Ukraine-Krieg, Tag 57: Laut Selenskyj Hunderte Milliarden für Wiederaufbau nötig

Kiew (Ukraine) - Seit mittlerweile 57 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine, ein Ende ist nicht in Sicht. Russische Truppen stoßen in der Ukraine weiter vor, die befürchtete Großoffensive könnte jedoch erst noch bevorstehen. TAG24 berichtet im Liveticker.

Ein Teddy sitzt auf den Trümmern eines durch Beschuss zerstörten Wohngebäudes in Borodjanka. In dem Kiewer Vorort sind nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt worden.
Ein Teddy sitzt auf den Trümmern eines durch Beschuss zerstörten Wohngebäudes in Borodjanka. In dem Kiewer Vorort sind nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt worden.  © Carol Guzy/ZUMA Press Wire/dpa

In der Nacht zum Donnerstag gab es aus mehreren ukrainischen Städten Meldungen über russischen Beschuss.

Entlang der gesamten Front in den Gebieten Donezk, Luhansk und Charkiw griffen die Russen zwar seit Dienstag an, sagte der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow. Es handele sich aber wahrscheinlich erst um "Probeangriffe".

Der Großteil von Luhansk ist allerdings nach ukrainischen Angaben bereits unter russischer Kontrolle.

Ukraine-Krieg: Polen bestellt nach Luftraumverletzung russischen Botschafter ein
Ukraine Ukraine-Krieg: Polen bestellt nach Luftraumverletzung russischen Botschafter ein

Auch das Stahlwerk Asowstal in der umkämpften Hafenstadt Mariupol wird nach Einschätzung des Anführers der russischen Teilrepublik Tschetschenien noch am Donnerstag an die Russen fallen.

Unterdessen sind im Kiewer Vorort Borodjanka nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt worden. Darin hätten sich insgesamt neun Leichen von Zivilisten, Männer wie Frauen, befunden. Einige von ihnen hätten Folterspuren aufgewiesen.

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker (20. April) nachlesen. Alle aktuellen Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Donnerstag, 21. April gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

22.26 Uhr: US-Verteidigungsminister lädt zu Ukraine-Treffen in Ramstein

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin will in der kommenden Woche auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz mit Kollegen aus mehreren Ländern zum Krieg in der Ukraine beraten. Das Treffen solle am kommenden Dienstag stattfinden, kündigte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstag an. Kirby nannte keine Details zur Teilnehmerliste. Es würden aber nicht nur Nato-Staaten eingeladen, sagte er.

Ein Ziel des Treffens sei die dauerhafte Sicherheit und Souveränität der Ukraine. Es solle daher um den Verteidigungsbedarf der Ukraine über den aktuellen Krieg hinaus gehen. "Wir denken, dass es an der Zeit ist, auch diese Diskussion zu führen", sagte Kirby. Außerdem solle es um die weitere militärische Unterstützung der Ukraine gehen. Die US-Regierung hatte früher am Tag neue Militärhilfe in Höhe von 800 Millionen US-Dollar angekündigt.

22.20 Uhr: Ukraine wird laut Selenskyj für Wiederaufbau Hunderte Milliarden brauchen

Wegen des russischen Angriffskriegs braucht die Ukraine nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj monatlich rund sieben Milliarden US-Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro), um ihre wirtschaftlichen Verluste auszugleichen. Zudem werde die Ukraine "Hunderte Milliarden Dollar brauchen, um später wieder alles aufzubauen", sagte Selenskyj am Donnerstag per Videoschalte bei einer internationalen Geberkonferenz der Weltbank in Washington.

Die russischen Streitkräfte zerstörten in der Ukraine Infrastruktur, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und zahllose Häuser und Wohnungen, sagte er weiter. "Russische Artillerie, russische Raketen, russische Bombardements unterscheiden nicht, wen sie töten und welche Gebäude sie bombardieren oder in Flammen aufgehen lassen", sagte Selenskyj einer englischen Simultanübersetzung zufolge weiter.

Premierminister Denys Schmyhal sagte bei dem Treffen in Washington, die Ukraine brauche mit Blick auf die kommenden Monate jeweils rund vier bis fünf Milliarden US-Dollar externe Unterstützung. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, lobte die Regierung in Kiew, trotz des Kriegs durch umsichtiges Handeln noch für relative makroökonomische Stabilität zu sorgen.

Nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj werde die Ukraine "Hunderte Milliarden Dollar" für den Wiederaufbau benötigen.
Nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj werde die Ukraine "Hunderte Milliarden Dollar" für den Wiederaufbau benötigen.  © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

21 Uhr: Selenskyj vor Portugals Parlament: Schäden wie im Zweiten Weltkrieg

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Videoansprache vor dem portugiesischen Parlament die Zerstörungen in seinem Land durch russische Truppen mit denen im Zweiten Weltkrieg verglichen. "Der Schaden, der der Ukraine jetzt zugefügt wird, ist ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg", sagte er laut Übersetzung in der auf Ukrainisch gehaltenen Rede. Sie wurde im TV-Sender RTP simultan ins Portugiesische übersetzt.

"Wir kämpfen nicht nur um unsere Unabhängigkeit, wir kämpfen um unser Überleben", bekräftige er in der 15-minütigen Ansprache. Selenskyj dankte den Portugiesen für die bisher erwiesene Hilfe, forderte aber zugleich weitere Unterstützung, vor allem schwere Waffen und Sanktionen gegen Russland. Parlamentarier der kommunistischen Partei und der rechtspopulistischen Chega blieben der Sitzung fern.

Selenskyj zog eine Parallele zwischen der Rückkehr Portugals zur Demokratie ab 1974 und der Ukraine. "Die Nelkenrevolution, die sie von der Diktatur befreit hat, lässt sie verstehen, wie wir uns fühlen", sagte er.

19.40 Uhr: Russland verhängt Einreiseverbote gegen Zuckerberg und Harris

Russland hat als Antwort auf westliche Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs erneut Dutzende Einreiseverbote gegen US-Bürger und Kanadier verhängt.

Unter den namentlich Genannten sind diesmal der Chef des Facebook-Konzerns Meta, Mark Zuckerberg, und US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Das Außenministerium in Moskau veröffentlichte am Donnerstag eine Liste mit Namen von 29 US-Bürgern und 61 Kanadiern, darunter Regierungsvertreter, Militärs, Wissenschaftler, Unternehmer, Experten und Journalisten.

Zuvor hatte Russland schon Einreiseverbote gegen US-Präsident Joe Biden sowie Politiker aus der Europäischen Union, Großbritannien, Australien und Neuseeland erlassen. Moskau beklagte "einen russlandfeindlichen Kurs" der Genannten.

Russland hat Einreiseverbote gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg und US-Vizepräsidentin Kamala Harris verhängt.
Russland hat Einreiseverbote gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg und US-Vizepräsidentin Kamala Harris verhängt.  © Manuel Balce Ceneta/AP/dpa, Mark Lennihan/AP/dpa

19.11 Uhr: US-Regierung liefert eigens für Ukraine entwickelte Drohne

Die USA haben nach Angaben des Pentagons eine Drohne für das ukrainische Militär entwickelt. "Diese wurde von der Luftwaffe speziell als Reaktion auf die ukrainischen Anforderungen schnell entwickelt", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Donnerstag.

Mehr als 120 der Drohnen mit dem Namen "Phoenix Ghost" sollen im Rahmen des neuen 800 Millionen schweren Militärhilfepaktes der US-Regierung in die Ukraine geliefert werden. Für die Bedienung der Drohne sei minimales Training notwendig, so Kirby weiter. "Wir werden diese Ausbildungsanforderungen direkt mit den ukrainischen Streitkräften klären."

Die neue Drohne ähnele den sogenannten Switchblade-Drohnen. Die Switchblades sind Mini-Drohnen und starten zunächst ohne Ziel. Sie können dann längere Zeit über dem Boden kreisen, um dort auf ein Ziel zu lauern, um gezielt anzugreifen. Dabei zerstören sie sich dann selbst. Die US-Regierung hatte der Ukraine auch Switchblades zur Verfügung gestellt. Die "Phoenix Ghost"-Drohnen hätten ähnliche Fähigkeiten, seien aber nicht genau gleich, so Kirby.

17.51 Uhr: Litauen liefert schwere Mörser an die Ukraine

Die Ukraine hat aus Litauen schwere Mörser als Militärhilfe für den Krieg gegen Russland erhalten. Dies sagte der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas am Donnerstag der Agentur BNS.

Nähere Angaben dazu machte er nicht. Weiter habe Kiew aus den Beständen der Armee des EU- und Nato-Landes Stinger-Flugabwehrraketen, Panzerabwehr- und Flugabwehrwaffen, Munition, Granaten, Maschinengewehre und -pistolen und andere Ausrüstung erhalten. "Es ist schwierig, alles aufzulisten. Vor einem Monat habe ich 35 Artikel verschiedener Art gezählt", sagte Anusauskas.

Litauen hat nach eigenen Angaben seit Kriegsbeginn vor acht Wochen der Ukraine humanitäre, medizinische und militärische Hilfe bereitgestellt. Die Regierung in Vilnius hat wiederholt dazu aufgerufen, Kiew mit einer Vielzahl von Waffen zu beliefern.

