Massive Polizeigewalt gegen Jenaer Fans? Fangemeinschaft spricht von "Gewaltexzess"

Lichtenberg/Jena - Anhänger des Fußball-Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena sollen am Samstag in Berlin mit massiver Polizeigewalt konfrontiert worden sein. Der Verein will sich zu dem, was im Raum steht, umfassend informieren.

Nach Angaben der Fangemeinschaft "Blau-Gelb-Weiße-Hilfe" wurden mehrere Fans des FC Carl Zeiss Jena aufgrund der Polizeimaßnahmen verletzt. Zwei mussten wohl ins Krankenhaus. (Symbolbild)
Nach Angaben der Fangemeinschaft "Blau-Gelb-Weiße-Hilfe" wurden mehrere Fans des FC Carl Zeiss Jena aufgrund der Polizeimaßnahmen verletzt. Zwei mussten wohl ins Krankenhaus. (Symbolbild)  © 123RF/animaflorapicsstock

Egal, ob direkt vor Ort im Lichtenberger "Zoschke" oder etwas weiter entfernt am Bildschirm: Diejenigen, welche am vergangenen Samstag die Partie zwischen dem SV Lichtenberg 47 und dem FC Carl Zeiss Jena verfolgt haben, dürften früh festgestellt haben: Hier stimmt was nicht!

Nur vereinzelt nahm man ein paar zaghafte "Jena"-Rufe war. Ein Blick in den Gästebereich offenbarte ganz deutlich: Personell ist da noch viel Luft nach oben! So wenig FCC-Anhänger in Ostberlin? Merkwürdig!

Ja, nicht mal nach dem Traumtor-Treffer von Lämmel wird es richtig laut, will es in Sachen Stimmung auf Jenaer Seite "eskalieren".

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Eskalieren soll es stattdessen im rund 9 Kilometer Luftlinie entfernten Hauptbahnhof. Tritte und Schläge, teilweise von hinten auf den Kopf - egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich.

Die Vorwürfe, welche die "Blau-Gelb-Weiße-Hilfe (BGWH) e.V." - die sich als Teil einer toleranten, sich gegenseitig unterstützenden Fangemeinschaft versteht - der Polizei macht, wiegen schwer.

Die BGWH schreibt in einer offiziellen Stellungnahme von einem "völlig irre[n] Vorgehen der Polizei" und einem "polizeilichen Gewaltexzess".

Nach Angaben der Fangemeinschaft waren rund 150 Fans des FC Carl Zeiss Jena mit dem Zug nach Berlin gereist. "Bei Ankunft am [...] Hauptbahnhof erwartete die Fans ein großes Polizeiaufgebot [...], welches eine Identitätsfeststellung aller im Zug befindlichen Fans durchführen sollte", heißt es in dem Schreiben.

Mussten FCC-Fans durch Prügel-Spalier der Polizei?

Vom Spiel des FCC in Lichtenberg mit den Traumtoren von Lämmel und Grimm (Bildmitte) bekamen einige mitgereiste Jenaer Anhänger nichts mit. Nach Angaben der Fangemeinschaft dauerten die Polizeimaßnahmen drei Stunden. (Archivbild)
Vom Spiel des FCC in Lichtenberg mit den Traumtoren von Lämmel und Grimm (Bildmitte) bekamen einige mitgereiste Jenaer Anhänger nichts mit. Nach Angaben der Fangemeinschaft dauerten die Polizeimaßnahmen drei Stunden. (Archivbild)  © IMAGO/Bild 13

Nachdem man den Zug verlassen habe, seien die Fans des FCC "von allen Seiten [...] umstellt und durch körperlichen Zwang" in Richtung des hintersten Treppenaufgangs eines Bahnsteigs gedrückt worden.

Der Polizei wird zudem vorgeworfen, dass Jena-Fans von dieser mit Schlägen, "teilweise von hinten auf den Kopf" traktiert wurden, sofern man nicht schnell genug gelaufen sei. Des Weiteren hätten sich Polizisten links und rechts neben einer Rolltreppe "in einer Art Spalier" aufgestellt.

"Der Sinn dieses Spaliers war, einfach nur ungehemmt Gewalt gegen die FCC-Fans auszuüben!", heißt es. Alle Fans seien in diesem Spalier durch Schläge und Tritte angegriffen worden - "ohne zuvor auch nur irgendeine Form der Gewalt oder des Widerstands angewandt zu haben", schreibt die Fangemeinschaft in ihrer Stellungnahme.

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Die Bundespolizei Berlin twitterte am Samstag zu diesem Vorfall: "Beim Halt in #Naumburg haben Fußball-Fans aus Thüringen mehrere Fans einer sächsischen Elf attackiert & deren Fanutensilien geraubt. Am Berliner HBf erfolgten daher polizeiliche Maßnahmen." (Rechtschreibung übernommen) Hier habe man dann Widerstand gegen die Polizisten geleistet.

