jeweiligen Länder zu tun, mit Politikern und den Außenministerien. Hier im Konsulat - und darum mag ich die Arbeit in Konsulaten - kann man darüber hinausgehen. Wir können reisen, ganz verschiedene Leute treffen, Geschäftsleute genauso wie Studenten, Vertreter von NGOs und so weiter. Das macht es wirklich interessant.

Haben Sie irgendwelche Lieblingsprojekte, die Sie in Ihrer Zeit hier vorantreiben wollen?

Ich würde es nicht auf ein Projekt reduzieren wollen. Aber ich möchte auf jeden Fall mit der jüngeren Generation in Kontakt treten. Das ist eine meiner Prioritäten. Nicht nur Uni-Studenten, auch Schüler und jüngere Kinder. Corona ist eine Herausforderung, aber wir haben wieder damit begonnen, kleinere Gruppen ins Konsulat einzuladen, Schüler vor allem. Im Grunde geht es auf das zurück, was ich über meine Mutter gesagt habe - ihre erste Erfahrung mit einer Amerikanerin und wie es ihre Weltsicht inspiriert hat. Wenn wir auch nur ein paar Kindern etwas Ähnliches vermitteln können, dann war die Zeit hier erfolgreich.

Ständig unterwegs

In seiner Freizeit bewegt sich Ken Toko gern in freier Natur. Von seinem Alaska-Urlaub schwärmt er noch immer.
In seiner Freizeit bewegt sich Ken Toko gern in freier Natur. Von seinem Alaska-Urlaub schwärmt er noch immer.  © privat

Vor seinem Amtsantritt in Leipzig war Ken Toko amtierender stellvertretender Direktor und "Senior Desk Officer" für Deutschland im Büro für westeuropäische Angelegenheiten des US-Außenministeriums in Washington D.C.

Davor arbeitete er von 2014 bis 2017 als stellvertretender Botschaftsrat an der US-Botschaft in Kiew. Seine Stationen davor: Tokio, Shanghai und Taipeh (Taiwan).

Vor seinem Eintritt ins "State Department" (US-Außenministerium) im Jahr 2003 arbeitete Ken Toko für die Sony Corporation in Tokio.

Er ist Absolvent der Georgetown University, wo er 2000 seinen Master of Science in Foreign Service abgelegt hat. Seinen Bachelor in Ostasienwissenschaften hat er von der Columbia University in New York erhalten.

Ken Toko spricht Englisch, Japanisch, Chinesisch (Mandarin), Deutsch und Ukrainisch. Er wurde in New York City geboren. In Leipzig lebt er mit Ehefrau und vier Kindern (12 bis 16 Jahre).

Titelfoto: Ralf Seegers

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