Luxus für alle! Experten verraten, wie es geht

Wie ist es möglich, dass alle Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ein Leben ohne Ängste vor sozialem Abstieg und Armut führen können? Eine Antwort darauf gibt der Sammelband "Öffentlicher Luxus", den TAG24-Redakteur Florian Gürtler (46) in diesem Artikel vorstellt.

Bei dem Wort "Luxus" denken die allermeisten von uns wohl an finanziell Unerreichbares wie schicke Villen, private Swimmingpools oder schneidige Privatjets. Doch die sprichwörtliche Sonnenseite des Lebens kann auch eine ganz andere Bedeutung annehmen, die für uns alle erreichbar sein könnte.

Eine Villa mit privatem Swimmingpool, dieses Bild haben viele vor Augen, wenn das Wort "Luxus" fällt - doch der Begriff kann auch eine ganz andere Bedeutung annehmen, wie ein politischer Sammelband aus dem vergangenen Herbst aufzeigt.
Eine Villa mit privatem Swimmingpool, dieses Bild haben viele vor Augen, wenn das Wort "Luxus" fällt - doch der Begriff kann auch eine ganz andere Bedeutung annehmen, wie ein politischer Sammelband aus dem vergangenen Herbst aufzeigt.  © 123Rf/svetlanasf

"Öffentlicher Luxus", so lautet der Titel eines kurzen und gut lesbaren Sammelbands, der im Herbst vergangenen Jahres von dem Verein "communia" und der Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUNDjugend) herausgegeben wurde.

Zugleich steht der Titel auch für eine politische Idee, die darauf hinausläuft, allen Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ein deutlich besseres Leben ohne Ängste vor sozialem Abstieg und Armut zu ermöglichen.

In der von "communia"-Experten verfassten Einleitung wird ausführlich beschrieben, was mit öffentlichem Luxus gemeint ist.

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Das Schlagwort soll demnach als "konkreter Gegenentwurf" zur neoliberalen Politik der vergangenen Jahrzehnte bis heute verstanden werden. Diese habe durch die "als alternativlos propagierte Ökonomisierung weiter Teile des gesellschaftlichen Lebens und der Privatisierung öffentlicher Güter" zu einer "Verschlechterung der Versorgungsqualität" für weite Teile der Bevölkerung geführt.

Dem stellen die Verfasser der Einleitung (Lemon Banhierl, Justus Henze, Vincent Janz, Lukas Warning und Maximilian Wilken) ihr Konzept als politische Alternative entgegen. Öffentlicher Luxus sei der bedingungslose Zugang zu essenziellen Leistungen und Gütern: "Alle Menschen haben ein Recht auf hochwertige Versorgung in den Bereichen Wohnen, Energie (Strom, Wärme etc.), Gesundheit, Pflege und Care, Bildung, Mobilität, Ernährung, Kultur, Medien und digitale Infrastruktur."

Dabei soll die Teilhabe an diesen Bereichen der Daseinsvorsorge für alle Menschen erschwinglich, wenn nicht gar kostenlos sein!

Öffentlicher Luxus: "Gutes Leben für alle" und sozial gerechter Klimaschutz

Der Sammelband "Öffentlicher Luxus" erschien im Herbst vergangenen Jahres im Programm des Karl Dietz Verlags.
Der Sammelband "Öffentlicher Luxus" erschien im Herbst vergangenen Jahres im Programm des Karl Dietz Verlags.  © Karl Dietz Verlag Berlin

Öffentlicher Luxus bedeute eine "bedingungslose Grundversorgung und ein gutes Leben für alle", heißt es weiter.

Die Idee sei eine "kollektive, demokratische und gerechte Gestaltung, Erhaltung und Verbesserung unserer wirtschaftlichen und sozialen Systeme" durch eine "Ausweitung öffentlichen Eigentums an Infrastruktur und Daseinsvorsorge".

Dabei wenden sich die Verfasser klar gegen Verstaatlichungen nach dem Vorbild früherer Staatskonzerne. Vielmehr fordern sie "neue institutionelle Formen" im Sinne einer Vergesellschaftung, welche die "gesamte Grundversorgung aus Profitzwängen" befreie.

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Zugleich sind die Autoren von "communia" bestrebt, ihre politische Vision in die Debatte um den Klimawandel einzubringen. Öffentlicher Luxus sei eine Bedingung für "effektiven, sozial gerechten und demokratisch gestalteten Klimaschutz".

Denn durch die kollektive Nutzung natürlicher Ressourcen ließe sich "ein Weniger an Verbrauch mit gesellschaftlichem Reichtum verbinden".

