Kommentar zum Rammstein-Skandal: Die Causa Till Lindemann gehört verhandelt

Berlin - Kaum ein Thema beschäftigt die Medienwelt so sehr wie die mutmaßliche Missbrauchsaffäre um Rammstein-Frontmann Till Lindemann (60). Zu Recht? Ein Kommentar.

Freund von Pimmel-Kanonen und NS-Ästhetik: Till Lindemann (60). (Archivbild)
Freund von Pimmel-Kanonen und NS-Ästhetik: Till Lindemann (60). (Archivbild)  © Carsten Rehder/dpa

In Judas Iskarioths Kuss begegnet Jesus Freund und Tod zugleich. Für die harte Fanbase ist die Kritik an ihrem Idol Lindemann in erster Linie eins: Verrat. Da schlägt die Tempelpolizei gnadenlos zu und verengt den Meinungskorridor.

Auch Lindemanns Ex-Freundin Sophia Thomalla (33) stellt sich hinter den skandalumwitterten Musiker und deckt ihm den Rücken. Im Zweifel für den Zweifel, für den Angeklagten. Lindemann wies die Vorwürfe bereits am Donnerstag zurück und lässt seine Interessen anwaltlich vertreten.

Die Rechtsprechung regelt, aber Videos im Netz hinterlassen einen Nachgeschmack. Sie wirken sauer, stoßen übel auf.

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Wenn auf Reddit bereits vor Jahren ein Video erscheint, das Lindemann beim Oralsex mit zwei jungen Damen zeigt – Backstage, während eines Konzertes, übertragen auf eine Videoleinwand, für das Publikum –, oder wie er in einem anderen Clip Fans mit anzüglichen Gesten Offerten macht, stellen sich Fragen.

Diese Fragen gilt es zu verhandeln. Lindemann, das ist Tatsache, ist ein Musiker, der "ohne Gummi" besingt und Schaum mit einer Penis-Kanone ins Publikum feuert. Zugegeben: In München verzichtete er im Nachklapp der Berichterstattung darauf.

Wie das zu bewerten ist, sei dahingestellt. Indes flattern via Rammstein Anwaltsschreiben in die Medienhäuser. Manch einer mag dies als Maulkorb werten; oder als "Knebel", so ein Titel des "Dicke Titten"-Interpreten von 2019. Im begleitenden Musikvideo zieht er eine Frau in Ketten hinter sich her.

Lindemann: "Ach wie gern"

Till Lindemann (60) sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
Till Lindemann (60) sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.  © Malte Krudewig/dpa

"Hat alles seinen Grund. [...] Und manche hauchte leise: 'Nein', doch ich kannte kein Erbarmen, am Ende sollten sie's bereuen", sang sein gescholtenes lyrisches Ich zudem in "Ach wie gern". Sprechen wir hier von der Erweiterung eines narrativen Elements?

Ein Blick in die sozialen Medien würde dieser Annahme einer Umsetzung in realis entsprechen. Oder sind es nur "tiefgründig-triviale Texte und deren theatralische Umsetzung", wie Susanne Binas bereits Ende der 90er-Jahre in "Ost-West-Durchbrüche: Zur aktuellen Bedeutung des DDR-Pop-Undergrounds" schrieb?

Gibt es eine Umsetzung in die Wirklichkeit? Neu sind die Vorwürfe nicht. Lindemann geriet schon vor drei Jahren wegen des Gedichts "Wenn du schläfst" in das Kreuzfeuer der Kritik, in dem es um Vergewaltigungsfantasien ging.

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Fakt ist: Nach der #metoo-Bewegung zeigt dieser Fall erneut, dass wir wieder über ein mutmaßliches System des Machtmissbrauchs reden müssen, ohne zu ermüden.

Titelfoto: Carsten Rehder/dpa, privat (Bildmontage)

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