Telefonbetrug-Aussteiger packt aus: "Ältere Damen sind wie Kinder, leicht zu verarschen"

Leipzig/Karlsruhe - Seit Monaten häufen sich in Deutschland die Meldungen über telefonische Betrugsmaschen, denen vor allem Senioren zum Opfer fallen. "Kripo live - Tätern auf der Spur" griff das Thema in der aktuellen Folge auf.

Vor allem ältere Frauen werden von den Betrügern in den Fokus genommen.
Vor allem ältere Frauen werden von den Betrügern in den Fokus genommen.  © Christin Klose/dpa-tmn

Nach Einschätzung von Hauptkommissar und Betrugsexperte Michael Kuhn werden täglich Hunderte - wenn nicht sogar Tausende - betrügerische Anrufe getätigt. Eine der Betroffenen ist die Rentnerin Martha S., die in dem MDR-Beitrag zu Wort kam.

Ihre tragische Geschichte begann mit dem Anruf eines angeblichen Kommissars namens Schneider, der ihr von Betrügern erzählte, die mit einem korrupten Sparkassen-Mitarbeiter gemeinsame Sache machen würden und es auf ihr Erspartes abgesehen hätten. Als "Sicherheitsmaßnahme" sollte Martha ihr Erspartes (20.000 Euro) abheben und den "Ermittlern" übergeben. Die Seniorin leistete Folge.

Nachdem sie am nächsten Tag erneut angerufen und nach weiteren 5000 Euro gefragt worden war, meldete sie sich bei der Polizei, um mit Herr Schneider zu sprechen. Da dieser natürlich nicht tatsächlich existierte, flog die Masche auf und Kuhn begann mit seinen Ermittlungen.

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Von der Übergabe der 5000 Euro konnte er die Rentnerin glücklicherweise gerade noch rechtzeitig abhalten, die 20.000 Euro blieben aber verloren - trotz der kurz darauf erfolgten Verhaftung des Geld-Abholers. Bei ihm handelte es sich um einen deutschen Familienvater, der mit dem "Auftrag" für seine Frau und Kinder sorgen wollte. Am Ende wurde er zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verdonnert.

"Er hat sich so gezeigt, dass es ihm leidtut und dass er sich schämt", erzählte Martha S. von der emotionalen Begegnung vor Gericht. "Er hat sich mehrfach entschuldigt und ich hab die Entschuldigung angenommen. (...) Ich hoffe sehr, dass er nach dieser Situation nichts Dummes mehr macht."

Die betrügerischen Callcenter sitzen oft in der Türkei. (Symbolbild)
Die betrügerischen Callcenter sitzen oft in der Türkei. (Symbolbild)  © 123Rf/lutsenko

Telefonbetrug-Aussteiger Murat packt über Branche aus

Die Polizei warnt vor den dreisten Tricks der Telefonbetrüger.
Die Polizei warnt vor den dreisten Tricks der Telefonbetrüger.  © Oliver Berg/dpa

Damit es gar nicht erst so weit kommt, haben sich bundesweit inzwischen Sondereinsatzkommandos darauf spezialisiert, den Verbrechern mithilfe von Telefonüberwachungen das Handwerk zu legen.

Auch Murat S. arbeitete lange in einem türkischen Callcenter, das darauf spezialisiert war, deutsche Seniorinnen und Senioren um ihr Vermögen zu bringen. 2015 wurde er in Antalya festgenommen, inzwischen spricht er offen über seine kriminelle Vergangenheit.

"Es ist schon schwer, wie ein Polizist zu reden, von den Wörtern her - die benutzen ja nicht ganz normale Wörter", erklärte er in dem Beitrag. "Das ist nicht so einfach, da kann man sich nicht einfach in die Leitung setzen und sagen 'Hallo Servus, ich bin Bulle, gib mir dein Geld."

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Und der Grund, warum vor allem Rentnerinnen zur Zielgruppe der Callcenter gehören? "Ältere Damen sind wie Kinder, leicht zu verarschen. Die glauben auch alles."

Auch zur Denkweise der skrupellosen Betrüger äußerte Murat sich: "Damals haben die älteren Leute unsere Vorfahren - also die zuerst nach Deutschland kamen - fertiggemacht, jetzt machen wir sie auch fertig." Im Angesicht des vielen Geldes, das sie mit ihren Betrugsmaschen verdienen können, käme bei ihnen deshalb kein schlechtes Gewissen auf.

Polizei warnt: Täter gehen perfide vor!

Unterdessen wehrte sich Oberkommissarin Sabine Hebein gegen das vorherrschende Klischee, dass lediglich besonders einfältige oder naive Menschen auf solche Telefon-Betrugstricks hereinfallen würden: "Das hat nichts mit Intellekt oder sonst irgendetwas zu tun - im Gegenteil, weil die Täter so perfide vorgehen."

Die Anrufer würden sich insbesondere durch ihr eloquentes Auftreten auszeichnen - funktioniere dies nicht, würden sie ihren Opfern gezielt Angst einjagen und sie massiv unter Druck setzen.

Martha S. vermutet, dass die Dunkelziffer von Betroffenen hoch sei. Schamgefühle würden sie davon abhalten, die Polizei einzuschalten, stattdessen müssten sie die Folgen allein mit sich ausmachen. "Das ist wie ein Käfig."

Die komplette "Kripo live - Tätern auf der Spur"-Folge zum Thema "Betrug am Telefon" seht Ihr in der MDR-Mediathek.

Titelfoto: Montage Christin Klose/dpa-tmn ; 123rf/lutsenko ; Oliver Berg/dpa

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