Knoten soll heute platzen: Was kommt da für ein "wuchtiges" Entlastungspaket auf uns zu?

Berlin - Nach wochenlangen Debatten sollen die Bürger Klarheit über weitere Entlastungen wegen der hohen Energiepreise bekommen. An diesem Samstag kommen dafür die Koalitionsspitzen bei Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) zu entscheidenden Beratungen zusammen. Die Gewerkschaft Verdi drohte mit deutschlandweiten Protesten für den Fall unzureichender Entlastungen. Die Union forderte die Ampel zu klaren Ansagen auf.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (v.l.n.r., 43, FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne) könnten am Samstag endlich "liefern".
Bundesfinanzminister Christian Lindner (v.l.n.r., 43, FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne) könnten am Samstag endlich "liefern".  © Kay Nietfeld/dpa

CDU-Chef Friedrich Merz (66) sagte auf einer Klausur der Unions-Fraktionsspitze im oberbayerischen Murnau: "Wir erwarten, dass jetzt die Bundesregierung endlich sagt, wie sie denn in diese nächsten Wochen und Monate das Land führen will."

Verdi-Chef Frank Werneke (55) teilte mit, man bereite mit anderen Gewerkschaften und Sozialverbänden auch Demonstrationen im Laufe des Herbstes vor.

"Die werden dann notwendig, wenn die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend entlastet", sagte Werneke der Augsburger Allgemeinen. Auch Linke und AfD kündigten Proteste an.

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SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (63) schloss sich dem von Finanzminister Christian Lindner (43, FDP) ausgegebenen Ziel an, ein "wuchtiges Paket" zu beschließen. "Das muss dabei bleiben", sagte Mützenich auf einer Klausurtagung seiner Fraktion in Dresden.

Einstimmig beschlossen die SPD-Abgeordneten einen Katalog an Forderungen zur Entlastung - unter anderem Direktzahlungen, eine Preisbremse für den Grundbedarf an Energie und ein bundesweites 49-Euro-Ticket. Die Latte liegt also hoch!

Wie soll alles finanziert werden?

Verdi-Chef Werneke (55) macht Druck auf die Ampel.
Verdi-Chef Werneke (55) macht Druck auf die Ampel.  © Malte Krudewig/dpa

Wie viel sollen die Entlastungen kosten?

Verdi-Chef Werneke fordert für das laufende Jahr "noch einmal 20 bis 30 Milliarden Euro" zusätzlich. Finanzminister Christian Lindner sieht im Bundeshaushalt für dieses Jahr nur noch Spielräume im einstelligen Milliardenbereich für das Paket.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge entgegnete: "Das wird mit Sicherheit nicht im einstelligen Milliardenbereich sein, worauf sich die Koalition dort verständigen sollte." Die bisherigen zwei Pakete hatten ein Volumen von zusammen rund 30 Milliarden Euro.

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Woher soll das Geld kommen?

Die Grünen setzen auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen, eine Neuregelung der Dienstwagen-Besteuerung und eine Steuer auf übermäßige Unternehmensgewinne.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kann sich unter Umständen auch einen Nachtragshaushalt vorstellen.

Für die Steuerschätzerin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Kristina van Deuverden, deutet sich an, dass viele Unternehmen ihre Gewinnerwartungen wegen Corona zu weit nach unten korrigiert hatten - und nun Steuern nachzahlen.

Was folgt auf das 9-Euro-Ticket?

Was können die Bürger nach dem 9-Euro-Ticket erwarten?
Was können die Bürger nach dem 9-Euro-Ticket erwarten?  © Bodo Marks/dpa

Wer soll auf jeden Fall Unterstützung bekommen?

Rentner sowie Studierende sollen auf jeden Fall Unterstützung bekommen - denn eine Kritik lautete, diese bekämen bisher zu wenig. So profitieren vom Energiegeld in Höhe von 300 Euro aus dem zweiten Entlastungspaket nur Erwerbstätige.

Was wird aus dem 9-Euro-Ticket?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (52, FDP) will eine Nachfolgelösung erreichen, auch wenn die teurer sein wird als 9 Euro im Monat. Dazu will er noch Gespräche mit den Ländern über die Aufteilung der Kosten mit dem Bund führen.

Die SPD ist für ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket für 49 Euro im Monat. Das wollen die Grünen auch, ein Regionalticket sollte nach ihren Vorstellungen 29 Euro kosten.

Wie gezielt sollen die Entlastungen ausfallen?

Die SPD-Fraktion nimmt insbesondere Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen in den Blick. Die Grünen betonen, ihnen gehe es um zielgerichtete Maßnahmen. Die Fraktionsspitze schlägt Hilfen für Grundsicherungsempfänger, Familien, Menschen mit kleinen Einkommen und Renten vor.

Die FDP will beim dritten Entlastungspaket vor allem Erleichterungen für die arbeitende Bevölkerung durchsetzen.

Wie macht Scholz mit der konzertierten Aktion weiter?

Augen zu und durch: Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) muss Deutschland durch schwere Zeiten manövrieren.
Augen zu und durch: Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) muss Deutschland durch schwere Zeiten manövrieren.  © Kay Nietfeld/dpa

Bleiben noch offene Fragen?

Selbst wenn SPD, Grüne und FDP wirklich ein "wuchtiges Paket" schnüren, wie es Lindner und Mützenich wollen, dürfte die große Rechnerei losgehen, die Arbeit an Gesetzen und Fristen. Gut möglich, dass die Koalitionsspitzen noch einmal zusammenkommen.

Offen ist, ob der konzertierten Aktion von Kanzler Scholz mit DGB-Chefin Yasmin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nach dem erwarteten Entlastungspaket noch viel zu regeln bleibt.

Mitte September trifft man sich zum zweiten Mal. Aber eines ist klar: Inflation, stockende Lieferketten und der bedrohliche Arbeits- und Fachkräftemangel schaffen ein Krisenszenario, das nicht mit einem Koalitionsausschuss behoben sein dürfte.

Und mit dem Bürgergeld haben es die Koalitionsspitzen beim Thema Entlastung mit einer sozialen Großreform zu tun, bei der es nicht nur auf die Höhe der Regelsätze ankommt. Beobachter erwarten, dass auch nach Samstag genug Redebedarf bleibt.

Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa

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