Wie Sachsens Städte und Dörfer zu ihren Namen kamen

Leipzig - Sie heißen Kuhschnappel, Ehrenzipfel, Elterlein, Wunschwitz oder Oberhäslich. Doch woher kommen solche Namen für unsere Dörfer und Städte? An der Leipziger Uni beschäftigen sich Onomastiker (Namenskundler) seit Jahrzehnten mit der Entstehung unserer Ortsnamen. Sie wissen, warum Amerika mitten in Sachsen liegt, Chemnitz eigentlich Steinbach heißen müsste und warum viele sächsische Gemeinden oft mit einem -witz enden.

Namenskundlerin Gabriele Rodriguez (59) von der Uni Leipzig.
Namenskundlerin Gabriele Rodriguez (59) von der Uni Leipzig.  © Ralf Seegers

"Viele unserer Ortsnamen sind über Tausend Jahre alt", weiß Namenskundlerin Gabriele Rodriguez (59) vom Institut für Slavistik an der Uni Leipzig. Wer ein Gebiet zuerst besiedelte, hatte das Namensrecht. 

In Sachsen waren das oft die Slawen, die sich hier noch vor 1 000 Jahren ansiedelten. Die Sorben sind ihre letzten Nachkommen in der Lausitz (altsorbisch łuža für "sumpfiges, wasserreiches Land").

Die Siedler brachten ihre Lautsysteme und Betonungsregeln gleich mit. Die meisten slawischen Ortsnamen in Sachsen erkennt man an der Endung -itz: Görlitz, Gröditz, Schkeuditz, Colditz, Zabeltitz, Mockritz, Lößnitz, Rochlitz, Heynitz oder Witznitz. Auch heutige Dresdner Stadtteile wie Blasewitz, Pillnitz, Kaditz oder Gorbitz sowie in Leipzig-Plagwitz oder -Connewitz (kon = Pferd, ovic = Züchter/Halter) belegen den slawischen Ursprung.

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"Ortsnamen beschreiben meist Stellenbezeichnungen", erklärt Rodriguez. So leitet sich Delitzsch von Dělc ab - Ort an einem kleinen Hügel. Stötteritz kommt vom slawischen Stodorica - "Siedlung auf steinigem Ackergrund". Endungen wie -hausen in Holzhausen bezeichnen die Umgebung von Gebäuden oder Höfen.

Auch Personen gaben Orten oft ihre Namen: Bautzen (obersorbisch Budyšin) ist die "Siedlung eines Budych", Döbeln (Doblin) der Ort eines Dobl(a).

Dresden, Leipzig, Chemnitz - warum diese Städte so heißen

Marktplatz und Rathaus in Leipzig um 1800 (F.u.): Der Name der Stadt könnte auf Lipa für Linde zurückgehen.
Marktplatz und Rathaus in Leipzig um 1800 (F.u.): Der Name der Stadt könnte auf Lipa für Linde zurückgehen.  © picture-alliance/Selva/Leemag

Um einen Ortsnamen erklären zu können, muss man auf alte Überlieferungen zurückgreifen. Die ältesten Belege zeigen den Ursprung des Namens. 

So taucht Dresden schon auf Urkunden von 1206 als Dresdene auf - abgeleitet aus dem Altsorbischen Drezd'ane von drezga, was Wald oder Dickicht heißt.

Chemnitz (zwischen 1953 und 1990 Karl-Marx-Stadt) geht auf die Stiftung eines Benediktinerklosters an der Chemnitz (Nebenfluss der Zwickauer Mulde) im Jahre 1136 zurück. Slawisch Kamenica kommt von Kamen: der Stein. Übersetzt heißt Chemnitz also "Siedlung am Steinbach". Die Ch-Schreibung wurde wohl zur Unterscheidung zu anderen Kemnitz-Orten etwa 1630 eingeführt.

Kein Knast im Knast: Anstaltsbeirätin ausgezeichnet
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Leipzig leitet sich vom altsorbischen Lipa für Linde ab - bedeutet also soviel wie "Lindenort". Am 20. Dezember 1015 wurde der Ortsname erstmals in der Chronik des Thietmar von Merseburg erwähnt. Namenskundler nehmen neuerdings allerdings an, dass in Leipzig eine alte indogermanische Wortwurzel steckt: "leibh", was mit rinnen, tröpfeln oder fließen zu tun hat. Immerhin entstand Leipzig am Fluss Parthe. Der heute westlich an der Altstadt entlangfließende Pleißenmühlgraben wurde erst später angelegt.

Zwickau, das Tal des Feuergottes?

War der slawische Sonnen- und Feuergott Svarozič Namensgeber für Zwickau?
War der slawische Sonnen- und Feuergott Svarozič Namensgeber für Zwickau?  © Creation Date

Kennt Ihr das Tal des Feuergottes?

