Üble Verletzungen auf Olympia-Schanze: Deutsche Skisprung-Legende regt Revolution an
Predazzo (Italien) - Bei der Olympia-Generalprobe im Skispringen auf der neu gebauten Schanze in Predazzo zogen sich gleich drei Athletinnen Verletzungen zu, die sie langfristig außer Gefecht setzen. Mit Martin Schmitt (47) ergründet jetzt einer der erfolgreichsten deutschen Skispringer aller Zeiten die Verletzungsflut - und regt nicht weniger als eine Regelrevolution an.

"Es sind halt alles Kreuzband-Verletzungen und das Typische bei diesen Stürzen ist eigentlich, dass nicht die Verletzungen wegen des Sturzes passieren, sondern der Sturz wegen der Verletzung", erklärte der zweimalige Gesamtweltcupsieger im Podcast Flugshow, wie die Bänderrisse zustande kommen.
"Es gibt den ersten Landekontakt und mit dem ersten Kontakt oder mit dem Impact reißt sofort das Kreuzband oder gibt das Knie nach."
Zwar sei das Problem vielschichtig, so Schmitt. Neben dem Material, dem Schanzenbau und der Tatsache, dass Frauen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für Kreuzband-Verletzungen hätten, betrachtet der vierfache Weltmeister besonders eine Sache kritisch: den Telemark.
Die Landetechnik ist für jeden Skispringer Pflicht, will man sich keine gewaltigen Punktabzüge einhandeln. Wer mit den Füßen nebeneinander anstatt voreinander landet, hat deshalb quasi keine Chance auf einen Sieg.
Doch Schmitt macht klar, dass die Telemarklandung eine sehr unnatürliche und ungünstige Haltung sei, um den Landedruck abzufedern: "Gepaart mit dem verwendeten Material wird die Sportlerin oder der Sportler in eine Position gezwungen, die Kreuzband-Verletzungen provoziert. Das Knie knickt nach innen, das lässt sich eigentlich fast nicht vermeiden."
Für den 47-Jährigen stellt sich deshalb die Frage: "Ist der Telemark noch zeitgemäß?"
Findet Skispringen bald ohne Telemarklandung statt?

"Ich würde das mal so provokant in den Raum werfen und die Frage stellen: Was steht höher, Tradition oder die Gesundheit der Athleten?", wollte der Olympiasieger von 2002 wissen.
Habe die Gesundheit und Sicherheit der Athleten Vorrang, müsse man genau genommen auf den Telemark verzichten, "da es einfach aus einer Zeit stammt, wo man den Telemark noch ganz anders ausführen musste", erklärte Schmitt - die Landetechnik gibt es seit 1883, als insbesondere das Material noch komplett anders war.
Durch die vielen Stürze am Wochenende zog sich das österreichische Damenteam vorzeitig vom Wettkampf zurück, Jacqueline Seifriedsberger (34) beendete gar ihre Karriere.
Für Schmitt ist das nachvollziehbar: "Es macht sich natürlich Unsicherheit breit unter den Springerinnen, man kriegt das alles mit. Bei Eva [Pinkelnig, Anm. d. Red.] hat ja auch jeder die Schreie im Stadion gehört", sagte der TV-Experte und gestand ein: "Da hätte ich auch nicht hochgewollt."
Titelfoto: Bildmontage: Patrick Seeger/dpa, Karl-Josef Hildenbrand/dpa