Jede Menge Style im Heckert-Kult-Klub: Techno- und Gothic-Partys unterm blitzenden Würfel

Chemnitz - Die Jugendclubs in Karl-Marx-Stadt hatten meist die gleiche Bauform - und doch war jeder davon etwas Besonderes. Ein ganz besonderer Club war der "Würfel" im Heckert-Gebiet. Einrichtung, Kleidung, Musikstil - alles war hier hochexklusiv. Aus der ganzen Stadt strömten die Jugendlichen der 1980er ins Plattenbaugebiet, um Einlass in den legendären "Würfel" zu begehren. Nach der Wende wurde er zum Anlaufpunkt für die Techno- und Gothic-Szene. Doch dann überfiel eine Neonazi-Horde den Kult-Club.

Ex-"Würfel"-Leiter Jörg Schneider (55) vor dem früheren Jugendclub in der Wilhelm-Firl-Straße.
Ex-"Würfel"-Leiter Jörg Schneider (55) vor dem früheren Jugendclub in der Wilhelm-Firl-Straße.  © Maik Börner

Jörg Schneider (55), heute Leiter des Kinder- und Jugendhauses "UK", wurde in der wilden Wendezeit der Chef des "Würfels". Schon in den 1980ern war er häufiger Gast des beliebten Jugendclubs in der Wilhelm-Firl-Straße gewesen. Der "Würfel" hatte damals eine ganz bestimmte Ausrichtung: Es lief Soul und Funk, Gitarrenmusik war verpönt. "Es war alles sehr gestylt", erinnert sich Jörg Schneider heute.

"Der Tanzbereich war verspiegelt. Es gab einen Würfel, der sich gedreht und geblitzt hat." Die Jazz-Sängerin Pascal von Wroblewsky (59) und der große Film-Komponist Günther Fischer (76) traten dort auf. Und bis heute reden Zeitzeugen davon, dass sich der damalige Leiter eine Art Thron im Büro eingebaut haben soll.

Da musste auch das Outfit stimmen: Karottenhosen und spitze Lederschuhe waren "in", die Kleiderschränke der Eltern wurden geplündert.

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Doch das Publikum musste sich nicht nur schick anziehen, sondern sich auch schicklich benehmen: "Ich wäre mal fast rausgeflogen, weil ich meinen Fuß auf den Nachbarstuhl gestellt habe", sagt Jörg Schneider.

So ausgeflippt feierte die Wende-Jugend im "Würfel".
So ausgeflippt feierte die Wende-Jugend im "Würfel".  © Archiv Jörg Schneider
Schon mehr als 30 Jahre her: Werbeplakat für Techno-Abend am 10. August 1990.
Schon mehr als 30 Jahre her: Werbeplakat für Techno-Abend am 10. August 1990.  © Archiv Jörg Schneider
In den frühen 1990ern bemalten die Jugendlichen das Gebäude mit Graffiti.
In den frühen 1990ern bemalten die Jugendlichen das Gebäude mit Graffiti.  © Archiv Jörg Schneider
In den 80ern stand der "Würfel" für stilvolle Abende mit Soul und Funk.
In den 80ern stand der "Würfel" für stilvolle Abende mit Soul und Funk.  © Michael Backhaus

1994 überfielen Neonazis den Club "Würfel"

Hier stand die Welt Kopf: Ein "IG Tekkno"-Abend im "Würfel".
Hier stand die Welt Kopf: Ein "IG Tekkno"-Abend im "Würfel".  © Archiv Jörg Schneider

In der Wendezeit übernahm Jörg Schneider den "Würfel". Es gab weiterhin Soul- und Funk-Abende, doch die Besucher blieben auf einmal weg. Denn das Heckert-Gebiet verlor damals seine Anziehungskraft. "Die schicke Szene gab es dann woanders."

Aber der "Würfel" erfand sich neu: Unter der Woche bot er Nachmittagsprogramm für Kinder und Jugendliche, sonnabends gab es erste Elektro-Partys der "IG Tekkno" oder Gothic-Abende.

Doch in den frühen 90ern begannen Neonazis, die Jugendclubs zu überfallen. Auch im "Würfel" gab es etwa 1994 einen solchen Überfall. "Wir sind zum Glück gewarnt worden, ich hab die Polizei gerufen", berichtet Jörg Schneider.

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Die Polizisten verteidigten den "Würfel" mit Schutzschildern, als eine Horde kahlrasierter Jugendlicher anstürmte. Jörg Schneider verließ den Jugendclub kurz darauf. Heute befindet sich darin der Bürgertreff "bei Heckerts".

Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen

Titelfoto: Archiv Jörg Schneider

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