Mal wieder geht es ums Geld: Polen beziffert Weltkriegsschäden

Warschau - Ein von Polen vorgelegtes Gutachten schätzt die von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden im Land auf umgerechnet mehr als 1,3 Billionen Euro.

30. November 1944: Blick auf das zerstörte Warschau.
30. November 1944: Blick auf das zerstörte Warschau.  © EPU CAF/dpa

Dies teilte der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski (73), am Donnerstag in Warschau mit. Das Gutachten gilt als Grundlage für mögliche Reparationsforderungen an Deutschland.

Nach früheren polnischen Schätzungen, die auf einer Bestandsaufnahme von 1946 plus Zinsen beruhen, belaufen sich die von Deutschland verursachten Kriegsschäden lediglich auf 800 Milliarden Euro.

Worauf beziehen sich die polnischen Forderungen nach Entschädigung?

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Der deutsche Überfall auf Polen am 1. September 1939 war der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit mindestens 55 Millionen Toten - andere Schätzungen kommen sogar auf bis zu 80 Millionen. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Polen hatte, gemessen an der Gesamtbevölkerung, so viele Tote zu beklagen wie kein anderes Land. Vier bis sechs Millionen Polen kamen ums Leben - bis zu ein Fünftel der Bevölkerung.

Auch der Grad der Zerstörung durch den Vernichtungskrieg der Nazis war vergleichsweise hoch. So wurde etwa die Hauptstadt Warschau fast vollständig zerstört.

Jaroslaw Kaczynski (73), Vorsitzender der Partei «Recht und Gerechtigkeit" (PiS), gilt als graue Eminez der polnischen Politik.
Jaroslaw Kaczynski (73), Vorsitzender der Partei «Recht und Gerechtigkeit" (PiS), gilt als graue Eminez der polnischen Politik.  © Czarek Sokolowski/AP/dpa

Wurde die Kriegsschuld denn nie beglichen?

Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) wies im vergangenen Dezember Reparations-Forderungen zurück
Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) wies im vergangenen Dezember Reparations-Forderungen zurück  © Kay Nietfeld/dpa

Im Potsdamer Abkommen von 1945 einigten sich die vier Siegermächte, dass die Sowjetunion aus der sowjetischen Besatzungszone im Osten Deutschlands entschädigt wird und Polen einen Anteil zukommen lässt.

Bis 1953 wurden nach Schätzungen etwa 3000 Betriebe demontiert und zusätzlich Güter aus laufender Produktion abtransportiert. Die
Regierung in Warschau argumentiert aber, dass Polen seinen Anteil durch Kohlelieferungen an die Sowjetunion habe ausgleichen müssen.
Außerdem seien westliche Staaten wie Frankreich und die Niederlande deutlich besser behandelt worden.

Was ist die Position der Bundesregierung zu Reparationsforderungen aus Polen?

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Für die Bundesregierung ist das Reparationsthema mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit von 1990 rechtlich und politisch abgeschlossen.

In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den vier ehemaligen Besatzungsmächten USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. Außerdem waren zahlreiche von Nazi-Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland und Polen an den Verhandlungen darüber nicht beteiligt.

Zuletzt wies Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) bei seinem Antrittsbesuch in Warschau im Dezember Polens Forderungen nach Weltkriegs-Reparationen zurück. Und er verwies darauf, dass Deutschland "sehr, sehr hohe Beiträge" zur Finanzierung des EU-Haushalts leiste. Polen ist der größte Netto-Empfänger von EU-Geldern.

Warum veröffentlicht Polen seinen Bericht zu den Kriegsschäden gerade jetzt?

Für Polens Ministerpräsident, Mateusz Jakub Morawiecki (54), ist das Thema der Reparationsforderungen noch nicht vom Tisch.
Für Polens Ministerpräsident, Mateusz Jakub Morawiecki (54), ist das Thema der Reparationsforderungen noch nicht vom Tisch.  © Kay Nietfeld/dpa

Vertreter der nationalkonservativen Partei PiS, die seit 2015 in Polen regiert, haben das Thema Reparationsforderungen immer wieder aufgebracht. 2017 entstand auf Initiative der PiS eine Parlamentskommission, die einen Bericht zur geschätzten Höhe der Kriegsschäden erarbeiten sollte. Die Veröffentlichung dieses Gutachtens wurde zwar öfters angekündigt, aber immer wieder hinausgezögert.

Im November gründete Polen zudem ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden. Damals sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki (54), das Thema Entschädigung sei nicht vom Tisch, "weil Polen sehr schlecht behandelt wurde, indem es keine Reparationen erhalten hat."

Welche möglichen Auswirkungen hat die Vorstellung des Reparationsgutachtens auf das deutsch-polnische Verhältnis?

Noch ist nicht klar, ob die polnische Regierung das Gutachten nutzen wird, um eine konkrete Forderung nach einer Geldsumme an die Bundesregierung zu richten.

Aber schon die Veröffentlichung des Berichts werde die deutsch-polnischen Beziehungen belasten, sagt Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt. "Die antideutsche Rhetorik der PiS-Regierung wird sich danach noch verschärfen."

Dies habe vor allem innenpolitische Gründe: Die PiS habe schon die Parlamentswahl im Herbst 2023 vor Augen und hoffe, sich mit Stimmungsmache gegen Deutschland ihre Kernwählerschaft zu erhalten. Nicht nur in der deutschen Politik, auch in der deutschen Öffentlichkeit werde das auf Unverständnis stoßen.

"Das schafft in Deutschland kein Vertrauen, aber dieses Vertrauen im deutsch-polnischen Verhältnis ist derzeit dringend notwendig, um der Ukraine gemeinsam zu helfen."

Stellen auch andere Länder Reparationsforderungen an Deutschland?

Ja. Griechenland hat Deutschland Anfang Juni offiziell mit einer sogenannten Verbalnote offiziell zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Die Regierung in Athen - damals noch unter dem linken Regierungschef Alexis Tsipras (48) - war dazu vom Parlament aufgefordert worden.

Eine griechische Parlamentskommission hatte die Summe für die von Deutschland verursachten Schäden im Zweiten Weltkrieg zuvor auf 289 Milliarden Euro geschätzt - inklusive einer Zwangsanleihe, die Griechenland der Deutschen Reichsbank während des Kriegs gewähren musste.

Der derzeitige konservative griechische Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis (54), hat sich die Forderung nach Verhandlungen zu eigen gemacht.

Titelfoto: Montage: EPU CAF/dpa, Kay Nietfeld/dpa

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