Milde Urteile wegen schwerer Verfahrensfehler: Colditzer Familien-Clan wieder in Freiheit

Leipzig - Sie waren als gefährliche Drogen-Bande angeklagt - und verließen das Gericht jetzt als freie Leute. Im Prozess gegen den Colditzer Familienclan N. sind der Vater Ralf (67) und seine beiden Söhne am Freitag zu milden Freiheitsstrafen verurteilt und anschließend aus der Haft entlassen worden. Dass es so kam, lag auch an schwerwiegenden Ermittlungspannen.

Ralf N. (67), hier mit Verteidiger Curt-Matthias Engel, gestand zwar den Handel mit Crystal, wehrte sich aber erfolgreich gegen den Banden-Vorwurf.
Ralf N. (67), hier mit Verteidiger Curt-Matthias Engel, gestand zwar den Handel mit Crystal, wehrte sich aber erfolgreich gegen den Banden-Vorwurf.  © Ralf Seegers

Als Zollfahnder und Bundespolizisten Ende März in Colditz zum großen Schlag gegen das nach ihren Erkenntnissen organisierte Verbrechen ausholte, sah das zunächst wie ein großer Erfolg aus. Die mehr als 250 eingesetzten Beamten holten aus Häusern und Lagerhallen der Holzhändler-Familie N. rund 7,8 Kilo Crystal-Mischungen sowie scharfe Waffen hervor und fanden eine Cannabisplantage mit 2718 Pflanzen.

Acht Monate später endete das Großverfahren im Desaster für die Ermittlungsbehörden. Zwar wurden Ralf N. und seine Söhne Uwe (35) und Andreas (39) am Freitag wegen Drogenhandels in nicht geringer Menge verurteilt, doch die Strafen fielen mit vier Jahren Gefängnis für den Vater und je drei für die Geschwister Uwe und Andreas weit geringer aus, als es sich die Ermittler erhofft hatten.

Das lag zum einen daran, dass die 6. Strafkammer des Landgerichts die rechtlichen Kriterien für eine Bande nicht erfüllt sah, die Waffen laut Beweiswürdigung beim Drogenhandel keine Rolle spielten und die Cannabis-Plantage, die in einer von Ralf N. vermieteten Lagerhalle entdeckt wurde, nicht der Familie zugeordnet werden konnte.

Drohendes Aus für Fähre: Bundesgericht in Leipzig verhandelt zu geplanten A20-Elbtunnel
Gerichtsprozesse Leipzig Drohendes Aus für Fähre: Bundesgericht in Leipzig verhandelt zu geplanten A20-Elbtunnel

Und zum anderen an haarsträubenden Ermittlungspannen von Zollfahndung und Staatsanwaltschaft Chemnitz, die den Vorsitzenden Richter Dr. Andreas Stadler nach eigenem Bekunden "sprachlos" machten.

Andreas N. (39) wurde wie sein Bruder Uwe zu drei Jahren Haft verurteilt, kam aber nach dem Urteilsspruch frei. Er muss im kommenden Jahr seine Reststrafe antreten.
Andreas N. (39) wurde wie sein Bruder Uwe zu drei Jahren Haft verurteilt, kam aber nach dem Urteilsspruch frei. Er muss im kommenden Jahr seine Reststrafe antreten.  © Ralf Seegers

"Entwürdigend": Sohn aus Colditzer Familienclan nackt festgenommen

Uwe N. (35) wurde nackt festgenommen - für das Gericht ein rechtswidriger und "entwürdigender" Vorgang, der zur Strafmilderung führte.
Uwe N. (35) wurde nackt festgenommen - für das Gericht ein rechtswidriger und "entwürdigender" Vorgang, der zur Strafmilderung führte.  © Ralf Seegers

So waren Durchsuchungsmaßnahmen und Telefonüberwachungen teilweise rechtswidrig, weil Anordnungen fehlten oder fehlerhaft ausgestellt waren. Auch die Festnahmen der Beschuldigten beurteilte die Kammer als zunächst rechtswidrig und die Behandlung eines der Söhne als "entwürdigend", da er nackt festgenommen wurde.

Auch waren die Ermittlungsakten selbst im Prozess noch unvollständig. "Es gibt Dinge, die gehen in einem Rechtsstaat nicht", sagte Richter Stadler kopfschüttelnd.

Die milden Strafen - bis zu 15 Jahre Haft wären möglich gewesen - seien auch eine "Kompensation für die Verfahrensfehler".

Klage abgewiesen! Anbindung für LNG-Terminal auf Rügen ist rechtens
Gerichtsprozesse Leipzig Klage abgewiesen! Anbindung für LNG-Terminal auf Rügen ist rechtens

Trotz der ausgesprochenen und nach allseitigem Rechtsmittelverzicht inzwischen rechtskräftigen Haftstrafen hob das Gericht die Haftbefehle am Freitag auf, damit Ralf N. und seine Söhne, die seit März in U-Haft saßen, daheim Weihnachten feiern können.

Bundespolizei und Zollfahndung führten im März in Häusern, Betriebsgebäuden und Lagerhallen der Familie N. in Colditz eine Großrazzia durch, die sich im Prozess als teilweise rechtswidrig herausstellte.
Bundespolizei und Zollfahndung führten im März in Häusern, Betriebsgebäuden und Lagerhallen der Familie N. in Colditz eine Großrazzia durch, die sich im Prozess als teilweise rechtswidrig herausstellte.  © Medienportal Grimma

Im kommenden Jahr müssen sie dann ihre Reststrafen antreten.

Titelfoto: Bildmontage: Ralf Seegers

Mehr zum Thema Gerichtsprozesse Leipzig: