Kinderwunsch: Pro & Contra Mutter werden - und wo die neue Altersgrenze liegt

Ratgeber - Wann sind Frauen heute bereit für ihr erstes Kind? Fakt ist, dass sich viele von ihnen entscheiden, erst spät Mutter zu werden.

In Deutschland bekommen Frauen immer später ihr erstes Kind. Viele sogar erst mit über 40 Jahren.
In Deutschland bekommen Frauen immer später ihr erstes Kind. Viele sogar erst mit über 40 Jahren.  © 123rf.com/zven0

Laut Daten des Statistischen Bundesamtes waren Mütter in Deutschland 2019 bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich 30,1 Jahre alt. Zum Vergleich: 2009 lag das Durchschnittsalter bei 28,8 Jahren. Die Zahl der Geburten von Müttern über 40 hat sich seit 1990 sogar vervierfacht.

Mit zunehmendem Alter sinkt auch die Anzahl der Kinder pro Frau: Wie das Statistische Bundesamt im Juli 2020 mitteilte, nahm die Geburtenziffer 2019 bei 1,54 Kinder pro Frau, im Vorjahr lag sie noch bei 1,57 Kinder. Damit nahm sie erneut ab.

In einer Studie der Online-Arztpraxis ZAVA in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Splendid Research wollten die Forscher nun wissen, aus welchen Gründen Frauen immer später eine Familie gründen. Außerdem, weshalb sie auf eine Schwangerschaft ganz verzichten oder diese vertagen. Und welche Rolle die Möglichkeiten der modernen Medizin dabei spielen.

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Befragt wurden 1004 Frauen in Deutschland im Alter von 18 bis 50 Jahren. Aufgrund zahlreicher Antworten muss man sich auch fragen, ob Deutschland ein kinderfreundliches Land ist.

Für viele Frauen ist die Mutterschaft zu teuer

Frauen mit Kind haben nicht selten Stress, das richtige Verhältnis zwischen Familie und Beruf herzustellen.
Frauen mit Kind haben nicht selten Stress, das richtige Verhältnis zwischen Familie und Beruf herzustellen.  © 123rf.com/ seventyfour74

Denn: Viele kinderlose Frauen empfinden die Mutterschaft als teuer. Für 31 Prozent von ihnen sind also die hohen Kosten ein Grund, sich gegen eigene Kinder zu entscheiden.

Doch auch für Frauen, die bereits Mütter sind, ist die finanzielle Situation ausschlaggebend: 24 Prozent von ihnen sehen das als Grund gegen ein weiteres Kind an.

Interessant ist auch, dass der Anteil unter Akademikerinnen besonders hoch ist: Hier nannten 39 Prozent ohne Kinder die hohen Kosten als Hindernis. Dabei gab es regionale Unterschiede: In Hamburg gaben Frauen verhältnismäßig häufiger (41 Prozent) an, aufgrund des Geldes auf ein Kind zu verzichten als anderorts. Auf die Hansestadt folgten das Saarland (40 Prozent) und Hessen (38 Prozent).

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Für Frauen in Bremen, Schleswig-Holstein und Sachsen ist die persönliche finanzielle Situation am wenigsten ausschlaggebend.

Doch wie viel kostet ein Kind tatsächlich?

Bis zum 18. Lebensjahr kostet ein Kind 126.000 Euro

Will das eigene Kind studieren, steigen die Kosten. Das ist vor allem für Mütter mit geringem Einkommen ein Problem.
Will das eigene Kind studieren, steigen die Kosten. Das ist vor allem für Mütter mit geringem Einkommen ein Problem.  © 123rf.com/dolgachov

Das Statistische Bundesamt schätzte 2013 (aktuellere Zahlen sind nicht vorhanden) die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für ein Kind auf 660 Euro. Mit zunehmendem Alter des Kindes steigen die Kosten: von 587 Euro (1 bis 6 Jahre) auf 784 Euro (12 bis 18 Jahre).

Dementsprechend müssen Eltern bis zum 18. Lebensjahr 126.000 Euro für die Versorgung ihres Kindes aufwenden.

Darin enthalten sind die materielle Versorgung (Wohnung, Einrichtung, Ernährung, Kleidung etc.) und Ausbildungskosten. Teuer wird es für die Eltern vor allem dann, wenn das Kind studiert.

Das wiederum ist ein Grund, weshalb sich vor allem Geringverdienerinnen sorgen, diese Kosten nicht stemmen zu können. Bei den Frauen mit einem Jahresgehalt unter 20.000 Euro gaben 38 Prozent (ohne Kinder) bzw. 28 Prozent (mit Kindern) an, sich aufgrund ihrer finanziellen Situation gegen ein (weiteres) Kind zu entscheiden.

