Musiker Kayef im TAG24-Interview: "Ich musste lange gegen die Stigmatisierung 'YouTuber' kämpfen!"
Hamburg - Am morgigen Dienstag ist es endlich so weit: Nach drei Jahren coronabedingter Zwangspause findet das Charity-Konzert "Channel Aid" zum vierten Mal in der Hamburger Elbphilharmonie statt. Neben Hauptact Wincent Weiss (29) wird auch der Düsseldorfer Rapper und Popsänger Kayef (28) auftreten. Begleitet wird er dabei erstmalig von einem Streichquartett. Der italienische Komponist Costantino Carrara (25) hat dafür extra Arrangements komponiert, die Kayefs Lieder in einem neuen Gewand präsentieren werden.
TAG24: Kai, bist Du aufgeregt, in der Elphi zu spielen?
Kayef: Mittlerweile sehr! Bis zu den Proben war ich so: Joa, mal gucken. Aber jetzt, wo ich hier bin und auch die Location zum ersten Mal sehe - ich war vorher noch nie in der Elbphilharmonie - geht die Aufregung richtig los.
TAG24: Ist es das erste Mal, dass Du zusammen mit Streichern auftrittst?
Kayef: Ja. Es ist auch komplett das erste Mal, dass wir von der Produktion her herunterfahren und alles akustisch machen. Dann steht die Stimme natürlich noch mehr im Vordergrund und man kann sich nicht so gut hinter Pyro-Technik oder Ähnlichem verstecken.
TAG24: Siehst Du Deinen Auftritt vielleicht auch als Chance, einem anderen Publikum bekannt zu werden? Die Elphi ist sonst ja eher Home of Classic …
Kayef: Es ist gleichermaßen [sowohl] eine Chance als auch eine Feuerprobe. Es wird auf jeden Fall eine Challenge, Zuschauer, die sonst nur Klassik hören, zu überzeugen und abzuholen. Es macht bestimmt aber auch gleichzeitig großen Spaß, weil es einfach etwas Besonderes ist. Trotzdem hoffe ich, dass auch viele Wincent-Weiss- und Kayef-Fans da sind, die unsere Songs auch kennen, das macht dann einfach am meisten Bock.
TAG24: Vielleicht verliebst Du Dich ja auch in eine akustische Version von einem Deiner Lieder.
Kayef: Das kann auf jeden Fall gut sein. Ich bin auch froh, dass die Lieder nach dem Konzert noch bei Amazon Music herauskommen und so noch viel mehr Leuten die Chance geboten wird, diese Versionen zu hören. Das macht das ganze Projekt auch langlebiger.
Sänger Kayef: "In vielen Bereichen bin ich noch ein Newcomer!"
TAG24: Du bist per YouTube berühmt geworden. Hattest Du schon die Situation, dass Menschen aus der Branche Dich deswegen belächelt haben?
Kayef: Ich weiß nicht, wie es heutzutage ist, aber bei mir war es am Anfang auf jeden Fall so. Wir haben echt drei, vier Jahre richtig gegen die Stigmatisierung "YouTuber können keine Musik machen" gekämpft. Ich bin froh, mittlerweile nicht mehr in diese Schublade gesteckt zu werden. Ich glaube aber, wenn man abliefert und auch zeigt, dass Musik seine Hauptleidenschaft ist, dann lassen sich die Leute auch überzeugen.
TAG24: 2014 kam Dein erstes Album heraus und dennoch wirst Du teilweise immer noch als Newcomer angekündigt, ist das frustrierend?
Kayef: Jedes Jahr passiert irgendetwas und ich erreiche einen neuen Meilenstein. Ich bin aber trotzdem in ganz vielen Bereichen immer noch ein Newcomer, das würde ich auch sagen. Im Radio und im Fernsehen werde ich auf jeden Fall als einer wahrgenommen. Die haben mich noch nicht auf ihrem Radar, wogegen bei Spotify, TikTok und Instagram schon viele von mir gehört haben. Bei YouTube ist es teilweise sogar so, dass Leute nach Konzerten mit ihren kleinen Geschwistern zu mir kommen und sagen: "Guck mal, das ist ein YouTuber, mit dem ich aufgewachsen bin."
TAG24: Sind es trotzdem Ziele von Dir, im Radio und Fernsehen präsenter zu werden?
Kayef: Ja, safe. Ich will mich nicht davor verschließen und glaube auch, dass man das als Künstler mitnehmen muss. Ich will mir dann aber schon die Rosinen herauspicken. Ich muss jetzt nicht ins Dschungelcamp, nur um im Fernsehen zu sein. Bei "Sing mein Song" oder "The Voice" wäre ich zum Beispiel gerne am Start.
Kayef: "Musik ist genau dafür da, dass man Sachen richtig verarbeiten kann"
TAG24: Deine Lieder klingen oft sehr persönlich. Verarbeitest Du mit Deiner Musik Deine eigene Gefühlswelt oder sind es andere, die Dich inspirieren?
Kayef: Sowohl als auch. Ich würde sagen, 70 zu 30 [Prozent] sind es Geschichten von mir, die ich einfach verarbeiten will und die ich direkt aus meinem Hinterkopf hole. Wo ich teilweise auch gar nicht weiß, warum. Manchmal sitzt Du da und schreibst Sachen über Menschen herunter, die vor fünf Jahren waren. Aber genau dafür ist Musik ja da, dass man Sachen richtig verarbeiten kann und es einem nach dem Song besser geht.
TAG24: Channel Aid ist der erste Charity-YouTube-Kanal. Findest Du, die Plattform sollte viel mehr für den guten Zweck genutzt werden?
Kayef: Voll. Ich finde den Grundgedanken so toll, dass durch Klicks Spendengelder generiert werden. Gerade für eine junge Zielgruppe, die vielleicht nicht viel Geld hat, bieten sich solche Sachen an. Sie müssen einfach nur den Livestream schauen und es passieren coole Sachen. Corona hat auch dazu beigetragen, dass viele Leute Livestream-affin sind, und wir können doch die ganze angeschaffte Technik weiter nutzen, um zum Beispiel Streaming-Festivals für den guten Zweck zu veranstalten.
TAG24: Würdest Du anderen jungen Künstlern raten, Deinen Weg einzuschlagen, oder gibt es heutzutage einfach zu viel Konkurrenz?
Kayef: Ich glaube, wenn man sich selber überlegt, was will ich sein und was will ich erzählen, dann ist immer noch das Internet der einfachste und der günstigste Weg. Manchmal hat man ja keine Mittel, aber wenn Du etwas Cooles zu erzählen hast, wird die Geschichte selbst durch die schlechteste Technik bei den Leuten ankommen. Ich würde vor allem empfehlen, TikTok mitzunehmen. Da kannst Du viral gehen, ohne dass Du Follower hast.
TAG24: Also würdest Du schon sagen, dass YouTube und die sozialen Medien der Musikbranche gutgetan haben?
Kayef: Auf jeden Fall. Vor allem auch, weil keine Monopolstellung bei den Labels mehr da ist, die entscheiden, wer groß ist und wer nicht. Heutzutage sind es die Hörer, die das entscheiden. Man muss als Künstler aber schon konsequent bleiben. Ich glaube, das ist es, woran viele heutzutage scheitern. Am Ende ist ein langer Atem fast schon wichtiger als das Talent, was Du hast. Das Durchhaltevermögen ist immer das, welches sich auszahlt. Egal auf welcher Plattform.
Das "Channel Aid"-Konzert wird am 3. Januar 2023 ab 20 Uhr live und kostenlos auf channel-aid.tv gestreamt.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24