Durchsuchungen, Anklagen und Knast: Das Ende der Klima-Proteste?
Leipzig/Dresden - Im Mai 2023 durchsuchten Polizisten bundesweit 15 Wohnungen von Aktivisten der sogenannten Letzten Generation. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse wollten die Ermittler beweisen, dass das eigentliche Ziel der Protestler darin besteht, Straftaten zu begehen, um sie dann als kriminelle Vereinigung nach §129 StGB anzuklagen. MDR-"exactly" widmet sich in der neuen Folge der Vergangenheit und Zukunft der Protestgruppe.

Auch gegen Mirjam Herrmann (27) aus Leipzig lag an diesem Tag ein Durchsuchungsbeschluss vor. Die 27-Jährige hatte mit einem Mitstreiter im Oktober 2022 Kartoffelbrei auf ein Gemälde des Malers Monet in Potsdam geworfen und sich darunter festgeklebt.
"Menschen sterben", hatten die beiden Aktivisten damals gerufen. "Wir sind in einer Klimakatastrophe."
Die Aktion hatte international für Schlagzeilen gesorgt. Inzwischen ist auch Hermann angeklagt, Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein, in der sie laut den Ermittlern eine zentrale Rolle eingenommen haben soll.
"Als angebliche Rädelsführerin drohen mir sechs Monate bis fünf Jahre Haft", sagt Herrmann, die bereits infolge eines Protests gegen die internationale Automobilmesse in München eine 15-tägige Ersatzfreiheitsstrafe angetreten hatte, da sie die Geldstrafe in Höhe von 750 Euro nicht hatte zahlen wollen.
Auch Christian Bläul aus Dresden saß bereits hinter Gittern

Auch der Dresdner Klimakämpfer Christian Bläul (43) saß für seinen Aktivismus schon hinter Gittern. Im April 2022 hatte er sich gemeinsam mit einem Mitstreiter Zugang auf das Gelände einer Pumpstation der transalpinen Ölpipeline in Bayern verschafft. Mit einem Handrad hatten sie den Ölfluss für fünf Stunden gestoppt.
Bevor sie über den Zaun kletterten, riefen sie den Pipeline-Betreiber an und informierten diesen über ihr Vorhaben: "Für uns war es wichtig, dass wir das als symbolische Aktion sehen", sagt Bläul. Die Polizei nahm beide mit auf die Wache, steckte sie kurz in eine Zelle und ließ sie dann gehen.
"Ein Jahr später kam dann die Hausdurchsuchung", erzählt der 43-Jährige. Im März 2025 erhielt er die 149-seitige Anklageschrift wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung der Generalstaatsanwaltschaft München.
Ursprünglich richtet sich "§129 StGB Bildung krimineller Vereinigungen" gegen Drogenkartelle, Mafia oder Extremisten. Nun sehen sich die Klimaaktivisten mit dem Paragrafen konfrontiert.
"Man fasst zwei Dinge auf die gleiche Weise an, die in der Tat nichts miteinander zu tun haben", sagt Martin Heger, Professor für Rechtswissenschaften an der Humboldt-Uni in Berlin, angesichts der Anklagen. "Die Mafia und die 'Letzte Generation'? Viel weiter auseinander könnten solche Gruppen nicht sein."
Zahlreiche Gerichtsentscheide stehen aus

Im Zug der Ermittlungen gegen die Gruppierung hörten die bayerischen Behörden auch Gespräche der Aktivisten mit Journalisten ab, die eigentlich unter dem Schutz der Pressefreiheit stehen.
Auf einer Konferenz der Innenminister der Länder im Dezember 2022 löste dieses Vorgehen eine teils heftige Kontroverse aus.
Nach langen internen Diskussionen spaltete sich die "Letzte Generation" auf. Zu Beginn dieses Jahres gründeten sich vielerorts Gruppen unter dem Namen "Neue Generation". Mit dieser Umbenennung ging eine inhaltliche Neupositionierung einher: So will man sich künftig nicht mehr ausschließlich für den Klimaschutz einsetzen, sondern versteht sich nun auch als Verfechterin demokratischer Grundwerte.
Im August 2024 wurde ein Klimakleber in Berlin zu knapp zwei Jahren Haft verurteilt. Aktuell stehen mehrere Gerichtsentscheidungen gegen Mitglieder der Bewegung aus. Auch Mirjam Herrmann wartet auf das nächste Schreiben der Staatsanwaltschaft.
Die ganze Folge MDR-"exactly" seht Ihr in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: Uncredited/Letzte Generation/AP/dpa