16.30 Uhr: Biden sagt Ukraine weitere 800 Millionen Dollar für Waffen zu

Die US-Regierung will der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von bis zu 800 Millionen Dollar (rund 736 Millionen Euro) liefern, darunter auch Artillerie und Drohnen.

Jeder Amerikaner könne stolz darauf sein, dass die Großzügigkeit der USA dazu beitragen würde, die Ukraine im Kampf gegen Russlands Aggression zu unterstützen, sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag in Washington.

Was das neue Paket beinhaltet und was der Präsident noch zusagt, erfahrt Ihr im TAG24-Artikel "Biden attackiert Putin und sagt Ukraine diese Hilfen zu".

Joe Biden hält im Roosevelt Room des Weißen Hauses eine Rede zum russischen Einmarsch in die Ukraine.
Joe Biden hält im Roosevelt Room des Weißen Hauses eine Rede zum russischen Einmarsch in die Ukraine.  © Evan Vucci/AP/dpa

15.43 Uhr: Estlands Parlament: Russland begeht Kriegsverbrechen und Völkermord

Im Beisein von mehreren ukrainischen Abgeordneten hat das estnische Parlament am Donnerstag einstimmig eine Entschließung verabschiedet, in der Russland Kriegsverbrechen und Völkermord am ukrainischen Volk vorgeworfen werden.

Die Volksvertretung des EU- und Nato-Landes in Tallinn verweist darin auf die festgestellten "systematischen und massiven Kriegsverbrechen" der russischen Armee wie etwa Mord, Folter und Vergewaltigung von ukrainischen Zivilisten. "Diese Verbrechen werden von Russlands politischer und militärischer Führung und seinen nationalen Propagandabehörden ideologisch angestiftet", hieß es in der Erklärung weiter.

Die ukrainische Abgeordnete Olena Schuljak sprach von einem historisch bedeutsamen Beschluss für die Ukraine. "Die Einstufung des Verbrechens als solches führt zu einer unwiderruflichen Verurteilung. Das beginnt bei den Tätern und endet bei Wladimir Putin persönlich", wurde die Vorsitzende der ukrainischen Präsidentenpartei "Diener des Volkes" in einer Parlamentsmitteilung zitiert.

Demnach liege es in der gemeinsamen Verantwortung, alles zu tun, um den Völkermord zu stoppen und sicherzustellen, dass er sich nicht wiederholt.

15.29 Uhr: Human Rights Watch: Gräueltaten von Butscha wohl Kriegsverbrechen

Die mutmaßlich von russischen Soldaten begangenen Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha sind der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge wohl als Kriegsverbrechen einzuordnen.

Ermittler der Organisation hätten "umfangreiche Beweise für Hinrichtungen im Schnellverfahren, andere rechtswidrige Tötungen, Verschwindenlassen und Folter gefunden, die Kriegsverbrechen und potenzielle Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden", teilte HRW am Donnerstag in New York mit.

"Fast jede Ecke in Butscha ist nun ein Tatort, und es fühlte sich an, als wäre der Tod überall", sagte HRW-Mitarbeiter Richard Weir. Die Beweise deuteten darauf hin, dass die mittlerweile abgezogenen russischen Streitkräfte, die Butscha besetzten, "das zivile Leben und die grundlegendsten Prinzipien des Kriegsrechts missachteten". Für ihre Ermittlungen befragten die Menschenrechtler 32 Bewohner der Stadt persönlich und fünf weitere per Telefon. Zudem wurden Beweise vor Ort dokumentiert, Fotos und Videos sowie Satellitenaufnahmen gesichtet.

15 Uhr: 19 Ukrainer bei Gefangenenaustausch mit Russland freigekommen

Die Ukraine hat über einen weiteren Gefangenenaustausch mit Russland informiert. "Heute haben wir 19 Leute nach Hause geholt, von denen zehn Soldaten und neun Zivilisten sind", teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Donnerstag in sozialen Netzwerken mit.

Unter den heimgekehrten ukrainischen Gefangenen gebe es Verwundete. Angaben zum Übergabeort und den ausgetauschten russischen Gefangenen machte sie nicht. Von russischer Seite lag zunächst keine Bestätigung vor.

Russland hat vor acht Wochen einen Angriffskrieg gegen den Nachbarn begonnen. Kiew hatte erklärt, in der Zeit etwa 700 Gefangene gemacht zu haben. In den Händen Russlands und der Separatisten sollen sich nach russischen Angaben bereits mehrere Tausend Gefangene befinden.

Titelfoto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Mehr zum Thema Ukraine: