Hat sie den Jungen (†4) im Sack erstickt? Freispruch für Sektenführerin (76) gefordert

Frankfurt am Main/Hanau - Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines kleinen Jungen in Hanau im Jahr 1988 hat die Verteidigung am heutigen Mittwoch einen Freispruch der wegen Mordes angeklagten mutmaßlichen Sektenführerin gefordert.

2020 wurde die heute 76-Jährige vom Hanauer Landgericht wegen Mordes verurteilt, legte aber erfolgreich Revision ein.
2020 wurde die heute 76-Jährige vom Hanauer Landgericht wegen Mordes verurteilt, legte aber erfolgreich Revision ein.  © Boris Rössler/dpa

Sie sei das Opfer einer Kampagne und öffentlicher Hetze, sagte einer der beiden Rechtsanwälte der 76-Jährigen am Mittwoch im Frankfurter Landgericht und warf den Ermittlern "blinden Eifer" vor.

Der Junge war der Sohn von Sektenmitgliedern gewesen. Nach seinem Tod am 7. August 1988 gingen die Behörden lange von einem Unglücksfall aus. Erst nach Aussagen von Sektenaussteigern im Jahr 2015 wurde wieder ermittelt.

Eine Verurteilung des Hanauer Landgerichts wegen Mordes hielt der Revision nicht stand, daher musste noch einmal vor einer Frankfurter Schwurgerichtskammer gegen die Deutsche verhandelt werden. Dort läuft seit über sechs Monaten der Prozess.

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Der Ablauf am Todestag des vierjährigen Jungen sei nicht eindeutig geklärt, es gebe widersprüchliche Angaben, hieß es von der Verteidigung. Auch die Todesursache sei nicht mehr bestimmbar.

Der getötete Junge soll für die Angeklagte "das Böse" symbolisiert haben

Die Angeklagte (l.) zu Beginn des zweiten Prozesses mit einem ihrer Verteidiger im März 2023: Die heute 76-Jährige hatte stets ihre Unschuld beteuert.
Die Angeklagte (l.) zu Beginn des zweiten Prozesses mit einem ihrer Verteidiger im März 2023: Die heute 76-Jährige hatte stets ihre Unschuld beteuert.  © Boris Rössler/dpa

Es sei unklar, ob der Junge an diesem Tag im August 1988 während seines Mittagsschlafs ganz oder nur bis zum Hals in einem Sack gesteckt habe. Die Angeklagte hatte zum Prozessauftakt die Tat bestritten.

Der Staatsanwalt bezeichnete in seiner Entgegnung das Plädoyer als "einfallslos", zudem seien mehrere Angaben falsch. Die Angeklagte habe den Jungen gehasst, weil dieser sich gegen sie gewehrt habe.

Seine Kollegin hatte bereits vergangene Woche auf lebenslangen Haft für die mutmaßliche Sektenführerin wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen plädiert. Als Motiv gab sie an, der Junge habe für die Frau "das Böse" symbolisiert, sie habe mit ihm einen Machtkampf geführt. Der Vierjährige sei in dem Sack an einer Kohlendioxidvergiftung gestorben.

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Ein Urteil könnte nächste Woche verkündet werden. Außer Mord wären alle anderen Straftatbestände verjährt.

Im vergangenen Jahr war die Mutter des Jungen in einem gesonderten Prozess vom Landgericht Hanau vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden.

Ursprungsmeldung vom 8. November um 5.46 Uhr; Update vom 8. November um 16.55 Uhr.

Titelfoto: Boris Rössler/dpa

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