Sie konnte vor der Hamas flüchten und überlebte: "Frau in Rot" plagen Gewissensbisse

Ashdod (Israel) - Aufnahmen, auf denen Vlada Patapov (25) mit einem roten Schal um den Schultern vom Nova Festival in der israelischen Wüste flüchtete, als die Hamas angriff, machten sie als "Frau in Rot" berühmt. Wochenlang blieb unklar, ob sie lebte, gefangen genommen wurde oder es aus Israel schaffte. Nun sprach sie über ihre Flucht.

Bilder von Vlada, wie sie mit ihrem roten Schal flüchtete, gingen um die Welt.
Bilder von Vlada, wie sie mit ihrem roten Schal flüchtete, gingen um die Welt.  © Bildmontage: X/Twitter/OliLondonTV, Screenshot: Instagram/vlada_patapov

Umringt von Hunderten verängstigten Festivalbesuchern wurde auch Vlada, eine junge Mutter mit ukrainischen Wurzeln, für lange Zeit zuletzt am 7. Oktober während ihrer Flucht vom Festivalgelände im Kibbuz Re'im Süden Israels gesehen.

Gegenüber der britischen Zeitung Daily Mail sprach sie nun erstmals über ihre Flucht und die Schuldgefühle, die sie seither plagen - denn wo die 25-Jährige Glück hatte, starben Hunderte andere, darunter auch ihre Freunde.

"Ich habe nicht wirklich darüber gesprochen [...] und ich danke Gott immer noch jeden Morgen, dass ich noch am Leben bin", sagte Vlada am Strand der israelischen Stadt Ashdod.

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"Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich überlebt habe und Andere es nicht geschafft haben und das, was mir passiert ist, vielleicht nur 18 Stunden gedauert hat, aber für viele hält der Schmerz immer noch an [...]", fügte sie hinzu.

Vlada Patapov nahm "last minute" am Festival teil

Zusammen mit ihrem Verlobten Matan (l.) und ihrer Freundin Mai wollte Vlada einen ausgelassenen Abend verbringen.
Zusammen mit ihrem Verlobten Matan (l.) und ihrer Freundin Mai wollte Vlada einen ausgelassenen Abend verbringen.  © Screenshot: Instagram/vlada_patapov

Vlada und ihr Verlobter Matan fuhren mit Freundin Mai "last minute" zu dem Festival an der Grenze zu Gaza. Sie wollten sich von einer Woche voller Hochzeitsvorbereitungen erholen und entspannen, doch in Feierstimmung war die kleine Gruppe nicht wirklich.

"Ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte", erinnerte sich Vlada. Auch ihre kleine Tochter Romi verhielt sich anders als sonst.

"Romi war so still, normalerweise ist sie immer laut, wenn sie mit ihren Spielsachen spielt, aber an diesem Tag war sie still, und ich bin mir sicher, dass sie jetzt wusste, dass etwas Schreckliches passieren würde", sagte die junge Mutter.

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Die 25-Jährige beschrieb die Atmosphäre auf dem Festival als "seltsam". Ihr selbst habe die Energie gefehlt, um ausgelassen zu tanzen, sodass sie sich bereits um drei Uhr morgens schlafen legte, als viele noch feierten.

Weniger als vier Stunden später wurde sie vom Luftalarm geweckt: "Ich suchte nach Matan und Mai und hörte sofort Schüsse", erzählte Vlada.

Raketen, Schüsse und Aufforderungen zur Flucht vom Nova-Festival

Nach dem Einsetzen des Luftalarms brach auf dem Festival-Gelände schnell Chaos aus.
Nach dem Einsetzen des Luftalarms brach auf dem Festival-Gelände schnell Chaos aus.  © Uncredited/South First Responders/AP

Ferner erklärte Vlada: "Ein paar Sekunden lang wusste ich nicht, was los war, und dann schrie Matan nur, dass wir zum Auto rennen müssten."

"Raketen fingen an zu fliegen und der Ort spielte einfach verrückt, der Sprecher forderte alle auf, zu evakuieren, und die Leute rannten einfach zu ihren Autos", fügte die 25-Jährige hinzu.

Bis heute kann sie nicht verstehen, warum ein friedliches Musikfestival Opfer von Gewalt und Mord werden musste.

"Es war friedlich, die Leute tanzten, und sie kamen und ermordeten Menschen, einige meiner Freunde, und wofür?", so Vlada, den Tränen nahe.

Trennung bei hektischer Flucht zur geschützten Militärbasis

Eine Flucht vom Festival-Gelände über die umliegenden Straßen war so gut wie aussichtslos.
Eine Flucht vom Festival-Gelände über die umliegenden Straßen war so gut wie aussichtslos.  © -/South First Responders via AP/dpa

Mai, Matan und Vlada schafften es zum Auto. Auf ihrer Flucht sahen sie, wie Menschen erschossen wurden.

"Es war einfach nur Chaos", erinnerte sich die 25-Jährige.

Weit kamen sie nicht, denn vor ihnen tauchten erneut Terroristen auf, die auf sie schossen. Bei der Flucht über ein Feld blieb das Auto stecken, "also stiegen wir aus und rannten um unser Leben", so Vlada.

Dabei wurden sie und Mai von Matan getrennt, stießen auf andere Flüchtende in einem kleinen Kia Picanto. Zu acht fuhren sie zu einem Militärstützpunkt in Tze'elim. Matan schaffte es zu Fuß zum 20 Minuten entfernten Stützpunkt in Orim.

"Die längste Zeit habe ich am Stützpunkt gewartet, bis ich abgeholt werden und nach Hause gehen und Romi besuchen konnte, und ich habe sie so fest umarmt, wie nie zuvor", fügte sie hinzu.

Titelfoto: Bildmontage: X/Twitter/OliLondonTV, Screenshot: Instagram/vlada_patapov

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