Ukraine-Krieg, Leopard-Panzer und viel zu viel "Schnappatmung"

In seinem Kommentar begrüßt TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) das Ausbleiben der Lieferung von deutschen Leopard-Panzern an die Ukraine - stattdessen fordert er diplomatische Bemühungen für einen Waffenstillstand in dem osteuropäischen Land.

Deutschland - Die Lieferung von Leopard-Panzern an die vom russischen Angriffskrieg gebeutelte Ukraine steht zumindest vorerst nicht an, soviel ist nach der Konferenz der Unterstützer des geschundenen osteuropäischen Landes im deutschen Ramstein klar. Ich begrüße das - und ich finde die Reaktion von einigen Vertretern der politischen Elite unseres Landes erschreckend.

Leopard-Panzer aus deutscher Produktion werden vorerst nicht an die ukrainische Armee geliefert. (Symbolbild)
Leopard-Panzer aus deutscher Produktion werden vorerst nicht an die ukrainische Armee geliefert. (Symbolbild)  © Csaba Krizsan/MTI/AP/dpa

Bevor nun gleich die moralische Empörung hochkocht, bitte ich um Gehör: Selbstverständlich ist der russische Angriff auf die Ukraine eine Katastrophe und ja, es kam in diesem Krieg - wie in allen Kriegen! - schon zu schrecklichen Menschenrechtsverletzungen.

Genau diesen letzten Punkt werden wahrscheinlich alle anführen, die lieber heute als morgen Leopard-Panzer an die ukrainische Armee senden wollen.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages etwa, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64), dachte bestimmt daran, als sie angesichts der weiter aufgeschobenen Lieferung deutscher Kampfpanzer sagte, Deutschland habe "leider gerade versagt".

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Die grüne Bundestags-Vizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt (56) schaltete sich in die Debatte ebenfalls ein. Sie sei enttäuscht, weil die Kampfpanzer in dem angegriffenen Land "dringend gebraucht" würden. "Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit", fügte die Grünen-Politikerin hinzu.

Was viele, die im moralischen Gestus nach immer mehr und immer schwereren Waffen für die Ukraine rufen, jedoch oft vergessen zu erwähnen: Diese Waffen bringen alle noch mehr Tod und noch mehr Zerstörung in ein ohnehin schon geschundenes Land - und sie würden den Krieg mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nur weiter in die Länge ziehen.

Waffenstillstand wäre das Beste für die Menschen in der Ukraine

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (45) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.  © Florian Gürtler

Natürlich braucht die Ukraine Hilfe, sicher auch Waffen, um sich zu verteidigen, aber was den ganz normalen Menschen in dem Land, den sogenannten "kleinen Leuten", wohl am meisten helfen würde, wäre ein Waffenstillstand.

Vielleicht wäre gerade jetzt - und ohne die Panzer! - ein guter Moment, ein beidseitiges Schweigen der Waffen mit Diplomatie zu erreichen, denn nach Einschätzung der britischen Regierung herrscht in dem Konflikt derzeit ein militärisches Patt.

Danach könnte - mit wahrscheinlich noch sehr viel mehr Diplomatie - vielleicht auch eine Lösung für eine friedliche Koexistenz von Ukraine, Russland und dem Westen gefunden werden.

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Ich hoffe daher innig, dass die bislang erfolgte Weigerung von Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD), Teile der Ukraine mit deutschen Kampfpanzern zu noch schrecklicheren Schlachtfeldern zu machen, im Geheimen von diplomatischen Bemühungen begleitet wird.

Diplomatie braucht jedoch eines ganz sicher nicht: moralische Empörung.

Hierauf wies auch Rolf Mützenich (63), SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, hin, als er in Reaktion auf die Vorwürfe von Strack-Zimmermann bemerkte: "Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft."

Für die Menschen in der Ukraine, in Russland und in ganz Europa muss man hoffen, dass die Haltung des SPD-Politikers sich durchsetzt.

Titelfoto: Montage: Csaba Krizsan/MTI/AP/dpa, Florian Gürtler

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