In Sachsen wird wieder von der Kernkraft geträumt

Sachsen - Die EU-Kommission will die Atomenergie als nachhaltig klassifizieren und damit Investitionen in diesen Bereich lenken. Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) und sein Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Robert Habeck (52, Grüne), kritisieren das heftig.

Steffen Große (54) ist Vorsitzender der "Bürgerallianz Deutschland". Er meint, dass die Entwicklung des Prototyps eines Thorium-Reaktors am Standort Rossendorf auch Sachsen als Forschungsland stärken würde.
Steffen Große (54) ist Vorsitzender der "Bürgerallianz Deutschland". Er meint, dass die Entwicklung des Prototyps eines Thorium-Reaktors am Standort Rossendorf auch Sachsen als Forschungsland stärken würde.  © Andreas Weihs

Sie sagen "Nein" zur Atomenergie-Nutzung und wollen ebenso schnellstmöglich raus aus der Kohle-Verstromung. Das gefällt nicht allen - auch in Sachsen. So mancher träumt hierzulande wieder von der Atomkraft.

Der Landesverband Sachsen der "Bürgerallianz Deutschland" schlägt vor, im Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden den Prototypen eines Thorium-Reaktors (arbeitet mit 600 Grad heißem, flüssigen Fluoridsalz) zu bauen. Der politische Underdog verweist darauf, dass im dortigen Forschungszentrum bereits wissenschaftliche Expertise in der nuklearen Sicherheitsforschung seit DDR-Zeiten vorhanden ist.

"Das Projekt könnte aus Bundesmitteln für den Strukturwandel in den Kohleregionen und weiteren Forschungsmitteln finanziert werden", erklärt der Bürgerallianz-Vorsitzende Steffen Große (54, ehemaliger Sachsen-Chef der Freien Wähler). Der Dresdner regt an, eine Serienproduktion dieser Reaktoren in Ostsachsen zu etablieren: "Das würde neue Jobs schaffen."

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Steffen Große bezieht sich konkret auf eine Ankündigung Chinas. Dort wird wohl bald ein solcher Reaktor-Prototyp gebaut. Dieser soll günstigen, CO₂-freien Strom herstellen ohne die Gefahr eines Gaus. Die derzeit von China geplanten Mini-Reaktoren erzeugen 100 Megawatt Strom - genug, um 170.000 Menschen mit Energie zu versorgen.

Im Februar 1990 wurde der Forschungsreaktor des Zentralinstitutes für Kernforschung Rossendorf bei Dresden nach dreijährigem Umbau wieder hochgefahren. Der Reaktor arbeitet seit 1957 für die Forschung und zur Produktion von radioaktiven Nukliden. 1991 wurde der Reaktor endgültig abgeschaltet.
Im Februar 1990 wurde der Forschungsreaktor des Zentralinstitutes für Kernforschung Rossendorf bei Dresden nach dreijährigem Umbau wieder hochgefahren. Der Reaktor arbeitet seit 1957 für die Forschung und zur Produktion von radioaktiven Nukliden. 1991 wurde der Reaktor endgültig abgeschaltet.  © dpa/Ulrich Hässler

Vor allem AfD-Anhänger befürworten Atomstrom

Ein Foto vom Bau des Kernkraftwerkes Changjiang im Süden von China. Die Volksrepublik setzt auf Atomkraftwerke und forscht intensiv an neuen Reaktoren.
Ein Foto vom Bau des Kernkraftwerkes Changjiang im Süden von China. Die Volksrepublik setzt auf Atomkraftwerke und forscht intensiv an neuen Reaktoren.  © imago stock&people

Große: "Deutschland sollte den Chinesen nicht wieder den technologischen Vortritt überlassen. Zudem könnten die Thorium-Reaktoren unsere Bevölkerung und Wirtschaft sicher, zuverlässig und günstig mit Energie versorgen."

Ihn treibt die Sorge um, dass der wachsende Strombedarf Deutschlands nach dem Ausstieg aus der alten Atomenergie und der Kohle durch die erneuerbaren Energien nicht gedeckt werden kann. Dazu gesellt sich die Angst, dass die Strompreise explodieren.

Andere Polit-Akteure teilen diese Bedenken. Der 36. Landesparteitag der Sachsen-CDU verabschiedete im November 2021 in Dresden den Beschluss, unter den Gesichtspunkten von Energiesicherheit, Netzstabilität und Kostenfairness ein Energiekonzept zu erstellen, zu diskutieren und zu verabschieden. Die Delegierten begrüßten damals ausdrücklich die französische Initiative, die Atomenergie zum Teil europäischer Klimapolitik zu machen.

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Lars Rohwer (49) sagt als Mitglied des Bundestages und langjähriger energiepolitischer Sprecher der Sachsen-CDU: "Wir benötigen Forschung zu Nutzung und Einsatz von Kernenergie. Wir brauchen neue Ideen, wie man langlebige radioaktive Spaltprodukte entschärfen kann. Sobald Lösungen gefunden sind, können wir sie einsetzen und den Weg der Energiegewinnung in Deutschland neu überdenken." Die saubere Kernenergie der Zukunft? Rohwer sieht sie - noch - nicht am Horizont.

Die glühendsten Anhänger von Atomstrom gehören der AfD an. Die Partei setzt sich im Bund und im Freistaat für die Nutzung der Kernenergie und gegen die Abschaltung der Atommeiler ein. "Blackout verhindern – Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ermöglichen" hieß ein Antrag der Partei, der im Dezember 2021 im Bundestag scheiterte.

Lars Rohwer (49, CDU)
Lars Rohwer (49, CDU)  © Norbert Neumann

Neue Ideen gibt es schon

Monteure und Techniker bei Arbeiten an dem 725 Tonnen schweren, ringförmigen Plasmagefäß für das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X im Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald.
Monteure und Techniker bei Arbeiten an dem 725 Tonnen schweren, ringförmigen Plasmagefäß für das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X im Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald.  © dpa/Jens Büttner

Deutschland strebt eine klimafreundliche Energieversorgung ohne Kohlendioxid-Emissionen an. Beim deutschen Ausstieg aus der Kernenergie geht es vorrangig ums Vermeiden nuklearer Risiken (Unfälle, Endlagerprobleme).

Andere Länder sehen dagegen in der Atomstrom-Gewinnung eine klimafreundliche Technologie. Gegenwärtig werden weltweit Milliarden in neue Meiler sowie neue Techniken für die sichere Nutzung von Kernfusion und Atomspaltung investiert.

Auch in Deutschland wird dazu geforscht. So haben Berliner Wissenschaftler einen sogenannten Dual Fluid Reaktor entwickelt. Der verspricht sichere Kernenergie ohne langlebige, radioaktive Abfälle, könnte "Atommüllschlucker" sein und das Endlagerproblem lösen helfen. Allein: Diese Technologie ist bislang nur Theorie.

Greifswalder Forscher möchten Strom mittels Kernfusion erzeugen. Wendelstein 7-X heißt ihr Projekt, bei dem Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verschmelzen.

Mit nur zwei Litern Wasser und einem halben Pfund Gestein ließe sich so der jährliche Strombedarf einer Familie decken - ohne CO₂ zu erzeugen. Die Physik ist gut erforscht. Technisch ist die Herausforderung gigantisch.

Blick auf das Kernkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg.
Blick auf das Kernkraftwerk Neckarwestheim in Baden-Württemberg.  © imago images/imagebroker

Für die letzten Meiler ist am Jahresende Schluss

Gut bewachte Castorbehälter warten auf ihren Weitertransport. Die Endlager-Frage ist in Deutschland auf Jahre hin noch ungeklärt.
Gut bewachte Castorbehälter warten auf ihren Weitertransport. Die Endlager-Frage ist in Deutschland auf Jahre hin noch ungeklärt.  © imago stock&people

Silvester 2022 endet die Atomkraft-Ära in Deutschland. Drei Atomkraftwerke sind jetzt noch am Netz: Isar II in Bayern, Emsland (Niedersachsen) und Neckarwestheim II im Landkreis Heilbronn (Baden-Württemberg). Für letzteres ist der Karlsruher Energieversorger EnBW verantwortlich.

Spätestens am 31. Dezember muss er Neckarwestheim II abschalten. Ein konkretes Abschaltdatum gibt es aber noch nicht. Danach soll der Rückbau der Anlagen beginnen.

Eine Endlagerstätte für den Atommüll hat Deutschland noch nicht gefunden. Was damit passiert ist noch offen. Die deutsche Endlagersuche läuft und soll erst 2031 beendet sein. Aktuell kommen noch 90 Gebiete dafür grundsätzlich infrage - insgesamt 54 Prozent des Bundesgebiets.

Auch Sachsen und die Gesteinsformen des Lausitzer Granits sind dafür im Gespräch.

Titelfoto: imago images/imagebroker

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