Sammer rechnet mit deutschem Fußball ab: "Durchschnitt nicht als Weltklasse verkaufen"

München - Viertelfinale - mit diesem Wort lässt sich der deutsche Fußball derzeit wohl gut beschreiben. Bis dahin schafften es die Nationalmannschaft bei der EM 2024, der FC Bayern und der BVB bei Klub-WM sowie Champions League und Eintracht Frankfurt in der Europa League. Doch das darf nicht der Anspruch sein, kritisiert Matthias Sammer (57) in gewohnter Deutlichkeit.

Für Matthias Sammer (57) reflektiert sich der deutsche Fußball zu wenig selbst.
Für Matthias Sammer (57) reflektiert sich der deutsche Fußball zu wenig selbst.  © Bernd Thissen/dpa

"Der deutsche Fußball muss wieder lernen, Durchschnitt nicht als Weltklasse zu verkaufen", polterte der frühere DFB-Manager in der aktuellen kicker-Ausgabe über das hiesige Selbstverständnis.

Der Viertelfinaleinzug bei der Heim-EM sei bereits wie ein Titel gefeiert worden, dabei laufe seit Jahren einiges schief. "Im Schönreden sind wir noch immer stärker als in der kritischen Analyse", erklärte der 57-Jährige.

Wenn es nach dem 51-fachen Nationalkicker geht, sollte sich Deutschland wieder auf seine alten Tugenden besinnen: eine disziplinierte Abwehrarbeit, körperliche Fitness und Persönlichkeit.

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"Wofür steht der deutsche Fußball heute eigentlich? Ich kann es nicht erkennen", bemängelte Sammer. "Der deutsche Fußball hat seine grundsätzliche Identität und damit wesentliche Stärken verloren."

Taktik-Magier wie Pep Guardiola (54), aber auch Bundestrainer Julian Nagelsmann (37) hätten Schönheit und ständige Innovationen populär gemacht, wohingegen traditionelle Werte schnell als "Rumpelfußball" oder "von gestern" verunglimpft würden.

Matthias Sammer fordert mehr Persönlichkeit - und lobt Niko Kovac

Niko Kovac (53) habe beim BVB das geschafft, was sich Matthias Sammer auch für die Nationalmannschaft wünscht.
Niko Kovac (53) habe beim BVB das geschafft, was sich Matthias Sammer auch für die Nationalmannschaft wünscht.  © Sven Hoppe/dpa

Für den gebürtigen Dresdner sollte in Zukunft eine Mischung aus beiden Ansätzen zum Mittel der Wahl werden. So hätten es auch Spanien und PSG an die Weltspitze geschafft - mit kreativen Offensiven, aber auch einer körperlich dominanten und robusten Abwehr.

Die Ausrede, dass das DFB-Team im Moment einfach nicht genug Star-Spieler habe, will Sammer nicht gelten lassen. Das sei auch in der Vergangenheit selten der Fall gewesen, die deutschen Tugenden hätten aber stets gegriffen.

"Wir hatten Einzelspieler, die Genies waren, aber als Mannschaft waren wir eine Maschine. Heute sind wir maximal noch ein Maschinchen", so der langjährige Funktionär.

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Dazu brauche es aber auch die richtigen Typen: "Früher konnten die Gegner kaum analysieren, wieso deutsche Teams nicht zu bezwingen waren. Dafür gibt es keine messbaren Faktoren. Unsere Identität braucht vor allem Persönlichkeit", fachsimpelte der Ballon-d'Or-Gewinner von 1996.

Ein Trainer, der das hervorragend umsetzt, sei Niko Kovac (53) in Dortmund. Der Kroate habe die "körperliche und geistige Verfassung der Mannschaft" schnell verbessert und die Borussia damit auf Platz vier geführt. "Er mag in Deutschland als konservativer Trainer gelten, ist aber sehr fortschrittlich."

Titelfoto: Bernd Thissen/dpa

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