Messerattacke am Holocaust-Mahnmal: IS-Mann schweigt vor Gericht

Von Marion van der Kraats und Anne Baum

Berlin/Karlsruhe - Neun Monate nach der Messerattacke auf einen Besucher des Holocaust-Mahnmals in Berlin steht der mutmaßliche Attentäter vor Gericht. Der 19 Jahre alte Syrer wird zunächst im Prozess vor dem Kammergericht Berlin schweigen. Er habe seinem Mandanten dazu geraten, erklärte Verteidiger Daniel Sprafke.

Der Angeklagte hat sich mit Mütze, Sturmhaube und Sonnenbrille komplett verhüllt und hüllt sich auch in Schweigen.  © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Die Bundesanwaltschaft geht von einer radikal-islamistisch und antisemitisch motivierten Tat aus. Sie wirft dem 19-Jährigen versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Am 21. Februar soll der Angeklagte aus Sachsen in die Hauptstadt gefahren sein, um im Namen des "Islamischen Staats" (IS) den Angriff zu verüben.

Wassim Al M. sei Anhänger der Ideologie der terroristischen Organisation des IS gewesen, so Staatsanwältin Katrin Fischer bei der Verlesung der Anklage. Wegen dieser Gesinnung und "angetrieben durch die Eskalation des Nahostkonflikts" habe er im Namen des IS einen Angriff auf einen Menschen begehen und "dadurch einen Repräsentanten der von ihm abgelehnten freiheitlichen Gesellschaft" töten wollen.

Kurz vor der Tat habe der 19-Jährige über einen Messengerdienst ein Foto von sich an Mitglieder des IS übersandt und sich als Mitglied angedient.

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Laut Anklage wählte der 19-Jährige das Holocaust-Mahnmal als Tatort, weil er davon ausging, dort "mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Menschen jüdischen Glaubens" zu treffen. Die Tatwaffe - ein Messer mit einer 16 Zentimeter langen Klinge - soll er sich im Internet beschafft haben.

Im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals, das an die Ermordung von sechs Millionen Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten erinnert, griff er dann laut Anklage den Berlin-Besucher von hinten an. Dabei habe der 19-Jährige dem Opfer einen 14 Zentimeter langen Schnitt an der Kehle zugefügt.

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Opfer schwer traumatisiert

Der 19-Jährige konnte in Tatortnähe festgenommen werden.  © Ebrahim Noroozi/AP/dpa

Außerdem erlitt der inzwischen 31 Jahre alte Mann eine mehr als sechs Zentimeter lange Stichverletzungen im Gesicht und eine weitere am Finger. Nach der Tat soll er "Allahu Akbar" (auf Deutsch etwa "Gott ist groß") gerufen haben.

Das Opfer hatte die Gedenkstätte an jenem 21. Februar mit Freunden besucht, wie sein Anwalt Sebastian Sevenich am Rande des Prozesses erklärte. Der Ernährungswissenschaftler aus dem Baskenland tritt im Prozess als Nebenkläger auf und wird vor Gericht als Zeuge aussagen. Dies ist für den 3. Dezember geplant, wie sein Anwalt erklärte.

Der 31-Jährige ist nach Angaben von Sevenich bis heute nicht arbeitsfähig wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zudem leide er infolge der Stichverletzungen an Nervenschäden. "Die Konfrontation mit dem Verfahren ist natürlich Stress für ihn", sagte der Anwalt. Sein Mandant wolle sich dem aber stellen.

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Laut Anklage konnte der Spanier nur durch das schnelle Eingreifen von Rettungskräften und eine Notoperation gerettet werden. Der Mann wurde für einige Zeit in ein künstliches Koma versetzt, so die Behörden.

Da der Angeklagte zur Tatzeit mit 19 Jahren Heranwachsender war, muss das Gericht entscheiden, ob er nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen ist oder nach dem Jugendstrafrecht. Im Fall einer Jugendstrafe läge die Höchststrafe bei 15 Jahren, wenn das Gericht von einem besonders schweren Fall ausginge. Beim Erwachsenenstrafrecht wäre eine lebenslange Freiheitsstrafe möglich.

Erstmeldung von 5.51 Uhr, aktualisiert um 13.20 Uhr.

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