Ungewohnter Anblick: Merz ringt bei Synagogen-Eröffnung mit Tränen

München - Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, 69) zeigte sich bei der Eröffnung der Synagoge an der Reichenbachstraße in München von einer eher unbekannten Seite. Während seiner Rede rang der Mann, der sonst zumeist nicht für die leisen Töne bekannt ist, mit der Fassung und geriet mehrfach ins Stocken.

Die wiederhergestellte Synagoge wurde am Montagabend mit einem Festakt eröffnet.
Die wiederhergestellte Synagoge wurde am Montagabend mit einem Festakt eröffnet.  © Sven Hoppe/dpa

"Wir wissen im Rückblick, dass die Novemberpogrome von 1938 nur der Auftakt waren für das Menschheitsverbrechen der Shoah", sagte Merz in seiner Rede zum Festakt am Montagabend. "Für den Versuch, der systematischen, geradezu industrialisierten Auslöschung des jüdischen Volkes."

Es sei eine Tat gewesen, "die einfach nicht hätte passieren dürfen unter uns Menschen", so der Bundeskanzler, dessen Stimme brüchig wurde, während er sich mit gestreckten Armen und gesenktem Blick am Podium abstützte.

Dann richtete der CDU-Politiker das Wort an Rachel Salamander (76), Initiatorin des Projekts zur Restaurierung der durch die Nationalsozialisten 1938 verwüsteten Synagoge, deren Eltern den Holocaust überlebt hatten.

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"Sie haben in einem ihrer Bücher geschrieben, dass sie als Kind immer wieder diese eine Frage stellten: Ob denn den Juden niemand geholfen habe?", sagte Merz mit brechender Stimme und schluckte. "Ohne ein Festhalten an der naiven Hilfserwartung eines Kindes, wären wir doch als Menschen verloren."

Merz warnt vor wachsendem Antisemitismus

Sagte jeder Form des Antisemitismus mit allen Mitteln den Kampf an: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU,69) am Montagabend in München..
Sagte jeder Form des Antisemitismus mit allen Mitteln den Kampf an: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU,69) am Montagabend in München..  © Sven Hoppe/dpa

"Auch heute noch müssen wir das Entsetzen darüber zulassen, dass die allermeisten eben nicht geholfen haben", setzte der Bundeskanzler seine Rede fort.

Es sei ein Wunder und schwer zu begreifen, dass sich Jüdinnen und Juden unmittelbar nach dem Kriegsende 1945 dazu entschieden hatten, nach Deutschland zurückzukehren: "Diese neue, alte Synagoge ist einmal mehr Ausdruck jüdischer Lebenskraft in Deutschland", so Merz.

Gleichzeitig müsse man sich jedoch der Tatsache stellen, dass jüdische Einrichtungen in Deutschland heute Tag und Nacht unter Polizeischutz stehen müssten.

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"Antisemitismus war eben nie aus der Bundesrepublik verschwunden. Das wissen viele von Ihnen aus bitterer, eigener Erfahrung. Es liegt an uns allen, mehr denn je, dieses ´Nie wieder´mit Leben zu füllen", so der 69-Jährige.

Die Synagoge Reichenbachstraße wurde bei den November-Pogromen 1938 von einem Mob verwüstet. Lediglich die Feuerwehr verhinderte, dass das Gebäude in Brand gesteckt wurde, da man ein Übergreifen des Feuers auf "nichtjüdische Wohnungen" befürchtete. Nun wurde die Synagoge nahezu originalgetreu wiederhergestellt.

Titelfoto: Sven Hoppe/dpa

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