"Goodbye Julia" feiert Deutschlandpremiere: "Der Sudan ist mehr als nur der Krieg!"
Hamburg – Langanhaltender Applaus hallte am Freitagabend von den Wänden des Kinosaals 2 im CinemaxX Dammtor wider. Im Rahmen des Filmfests Hamburg wurde die Deutschlandpremiere von "Goodbye Julia" von Mohamed Kordofani gezeigt. Weltpremiere hatte das Drama bereits im Mai in Cannes gefeiert, als erster sudanesischer Film in der Geschichte des Festivals. Im Nachgespräch stellte sich der Regisseur den Fragen des berührten Publikums.
"Goodbye Julia" spielt kurz vor der Abspaltung des Südsudans. Anhand der vom Schicksal verbundenen Mona (gespielt von Eiman Yousif) aus dem Norden und Julia (Siran Riak) aus dem Süden thematisiert Mohamed Kordofani den seit Jahrzehnten bestehenden Konflikt zischen Christen und Arabern im Sudan.
Sein Langfilmdebüt geht aber weit über ein "einfaches" politisches Statement hinaus, es behandelt die Geschichten der Menschen hinter dem rassistischen und patriarchale Strukturen, die laut Kordofani stets von Generation zu Generation weitergegeben worden sind.
Er selber sei da keine Ausnahme, wie er am Freitagabend im Gespräch mit dem begeisterten Publikum betonte. Bis zum Referendum im Jahr 2011 habe er in denselben Strukturen als Nordsudanese aus einer wohlhabenden Familie gelebt, ohne sie jemals zu hinterfragen.
"Als die Wahlergebnisse veröffentlicht worden sind, war ich wirklich schockiert. 99 Prozent haben für die Trennung gestimmt und wenn eine ganze Nation sich von dir trennen will, weißt du, dass irgendwas falsch läuft!" Von diesem Zeitpunkt an habe er angefangen, alles zu hinterfragen und gleichzeitig große Schuldgefühle entwickelt.
"Bei mir Zuhause kannte ich nur eine einzige Person aus dem Süden und diese war eine Haushaltshilfe. Und ich dachte, wir behandeln sie gut, aber wie Mona im Film hat auch meine Mutter das Geschirr für sie markiert."
Schuld ist ein zentrales Thema in "Goodbye Julia"
Schuld ist auch ein sehr zentrales Element in "Goodbye Julia": Schuldgefühle sind es, die Mona dazu bewegen, die verwitwete Julia als ihre Haushaltshilfe bei sich aufzunehmen.
Ihr Ehemann Akram (Nazar Gomaa) hatte kurz zuvor Julias Mann – einen "Wilden aus dem Süden" – aufgrund von Monas Handeln erschossen. Julia plagen wiederum Schuldgefühle nicht mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Europa geflüchtet zu sein, als dieser den Wunsch äußerte.
"Der Film ist natürlich sehr politisch, aber gleichzeitig auch Teil meines persönlichen Werdegangs", erklärte der Regisseur seinen Fokus auf das Menschliche. Die Charaktere im Film seien stark von seinen eigenen Familienmitgliedern inspiriert.
"Ich habe alle Figuren in dem Film bewusst in eine Grauzone gepackt. Du siehst sie schlechte Sachen machen, aber du kannst verstehen, warum sie diese machen." Einer der Gründe, warum es Kordofani eine Freude ist, seinen Film einem internationalen Publikum präsentieren zu dürfen.
"Es fühlt sich gut an, eine andere Seite des Sudans als den Krieg zu zeigen. Klar, ist das jetzt auch kein fröhlicher Stoff, aber immerhin lernen sie so die Menschen mit ihren Geschichten und ihren Familien kennen", sagte Kordofani nach der Premiere im Gespräch mit TAG24. "Und ich habe die Hoffnung, dass die Leute sich dann mehr mit dem Sudan befassen als das, was sie in den Nachrichten lesen."
Mohamed Kordofani: "Ich habe nie darüber nachgedacht, Filme zu machen!"
Gedreht wurde "Goodbye Julia" trotz der aktuellen politischen Lage, mehreren Tränengas-Vorfällen und der fehlenden Infrastruktur für das Filmemachen im Sudan. "Es hätte sich einfach nicht richtig angefühlt in einem anderen, sicheren Land zu drehen, nicht nur für mich, sondern auch für das sudanesische Publikum", so Kordofani gegenüber TAG24.
Das Medium Film für seine eigene Auseinandersetzung mit seiner Geschichte hat der gelernte Luftfahrtingenieur eher aus einer eigenen Misslage gewählt, wie er TAG24 verriet.
"Eigentlich habe ich immer geschrieben, ich war nie ein Cineast oder habe darüber nachgedacht, Filme zu machen, aber niemand wollte meine Geschichten lesen. Irgendwann dachte ich dann, ok, ich weiß, wie man Fotos bearbeitet, kenne mich ein bisschen mit dem Schneiden von Videos aus, warum bringe ich das nicht mit meinen Geschichten zusammen und mache einen Film daraus?"
Sein erster Kurzfilm "Nyerkuk" (2016) war dann auch direkt ein Erfolg. "Da habe ich mich dann entschieden Filmemacher zu werden, aber nie mit der Absicht zu belehren, sondern die Frage zu stellen, wie sich Menschen wieder versöhnen könnten. Ich glaube dafür müssen wir einander verstehen und auch ein bisschen Verzeihen!"
Mit "Goodbye Julia" bietet er dem Publikum die auf dem Filmmarkt sehr rare Chance, in die Kultur und die Geschichte der Sudanesen einzutauchen und schafft es sowohl visuell als auch narrativ eine berührende Freundschaft zwischen zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten, einzufangen.
Im Rahmen des Filmfests Hamburg läuft "Goodbye Julia" am Sonntag, 1. Oktober, erneut um 18 Uhr im Alabama Kino. Auch hier wird die Chance bestehen, dem Regisseur Fragen zu stellen. Tickets gibt es unter filmfest-hamburg.reservix.de.
Es ist geplant, dass "Goodbye Julia" im Frühjahr 2024 in die deutschen Kinos kommt.
Titelfoto: Filmfest Hamburg / Martin Kunze