Sammelband zum Thema Luxus: "Das Leben könnte für alle so schön sein"

Die Aktivistin Fatim Selina Diaby erinnert in dem Sammelband "Öffentlicher Luxus" daran, dass politische Kämpfe notwendig sind, um die fatalen Ergebnisse der neoliberalen Reformen in Deutschland einzudämmen.
Die Aktivistin Fatim Selina Diaby erinnert in dem Sammelband "Öffentlicher Luxus" daran, dass politische Kämpfe notwendig sind, um die fatalen Ergebnisse der neoliberalen Reformen in Deutschland einzudämmen.  © Screenshot/Instagram/fatimselina

Ist die Einleitung des Sammelbands die Skizzierung einer politischen Vision, so wird das Buch in weiteren Kapiteln teils sehr konkret. Verschiedene weitere Expertinnen und Experten wenden sich dabei Teilaspekten dessen zu, was öffentlicher Luxus umfasst.

So blicken die Autorinnen Barbara Fried und Alex Wischnewski etwa auf den Bereich Pflege und Care. Dabei betonen sie, dass es für eine praktische Umsetzung der Idee der "communia"-Autoren nötig sei, "bestehende Care-Infrastrukturen der Markt- und Profitlogik zu entziehen".

Eine Überwindung von kapitalistischem Profitstreben fordern auch die Autorinnen Anne Klingenmeier und Gesine Langlotz für den Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung. Dies sei notwendig, um "chronischen Hunger und vielschichtige Ausbeutungsverhältnisse auf einer strukturellen Ebene zu vermeiden und eine sozial und ökologisch nachhaltigere Landwirtschaft" umzusetzen.

Dabei bedeute öffentlicher Luxus, dass "genug Lebensmittel für alle zur Verfügung stehen und Essen durch eine angepasste Bewirtschaftung innerhalb planetarer Grenzen produziert wird".

Derartige Veränderungen im Hinblick auf die Besitzverhältnisse und die Produktionsweise in der Daseinsvorsorge einer kapitalistischen Gesellschaft lassen sich jedoch nicht ohne Konflikte erreichen, insbesondere wenn dabei gegen die Profitinteressen großer Konzerne angekämpft werden muss, wie es in Bereichen wie Pflege und Care, Lebensmittelerzeugung oder auch dem Wohnungsmarkt der Fall wäre.

Auch dieser Aspekt wird in dem Sammelband angesprochen. Die Aktivistin Fatim Selina Diaby erinnert für die BUNDjugend daran, dass die Umsetzung der Idee des öffentlichen Luxus genauso wie effektiver Klimaschutz politisch erkämpft werden müsste: "Das Leben könnte für alle so schön sein - aber das ist nicht die derzeitige Realität."

Die Klimakrise sei eine Krise von vielen und der Kampf für Klimagerechtigkeit nur möglich "in Verbindung mit anderen sozialen Kämpfen".

Philosophin zu öffentlichem Luxus: "Weil der Mensch ein Mensch ist"

Die Philosophin Eva von Redecker (42) hat das Nachwort zu dem Sammelband "Öffentlicher Luxus" verfasst. Darin heißt es wörtlich: "Stellen wir uns die Last vor, die von den Schultern fällt, und die Energie, die plötzlich frei würde."
Die Philosophin Eva von Redecker (42) hat das Nachwort zu dem Sammelband "Öffentlicher Luxus" verfasst. Darin heißt es wörtlich: "Stellen wir uns die Last vor, die von den Schultern fällt, und die Energie, die plötzlich frei würde."  © Screenshot/Instagram/evas_notizbuecher

Im Nachwort des Sammelbandes meldet sich die Philosophin Eva von Redecker (42) zu Wort.

Ihr Beitrag beginnt mit einer Ausformulierung dessen, was Leben mit öffentlichem Luxus bedeuten könnte: "Ein warmes Zimmer, umsonst geheizt aus regional gewonnenem grünen Strom und städtischer Geothermie. Überhaupt ein Dach über dem Kopf, nicht, weil man geerbt hat oder pünktlich horrende Mieten zahlt, sondern komme, was wolle. Wenn es Gesundheitsprobleme gibt, kann man einfach in ein medizinisches Zentrum gehen. Keine Karte, kein Formular, kein Zittern um die Kassenübernahme. Pflege ist teilambulant organisiert. Zwischen häuslicher und stationärer Betreuung kann je nach Kapazität und Vorliebe von Betroffenen und Angehörigen abgewechselt werden. Keine Jagd nach Kitaplätzen, weil es wirklich genug für alle gibt. Einfach hingehen gilt auch für Bibliotheken, Museen, Kindergärten, Schulen, Universitäten, für Kantinen und Schwimmbäder. Weil der Mensch ein Mensch ist und weil allen Menschen zusteht, den Reichtum menschlicher und planetarer Arbeit mitgenießen zu dürfen."

Etwas weiter heißt es: "Stellen wir es uns einmal vor. Stellen wir uns die Last vor, die von den Schultern fällt, und die Energie, die plötzlich frei würde."

"Öffentlicher Luxus", Karl Dietz Verlag Berlin, erste Auflage, 2023.

Titelfoto: 123Rf/svetlanasf

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