München/Berlin - Erstmals in der Geschichte ist mit Friedrich Merz (69) am Dienstag nach einer Bundestagswahl – plus erfolgreichen Koalitionsverhandlungen – ein designierter Kanzler im ersten Wahlgang gescheitert. Die frei gewählten Abgeordneten standen nicht als Mehrheit hinter dem Unions-Kandidaten. Ausgerechnet CSU-Chef Markus Söder (58) hebt jetzt den Moralfinger.
Nach einer Sitzung seines Kabinetts in München meinte er, dass nun der falsche Zeitpunkt für Spielchen, Denkzettel oder die Begleichung alter Rechnungen sei.
Söder, der selbst keine falschen Zeitpunkte zu kennen scheint, politische Gegner oder gar eigene Koalitionspartner anzugreifen, fordert nun Fairplay.
Vielleicht, weil es um die eigene Parteienfamilie geht? Die Klatsche, die Merz kassiert hat, wird auf jeden Fall als Novum in die Geschichtsbücher eingehen.
"Der heutige Vormittag zeigt, dass wir in einer ernsten Lage sind. Eine ernste Lage für unser Land, aber auch für die Demokratie", so der bayerische Ministerpräsident vor der Presse. "Wir brauchen Stabilität wie nie und konnten es heute nicht erzielen."
Er selbst, der die Ampel-Regierung mehrmals als "schlechteste in der Geschichte" bezeichnete, ist nun um Schadensbegrenzung bemüht, nachdem die neue Regierung schon bei der Kanzlerwahl gescheitert ist – zumindest vorerst.
Markus Söder knallhart: Scheitern könnte "Vorbote von Weimar sein"
Und das muss er auch. Der Deutsche Aktienindex ist als Reaktion auf die erste Merz-Pleite direkt abgestürzt und war Schlusslicht in Europa.
Daher ruft Söder zur Besonnenheit bei den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auf – auch wenn manche Abgeordnete Vorbehalte haben könnten.
Die Gründe "mögen vielfältig sein, und vielleicht ist auch manches für den Einzelnen nachvollziehbar", aber jetzt geht es vor allem um Deutschland. "Noch ist alles lösbar, noch ist alles heilbar."
Söder geht sogar noch einen großen Schritt weiter und warnt – aufgrund der "höhnischen Kommentare der AfD" – vor einem Scheitern dieses demokratischen Prozesses. Das könne ein "Vorbote von Weimar sein". Die Folgen wären "unabsehbar".
Noch vor der Wahl machte Kandidat Merz Stimmung gegen "linke Spinner". Polit-Beobachter schließen nicht aus, dass er damit auch einigen SPD-Abgeordneten auf die Füße getreten sein könnte. Noch am Dienstag soll es ab 15.15 Uhr einen zweiten Wahlgang geben.