Doch das Geld allein ist nicht immer ausschlaggebend. Für viele Frauen sind auch Kind und Selbstverwirklichung offenbar nicht vereinbar.

Erst Karriere, dann Kind und Familie

Um sich im Beruf selbst zu verwirklichen, werden viele Frauen später Mutter oder gar nicht.
Um sich im Beruf selbst zu verwirklichen, werden viele Frauen später Mutter oder gar nicht.  © 123rf.com/elwynn

Der Umfrage zufolge wollen 28 Prozent der befragten (noch) kinderlosen Frauen Zeit haben, um ihre eigenen Wünsche und Träume verwirklichen. Damit steht der Wunsch nach Selbstverwirklichung auf Platz zwei der Gründe gegen das erste Kind.

Besonders hoch ist dieser Anteil bei jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren (40 Prozent), gefolgt von den 30- bis 39-Jährigen (rund 20 Prozent).

Die Ergebnisse sind das Spiegelbild eines generellen Trends hin zur Selbstverwirklichung und Anpassung der Lebensumstände an die eigenen Bedürfnisse. Diese Tendenz stammt von der "Generation Y" – dazu gehören unter anderem die Frauen, die heute zwischen 30 und 50 Jahre alt sind, die die sogenannten Millennials.

Zu ihren wichtigsten Werten zählen sie die individuelle Wahlfreiheit. Das betrifft sowohl den privaten Bereich als auch den Beruf. Für Letzteren wünschen sie sich etwa die Möglichkeit beruflicher Auszeiten und flexiblen Arbeitens. Kein Wunder also, dass auch 42 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sagen: "Erst Karriere, dann Familie."

Auch die Entscheidung, beispielsweise mit der Antibabypille zu verhüten und den Kinderwunsch somit noch aufzuschieben, spielt hier mit rein.

Doch muss es wirklich "entweder oder" sein? Fakt ist: Noch immer haben es Mütter in der Arbeitswelt schwer. Neben Einkommenseinbußen haben Mütter den Stress, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen und hier das richtige Verhältnis herzustellen.

Frauen ohne Kinderwunsch

Weitere Gründe, weshalb sich Frauen gegen ein Kind entscheiden, sind die Sorge vor dem Klimawandel, gesellschaftliche Probleme, Wirtschaftskrisen und auch die anhaltende Coronakrise. Der besorgte Blick in die Zukunft scheint weitgehend unabhängig vom Einkommen zu sein.

Hinzu kommen die Frauen (28 Prozent), die einfach kein Bedürfnis haben, Kinder zu bekommen. Besonders hoch ist der Anteil in Brandenburg (50 Prozent), Sachsen-Anhalt (45 Prozent) und Thüringen (40 Prozent).

Auch ohne einen geeigneten Partner an ihrer Seite wollen viele Frauen lieber keine Kinder. Laut Statista waren 2019 fast 2,2 Millionen Frauen in Deutschland alleinerziehend. In den seltensten Fällen entschieden sie sich von vornherein dafür, den Nachwuchs allein großzuziehen.

"Zu alt für ein Kind"

Mit zunehmendem Alter fließen Gedanken rund um die eigene Gesundheit und Fruchtbarkeit in die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft mit ein. Unter den 40 bis 49-Jährigen, die bereits Kinder haben, fühlen sich 61 Prozent zu alt für ein weiteres Kind. Von den kinderlosen Frauen sind es in derselben Altersgruppe nur 27 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter sinkt. Ab 40 Jahren sind nur noch einige Tausend Eizellen vorhanden, die zum Teil beschädigt sein können.

Künstliche Befruchtung verschiebt Altersgrenze nach oben

Sicherlich leisten auch die neuen medizinischen Methoden einen Beitrag zur späten Mutterschaft. Denn sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft. In Deutschland ist künstliche Befruchtung demnach besonders populär. Laut der Umfrage kann sich jede vierte Frau zwischen 30 und 50 Jahren einen solchen Eingriff vorstellen. Am größten ist der Anteil mit 37 Prozent bei den 30 bis 39-Jährigen.

Eine weitere Möglichkeit, den Kinderwunsch in höherem Alter noch wahr werden zu lassen, ist das Einfrieren der Eizellen. Diese lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder auftauen, befruchten und in die Gebärmutter einsetzen.

"Das Einfrieren von Eizellen ist aktuell der am schnellsten wachsender Bereich der möglichen Fruchtbarkeitsbehandlungen", sagt ZAVA-Ärztin Dr. med. Emily Wimmer. Die Erfolgsraten einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit eingefrorenen Embryonen seien inzwischen vergleichbar mit denen frischer Embryonen.

Titelfoto: Montage: 123rf.com/zven0, 123rf.com/zhuravlevab

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