Nicht immer ist die Herleitung des Ortsnamens eindeutig. So kommt Zwickau wahrscheinlich von der sorbischen Bezeichnung Świkawa, was auf Svarozič zurückgehen könnte - den slawischen Gott der Sonne und des Feuers. Wegen der Steinkohleflöze könnte Zwickau "Tal/Aue des Feuergottes" bedeuten.

Doch in der Topographia Superioris Saxoniae von 1650 wird das Gebiet der Stadtgründung entlang der Muldenaue auch als "Schwanenfeld" bezeichnet. Dann würde es sich um einen latinisierten Stadtname Cygnau (lat. Cygnus = Schwan) handeln. Schließlich trägt Zwickau die Schwäne auch im Stadtwappen.

Kuhschnappel ist ein Dorf im Chemnitzer Land. Sein Name wandelte sich 1464 von Cosnapel zu Konschnoppel und bedeutet im Altsorbischen soviel wie §am Ende befindlich" oder "Feld, Gefilde, Flachland". Der Volksmund hat einen Spottnamen daraus gemacht.

Ehrenzipfel, Oberhäslich und Rostig

Glauchau um 1850: Das slawische Gluch kann auch "taubes, unfruchtbares Land" bedeuten.
Glauchau um 1850: Das slawische Gluch kann auch "taubes, unfruchtbares Land" bedeuten.  © Repro: Wikipedia

Glauchau kommt vom slawischen Gluchov: Ort in dichtem Wald. Ein Gluch ist ein stiller Ort.

Ehrenzipfel ist eine Häusergruppe bei Breitenbrunn im Erzgebirge, ein abgelegener "spitz zulaufender Land- oder Waldstreifen", der in die "Irre" (ern-) zur sächsisch-böhmischen Landesgrenze führt.

Elterlein (bei Annaberg-Buchholz) war ursprünglich eine Siedlung mit lediglich einer Kapelle (elter = Altar), in der nur ein kleiner Altardienst verrichtet wurde.

In Elend, einem kleinen Ortsteil von Dippoldiswalde, leben nur knapp 100 Personen - doch nicht im Elend! Der Name bedeutet "kümmerlich" und bezieht sich eher auf die mindere Bodenqualität und schwer zu bearbeitendes Ackerland.

In Oberhäslich (Ortsteil von Dippoldiswalde) sehen die Einwohner nicht etwa besonders entstellt aus. Bei der ersten urkundlichen Erwähnung 1445 hieß der Ort noch Heselicht, was "Ort am Haselbusch" bedeutet. Mit der Zeit änderte sich der Name langsam über Heßlich und Hesseligt 1875 in Oberheßlich.

Der Name des Großenhainer Ortsteils Rostig kommt nicht von Rost, sondern von seinem ursprünglichen Namen Rodstok.

Amerika liegt in Sachsen!

Ja, Amerika liegt (auch) in Sachsen!
Ja, Amerika liegt (auch) in Sachsen!  © Uwe Meinhold

Manche Ortsnamen sind erst in der Neuzeit entstanden - zum Beispiel Amerika. Die kleine sächsische Gemeinde östlich von Pegau erscheint 1904 erstmal in Verzeichnissen als "Arnsdorf bei Penig mit Amerika". "Gemeint ist dabei die Spinnerei, die 1837 gegründet wurde", erklärt Forscherin Gabriele Rodriguez. "Die Fabrik hat den Namen 'Amerika' bekommen, weil die Baumwolle überwiegend aus Amerika importiert wurde."

Das Dorf Katzenberg (bei Nossen) wurde nicht nach vielen herumstreunenden Katzen benannt. "Es beschreibt vielmehr einen Berg, der so krumm wie der gekrümmte Rücken einer Katze aussieht", erklärt Rodriguez. Ein bewaldeter Teil dieses Berges heißt Katzenbusch.

Auch Leichnam hat nichts mit Toten zu tun. Der Ort im Osten des Landkreises Bautzen heißt heute Spreewiese und gehört zur Gemeinde Großdubrau. Bis 1911 stand der Ortsname für den slawischen Personennamen Lichan (zu deutsch: Leichnam) - wohl der Ortsgründer oder sein Oberhaupt. Im Niedersorbischen bedeutet lichy "frei" oder "ledig".

Auch viele andere Orte wurden umbenannt: So wurde Besserung zu Kleinburg, Charlottenhof zu Schöpstal, Eichart zu Oberpfannenstiel, Eisenberg zu Moritzburg, Engländerei zu Heilsberg, Gabel zu (Ober-)Gersdorf, St. Gotthard zu Jahna, Königsnase zu Obervogelgesang, Kneipe zu Sora, Loch zu Untereichigt, Lubjenc zu Mehltheuer, Ottiliengrund zu Mohlis, Pechseifen zu Tanneberg, Saugraben zu Dechwitz, Sorgenfrei zu Zaunhaus, Vierhäuser zu Rosinendörfchen oder Zschillen zu Wechselburg.

Titelfoto: Bildmontage: Ralf Seegers, Uwe Meinhold

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