Historiker findet es nicht okay, "AfD in die Nähe der NSDAP zu rücken"
Von Christoph Driessen
Berlin - Der Berliner Historiker Götz Aly (78) sieht kaum Parallelen zwischen der Zerstörung der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 und heutigen Herausforderungen der deutschen Demokratie.
Alles in Kürze
- Historiker Götz Aly sieht keine Parallelen zwischen NSDAP und heutiger Demokratie
- Aly kritisiert Vergleiche zwischen AfD und NSDAP als unangemessen
- Heutige Herrschaftsmethoden erinnern teils an Nazi-Diktatur
- Putin und Trump teilen einige Strategien mit der NS-Regierung
- Aly betont, dass Putin und Trump nicht mit Hitler gleichzusetzen sind

"Ich erkenne wesentlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten", sagte Aly der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
"Wir haben intakte Verfassungsorgane - das kann man vom damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nicht sagen", sagte Aly. Er veröffentlicht am Mittwoch das Buch "Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933 bis 1945".
Der vielfach ausgezeichnete Experte für die Geschichte des Nationalsozialismus ist optimistisch, dass sich die heutige deutsche Demokratie zu verteidigen wisse.
"Ich finde es auch nicht in Ordnung, die AfD in die Nähe der NSDAP zu rücken. Ich kann nicht erkennen, dass in den auch mir unsympathischen Auftritten von Alice Weidel (46) ein Goebbels oder Hitler durchschimmern würde - das waren ganz andere, völlig skrupellose Persönlichkeiten", erläutert der renommierte Historiker.
Auch angesichts der beunruhigenden weltpolitischen Entwicklungen sollte man nicht reflexhaft "mahnend" auf den Nationalsozialismus verweisen, sagte Aly.
Herrschaftsmethoden heute erinnern Experten teils an NS-Diktatur

Allerdings beobachte er immer wieder einzelne Herrschaftsmethoden, die ihn durchaus an die Nazi-Diktatur erinnerten. Dazu gehöre Wladimir Putins (72) Direktive, den Krieg gegen die Ukraine nur als "militärische Spezialoperation" zu bezeichnen.
Heutige autoritäre oder halb-autoritäre Regime verfolgten zudem häufig die Strategie, sich durch soziale Wohltaten des Rückhalts der Bevölkerung zu versichern. Das habe auch für die Nationalsozialisten eine zentrale und heute oft unterschätzte Rolle gespielt.
US-Präsident Donald Trump (79) teile Hektik, Tempo und Aktionismus mit der NS-Regierung. "Jeden Tag ein anderes Dekret raushauen, jeden Tag Fake News herausposaunen, die Gegner fortwährend unter Druck setzen, die Welt durch immer neue Initiativen, Provokationen und Drohungen verunsichern."
Gleichzeitig gelte aber: "All diese Vergleiche hinken. Weder Putin noch Orbán noch Trump sind mit Hitler gleichzusetzen. Anders als dieser arbeitet Trump nicht auf einen von den USA zu führenden Eroberungskrieg hin." Viktor Orbán (62) wiederum sehe sich selbst als Vermittler, sei es im Kontakt mit Putin oder dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (75).
Putin betreibe zwar imperialistische Aggressionspolitik, doch könne diese bislang nicht mit der auf Massenmord ausgerichteten Kriegsführung Hitlers gleichgesetzt werden.
Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa, Sophia Kembowski/dpa (Bildmontage)