"Vom Norden rollt ein Donner" am Theater Magdeburg: So macht man das Publikum sprachlos
Magdeburg - Am Samstagabend feierte das Theater Magdeburg nach "Schrei so laut du kannst" eine zweite Uraufführung: "Vom Norden rollt ein Donner" ist nicht nur erschreckend aktuell, sondern auch wahnsinnig gut.

Die beiden Uraufführungen am Samstagabend hätten tonal nicht unterschiedlicher sein können: "Schrei so laut du kannst" ist witzig, musikalisch und überdreht, wo "Vom Norden rollt ein Donner" in eine groteske Horror-Richtung abdriftet.
Es handelt von der Rückkehr des Wolfes in die Lüneburger Heide und die Zerwürfnisse einer Familie, aber nur oberflächlich. Vielmehr geht es um völkischen Autoritarismus, Rechtsextremismus und Gewaltbereitschaft in einer Gesellschaft, die die eigene Vergangenheit nur spärlich aufgearbeitet hat.
Das Werk wurde in 2014 als Roman von Markus Thielemann veröffentlicht, der zum Premierenabend selbst vor Ort war.
Thielemann schafft es, einen perfekten Bogen von einer durchgängig spannenden Handlung über erschreckend aktuelle Geschehnisse zu allbekannten familiären Strukturen zu schlagen. Die Heimat - ein kleines niedersächsisches Dorf - wird dabei nicht romantisiert, im Gegenteil.
Jan Friedrich, der nach preisgekrönten Stücken wie "Blutbuch" und "Onkel Werner" schon lange kein Unbekannter mehr am Magdeburger Haus ist, inszenierte den Roman jetzt für die Bühne. Bei "Vom Norden rollt ein Donner" zeigt er wieder deutlich seine markante Regisseur-Handschrift.

Brandneues Schauspiel erschreckt mit Horror, Blut und Aktualität

Bei diesem Schauspiel wird wieder mit einer Live-Kamera auf der Bühne gearbeitet, was die Darsteller und Rollen nicht nur ungemütlich nahe bringt, sondern auch Einblicke erlaubt in eine verborgene Welt hinter der Bühne.
Friedrich spielt in dieser Inszenierung vermehrt mit Horror-Elementen, die das Publikum unwohl zusammenzucken oder wegschauen lassen. Besonders die geisterhafte Erscheinung Rose, gespielt von Nora Buzalka, ist so schaurig-brillant, dass sich prompt die Gänsehaut durch die Zuschauerreihen schleicht.
Das gesamte achtköpfige Ensemble überzeugt in den 150 Minuten Spieldauer mit schweren und dennoch auf den Punkt gespielten Monologen und kreiert eine lauernde Ernsthaftigkeit. Und dem Witz, der hin und wieder in einigen Szenen zu finden ist, liegt immer etwas Finsteres, Ekelerregendes und Groteskes zugrunde.
Beispielsweise wird oft über Philipp Kronenbergs kauzigen Opa Wilhelm gelacht - doch spätestens in der Schlussszene, als er lapidar wiedergibt, eine Geflüchtete erschossen zu haben, lacht niemand mehr.
Ist "Vom Norden rollt ein Donner" einen Besuch wert?

Fazit: Das Theater Magdeburg legt mit "Vom Norden rollt ein Donner" ein Schauspiel vor, das in seiner Aktualität erschaudert. Klassische Horror-Elemente werden gekonnt mit der Handlung um den Wolf, die Schafsherde und eine verzweifelnde Familie verwoben und hinterlassen schwer beeindruckte Zuschauer.
Das Magdeburger Schauspielensemble beweist einmal mehr, dass politische und ernsthafte Themen verstanden und dann wunderbar gespielt werden und zweifellos einen Platz auf der Bühne verdient haben.
"Vom Norden rollt ein Donner" ist eine der beeindruckendsten und aktuellsten Stücke der laufenden Spielzeit und vielleicht sogar der letzten Jahre. Ein großer Triumph für Jan Friedrich, Markus Thielemann und das gesamte Theater!
Weitere Vorstellungen findet Ihr auf dem Spielplan des Theaters.
Titelfoto: Theater Magdeburg/Gianmarco Bresadola