Wie die Polizei am späten Montagnachmittag mitteilte, haben nach ersten Erkenntnissen etwa 15 bis 20 vermummte Personen den Regionalexpress von Jena in Richtung Leipzig beim Halt in Naumburg verlassen. Dort haben sie den Angaben nach "erheblich" auf fünf Anhänger eines sächsischen Fußballvereins "körperlich eingewirkt".

17-Jähriger von vermummten Personen angegriffen

Laut Polizeiangaben wurden bei dem Einsatz am Berliner Hauptbahnhof drei Menschen verletzt. Die Verletzten wurden von Rettungskräften ärztlich versorgt beziehungsweise zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. (Symbolbild)
Laut Polizeiangaben wurden bei dem Einsatz am Berliner Hauptbahnhof drei Menschen verletzt. Die Verletzten wurden von Rettungskräften ärztlich versorgt beziehungsweise zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. (Symbolbild)  © 123rf/amitdnath

Die "Tatverdächtigen", so heißt es, schlugen einem 17-Jährigen mehrfach mit der Faust ins Gesicht. Laut Polizei trug er Hämatome, Schürfwunden und einen Cut unter einem Auge davon. "Bei dem Angriff raubten die Angreifer Fanbekleidung und Fanutensilien von den fünf anderen Fußballfans", erklärten die Beamten.

Anschließend seien die vermummten Personen zurück in den Zug gestiegen und weiter in Richtung Berlin gereist. Aufgrund der Vorfälle in Naumburg sollten am Bahnhof Berlin Südkreuz die Identitäten der sich im Regionalexpress befindlichen Gästefans festgestellt werden.

Da die FCC-Anhänger der polizeilichen Aufforderung, den Zug zu verlassen, nicht nachgekommen seien, haben Einsatzkräfte der Bundespolizei den Zug bis zum Berliner Hauptbahnhof begleitetet.

Während der Fahrt zum Hauptbahnhof soll es laut Polizeiangaben zu Angriffen von FCC-Anhängern auf Einsatzkräfte gekommen sein. Am Berliner Hauptbahnhof mussten die Beamten den Angaben nach "nach zuvor formulierter Androhung Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt" anwenden, da sich die FCC-Fans weiterhin geweigert hätten, den polizeilichen Aufforderungen nachzukommen.

Fangemeinschaft: Zwei FCC-Anhänger im Krankenhaus

Andreas Trautmann, Pressesprecher des FC Carl Zeiss Jena, hat nach Angaben des MDR erklärt, dass man sich ein "umfassendes Bild" machen werde. (Archivbild)
Andreas Trautmann, Pressesprecher des FC Carl Zeiss Jena, hat nach Angaben des MDR erklärt, dass man sich ein "umfassendes Bild" machen werde. (Archivbild)  © IMAGO/opokupix

Im weiteren Verlauf kam es den Angaben nach zu Angriffen auf die Einsatzkräfte. Zwei Männer und eine Frau verletzten sich "in Folge des Einsatzgeschehens", heißt es. Die Verletzten wurden von Rettungskräften ärztlich versorgt beziehungsweise zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht.

Auch die Fangemeinschaft des FC Carl Zeiss Jena berichtet von Verletzten. So hätten zwei Fans im Krankenhaus behandelt werden müssen, "unzählige weitere trugen Wunden und teilweise massive Schwellungen, zumeist im Gesichtsbereich, davon."

Der FC Carl Zeiss Jena wird den Vorfall genau unter die Lupe nehmen. "Wir wollen uns ein umfassendes Bild machen", sagte Carl-Zeiss-Pressesprecher Andreas Trautmann laut MDR auf Anfrage von "Sport im Osten".

Die BGWH teilte zudem mit, dass bei den Kontrollen nichts gefunden wurde, was die "Maßnahme" gerechtfertigt hätte. Die Polizei erklärte am späten Montagnachmittag: "Das in Naumburg entwendete Raubgut konnte zunächst nicht aufgefunden werden."

Videoaufzeichnungen werden ausgewertet

Laut Polizeiangaben stellten die Einsatzkräfte die Identitäten von insgesamt 145 Personen fest. Gegen 15.15 Uhr reisten die Fans mit einem Regionalexpress zurück nach Jena.

Die Bundespolizei ermittelt aufgrund des Verdachts des Widerstandes und tätlichen Angriffes gegen beziehungsweise auf Polizeivollzugsbeamte sowie des Landfriedensbruchs.

"Im Zuge der Sachverhaltsaufklärung werden umfangreiche Videoaufzeichnungen ausgewertet und dabei das Verhalten aller Beteiligter geprüft", heißt es in einer Mitteilung der Polizei.

Originalmeldung am 17. April, 15.24 Uhr, aktualisiert um 20.30 Uhr

Titelfoto: 123RF/animaflorapicsstock/Montage

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