Reschke Fernsehen: ARD erhebt neue Vorwürfe gegen Julian Reichelt

Hamburg/Berlin - "Reschke Fernsehen" - seit Kurzem auf Sendung im Ersten - legt sich mit einem ehemaligen "BILD"-Chef an. Brisant: "Fall Reichelt: Ausmaß des mutmaßlichen Machtmissbrauchs bei BILD größer als bekannt", so titelt der NDR in seiner Mitteilung. Wie setzte sich der Sender mit dem MeToo-Eklat auseinander? Ist "Reschke Fernsehen" damit zu weit gegangen?

Anja Reschke (50) im Studio ihrer neuen Sendung "Reschke Fernsehen".
Anja Reschke (50) im Studio ihrer neuen Sendung "Reschke Fernsehen".  © NDR/Thorsten Jander

Ein bisschen "Brisant", ein bisschen "Explosiv" - so will die Moderatorin Anja Reschke (50) es wohl noch mal boulevardesk-angehaucht, dennoch journalistisch versuchen. Zumindest mutet die Aufmachung der Sendung so an. Mehr als 1,3 Millionen Fans hatte sie vor einer Woche zur Premiere.

Diesmal wurde es ernst: "Julian Reichelt und die Frauen: 'Bumsen, belügen, wegwerfen'" - so der Titel der Sendung! Da geht's um die #metoo-Bewegung. Im Mittelpunkt: Julian Reichelt (42), Ex-Chefredakteur bei "BILD". Es werden kurze Sequenzen beispielsweise von "Chez Krömer" gezeigt, oder auch aus der Amazon-Prime -"BILD"-Doku.

Dann geht's scharf: "Nach Informationen des NDR hat der mutmaßliche Machtmissbrauch durch den ehemaligen BILD-Chefredakteur Julian Reichelt deutlich größere Ausmaße als bislang bekannt", heißt es von Senderseite.

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Reporterinnen des ARD-Formats "Reschke Fernsehen" hätten Kontakt zu 13 Frauen gehabt, "die den Schilderungen zufolge Anmachen, Affären und berufliche Auswirkungen erlebt" hätten.

So wird in "Reschke Fernsehen" gezeigt, wie eine ehemalige Mitarbeiterin erzählt habe, "wie Julian Reichelt sie zu einem Treffen" gedrängt habe. "Irgendwann habe ich eingewilligt. Es kam zum Sex."

Reichelt habe sie nicht gezwungen, "aber sie habe aus Angst vor Konsequenzen im Job" nicht "Nein" sagen können. "Die schlimmste Entscheidung meines Lebens", so die damalige "BILD"-Mitarbeiterin laut dem NDR.

Ex-"BILD"-Chefredakteur Julian Reichelt dementiert via Anwalt

Der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (42) ist Thema bei "Reschke Fernsehen" im Ersten.
Der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (42) ist Thema bei "Reschke Fernsehen" im Ersten.  © Jörg Carstensen/dpa

Der interne Bericht von Springer, für den der Verlag im Zuge der Aufklärung die Kanzlei Freshfields beauftragte, unterstreiche die Aussagen. So heißt es in einem bisher angeblich unbekannten Dokument, "dass eine Frau 'eindrücklich und glaubhaft' von ihrer Beziehung zum BILD-Chefredakteur berichtet" habe.

Auch berufliche Vorzüge wurden demnach ebenfalls glaubhaft von der Betroffenen geschildert.

"Mehrere konkrete und uns bekannte Beispiele zeigen, dass die persönlichen Interessen Herrn Reichelts hier gegenüber den unternehmerischen deutlich überwiegen", heißt es laut NDR in dem Protokoll (hier im Original).

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Weitere Frauen berichteten demnach gegenüber "Reschke Fernsehen", dass sie berufliche Nachteile durch ihre Aussagen im Rahmen der Aufklärung bei Springer erlebt haben sollen.

"Die Recherchen von 'Reschke Fernsehen' werfen auch Fragen hinsichtlich des Umgangs von Springer mit dem Fehlverhalten des ehemaligen Chefredakteurs Reichelt auf", so der NDR.

Demnach hätte "mindestens zwei Mitarbeiterinnen von BILD bereits im Herbst 2019 über Einsendungen in den anonymen Briefkasten bei BILD schwere Vorwürfe gegen Julian Reichelt erhoben".

Eins steht schon jetzt fest, seit Bekanntwerden der NDR-Recherchen am Donnerstagabend steht Twitter nicht mehr still. #Reichelt trendete sofort auf Platz 1.

Am Ende der Reschke-Sendung (hier in der Mediathek) dementiert Reichelt via Anwalt die Anschuldigungen. Da heißt es: "Julian Reichelt wiederum hat uns geantwortet, über seinen Anwalt. (...) Hier steht's. Alle von uns (NDR, Anm. d. R.) genannten Vorwürfe sind unwahr und Teil einer Verleumdungskampagne", liest Reschke beim Verabschieden vor...

Update, 2. Mai 2023:

Julian Reichelt erwirkt einstweilige Verfügungen gegen NDR ("Reschke Fernsehen")

Das Landgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 25.04.2023 (Az.: 324 O 111/23) durch einstweilige Verfügung dem Norddeutschen Rundfunk die Behauptung und Verbreitung zahlreicher Äußerungen mit Vorwürfen gegen Julian Reichelt untersagt.

Bereits mit Beschluss desselben Gerichts vom 29.03.2023 (Az.: 324 O 91/23) hat Reichelt eine Gegendarstellung wegen der TV-Berichterstattung des NDR erwirkt.

"Gegenstand dieser nach Auffassung des Gerichts unzulässigen Äußerungen sind hierbei insbesondere auch Vorwürfe, die angeblichen Machtmissbrauch des Julian Reichelt beschreiben, darunter auch der zentrale und schwerwiegendste aller Vorwürfe, nämlich des 'Sex on Demand', wonach Julian Reichelt eine Mitarbeiterin um 2 Uhr morgens per Textnachricht aufgefordert haben soll, sofort in sein Hotelzimmer zu kommen, wo es dann zum schnellen Sex gekommen sei", heißt es vonseiten der Kanzlei.

Ein Vorwurf, der sich somit "als frei erfunden und damit unwahr widerlegen" lasse.

Landgericht Hamburg untersagt frei erfundenen Vorwurf des Machtmissbrauchs

Weiter heißt es: "Eine wiederholte Ausstrahlung sowie fortgesetzte Bereitstellung zum Abruf in der ARD-Mediathek der NDR TV-Berichterstattung ist damit in ihrer gegenwärtigen Fassung gerichtlich verboten", sobald die einstweilige Verfügung dem NDR zugestellt sei und damit vollzogen sei.

Bei Verstoß des NDR gegen das gerichtliche Verbot drohen für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgelder von bis zu EUR 250.000,00 oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Intendanten des NDR.

So reagiert der NDR

"Richtig ist, dass einige Äußerungen in der Sendung 'Reschke Fernsehen' vorläufig verboten worden sind." Dem NDR sei der Beschluss des Landgerichts Hamburgs noch nicht formal zugestellt worden. "Der Norddeutsche Rundfunk wird Widerspruch dagegen einlegen", so der Sender.

Das letzte Wort ist demnach noch nicht gesprochen...

Titelfoto: NDR/Thorsten Jander/Jörg Carstensen/dpa

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