Chef von sächsischem Verfassungsschutz besorgt: "Mitte der Gesellschaft bröckelt"

Dresden - Die Mitte erodiert: Laut Sächsischem Verfassungsschutz sind die Teilnehmerzahlen bei den Protesten zwar nicht mehr auf dem Niveau der Corona- und Flüchtlingskrise, Rechtsextremisten dringen aber immer tiefer in die gesellschaftliche Mitte vor. Dabei sind die Themen annähernd beliebig.

Verfassungsschutz-Chef Dirk-Martin Christian (60) sieht die gesellschaftliche Mitte bröckeln.
Verfassungsschutz-Chef Dirk-Martin Christian (60) sieht die gesellschaftliche Mitte bröckeln.  © Thomas Türpe

"Sowohl die Corona-Proteste als auch die Anti-Flüchtlings-Proteste haben zu einer Entgrenzung in der Mitte der Gesellschaft geführt", so Verfassungsschutz-Präsident Dirk-Martin Christian (60). "Rechtsextremisten propagieren Themen und finden damit Anschluss in der bürgerlichen Mitte. Die Mitte der Gesellschaft wird brüchig."

So versuchen diese aktuell, den Ukraine-Konflikt und die Energiepreise für sich zu nutzen: "Wir haben es mit Personen zu tun, die auf Themen mit Empörungspotenzial reagieren", so Christian.

"Das sind zum Teil die gleichen Leute, die schon früher gegen Flüchtlinge auf die Straße gingen. Jetzt ist ihr Thema beispielsweise die Ampel-Koalition im Bund. Die Themen sind beliebig austauschbar, sie müssen einen nur im persönlichen Leben erfassen."

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Sachsen So oft musste die Polizei in der Walpurgisnacht ausrücken

So mischte der Rechtsextremist Max Schreiber (35, "Freie Sachsen", NPD) schon 2015 bei den Anti-Asyl-Protesten in Heidenau mit, organisierte später "Corona-Spaziergänge" und macht jetzt wieder gegen Flüchtlinge in Sporbitz mobil.

Max Schreiber (35) organisiert je nach Stimmungslage Proteste gegen Corona-Maßnahmen oder Flüchtlinge.
Max Schreiber (35) organisiert je nach Stimmungslage Proteste gegen Corona-Maßnahmen oder Flüchtlinge.  © Archiv

Es tun sich Querverbindungen im rechtsradikalen Lager auf

Am 29. Oktober 2022 zogen Reichsbürger, Impfgegner und "Querdenker" gemeinsam mit Neonazis durch die Dresdner Innenstadt.
Am 29. Oktober 2022 zogen Reichsbürger, Impfgegner und "Querdenker" gemeinsam mit Neonazis durch die Dresdner Innenstadt.  © Eric Hofmann

Christian sieht auch die völkischen Siedler als eine Gefahr. Das sind Rechtsextremisten, die sich gezielt in ländlichen Gebieten ansiedeln: "Die Bevölkerung hält sie für ordentliche Leute, für fleißige junge Menschen mit Kindern", so der Behördenchef.

"Auf diese Weise verschaffen sich die Rechtsextremisten eine Akzeptanz. Doch wenn die Mehrheit sich nicht abgrenzt, haben Extremisten ein leichtes Spiel. Eines Tages fällt der reife Apfel vom Baum."

Besonders aktiv ist hierbei die Initiative "Zusammenrücken", die Umzüge aus dem Westen in den Osten propagiert: Rund um Leisnig ist dabei ein Schwerpunkt entstanden. Unter anderem der Organisator der Dresdner "Gedenkmärsche" Lutz Giesen (48) zählt zu diesem Spektrum.

Titelfoto: Montage: Thomas Türpe, Eric Hofmann^

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