Geplanter "Reichsbürger"-Umsturz: Trieb QAnon-Ideologie die Gruppe an?

Berlin/Frankfurt am Main - Wenige Wochen vor dem Terror-Prozess in Frankfurt gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß (72) hat sich einer der Mitangeklagten erstmals öffentlich zu einigen Vorwürfen geäußert. Demnach wähnten sich die Umstürzler offenbar im Kampf gegen einen angeblichen Pädophilen-Ring in der Politik - eine Vorstellung, die auch in der rechtsextremen QAnon-Ideologie eine wichtige Rolle spielt.

Kopf der Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger soll Heinrich XIII. Prinz Reuß (72, r.) gewesen sein - der Adelige wurde im Dezember 2022 in Frankfurt am Main festgenommen.
Kopf der Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger soll Heinrich XIII. Prinz Reuß (72, r.) gewesen sein - der Adelige wurde im Dezember 2022 in Frankfurt am Main festgenommen.  © Boris Roessler/dpa

Konkret bestätigte der frühere Bundeswehrsoldat und Oberst a. D. Maximilian E. (65) nach Angaben des Magazins "Stern" über seine Anwältin eine "allgemeine Erkundung" im Berliner Reichstagsgebäude. Ein "Sturm auf den Reichstag" sei aber nicht geplant gewesen.

Die schriftlichen Antworten von Anwältin Ilka Lang-Seifert an den "Stern" liegen der Deutschen Presse-Agentur im Wortlaut vor. Nach Angaben des Magazins versah die Juristin sie mit dem Hinweis: "Die Antworten sind von meinem Mandanten autorisiert und stellen vollständig seine Sicht der Dinge dar."

Maximilian E. ist einer von neun Angeklagten, die ab 21. Mai in Frankfurt am Main vor dem Oberlandesgericht stehen sollen. Die Bundesanwaltschaft legt ihnen zur Last, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein oder diese unterstützt zu haben.

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Ziel soll es Ermittlern zufolge gewesen sein, die staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen.

Angebliche Jagd nach "Tätern und Vertuschern in Sachen satanistisch, rituelle Pädophilie"

Mit einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia ging die Polizei im Dezember 2022 gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe vor.
Mit einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia ging die Polizei im Dezember 2022 gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe vor.  © Uli Deck/dpa

Die Anklage wirft Maximilian E. vor, als Gründungsmitglied der Gruppe mit zwei weiteren Beschuldigten und der früheren AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann (59) im Jahr 2021 Gebäude des Deutschen Bundestags ausgekundschaftet zu haben.

Die Reichsbürger hätten geplant, "mit einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Abgeordnete des Deutschen Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen", heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft.

Maximilian E. erklärte über seine Anwältin auf Fragen des "Stern" zur Begehung am 1. August 2021: "Dies war von Herrn E. eine allgemeine Erkundung für eine ursprünglich in Betracht gezogene Option, gegebenenfalls Parlamentarier beziehungsweise Regierungsmitglieder zur Rede zu stellen", die im Zusammenhang mit einem angeblichen Pädophilen-Ring identifiziert werden sollten.

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Die Anwältin bestätigte dem Magazin zudem: "Herr E. suchte ganz grundsätzlich und generell nach Tätern und Vertuschern in Sachen satanistisch, rituelle Pädophilie (SRP) aus allen gesellschaftlichen Bereichen, auch aus der Politik bis in höchste Kreise hinein."

Suche nach angeblichen Pädophilen war Reuß-Gruppe laut Anwältin wichtig

Die Polizei durchsuchte im Dezember 2022 auch das Jagdschloss Waidmannsheil in Thüringen.
Die Polizei durchsuchte im Dezember 2022 auch das Jagdschloss Waidmannsheil in Thüringen.  © Bodo Schackow/dpa

Zu angeblichen Pädophilen-Netzwerken, die auch bei der Verschwörungsideologie QAnon eine Rolle spielen, hatte sich Maximilian E. vor seiner Festnahme auch öffentlich geäußert.

So sagte er in einem Video vom Mai 2022: "Es gibt also Politiker, die am Wochenende und möglicherweise auch während der Woche manchmal nichts anderes zu tun haben, als solche satanischen Rituale durchzuführen an kleinen Kindern oder an jungen Frauen. Die werden also festgehalten, in unterirdischen Gängen, Katakomben." Er fügte hinzu: "Das ist wirklich eine Realität, die ich beweisen kann."

Der Verdacht eines angeblichen Pädophilen-Rings in der Politik spielte nach Darstellung der Anwältin für die Reuß-Gruppe eine wichtige Rolle. Demnach vermuteten die Umstürzler, dass Enthüllungen dazu zu einem Ende der Regierung führen würden: "Wenn es sich als zutreffend erweisen sollte, dass Politiker bis in höchste Ebenen in SRP involviert sind", wäre nicht auszuschließen, dass eine Regierungsumbildung, Neuwahlen und "bis dahin eine Interimsregierung erforderlich wären", erklärte sie dem "Stern".

Im Dezember 2022 hatte es eine groß angelegte Anti-Terror-Razzia in mehreren deutschen Bundesländern und im Ausland gegen die Gruppe gegeben. Die Beschuldigten sollen Zugriff auf ein massives Waffenarsenal gehabt und bei ihren Umsturzplänen bewusst Tote in Kauf genommen haben.

Die Bundesanwaltschaft klagte insgesamt 27 Verdächtige an. Neben dem Prozess in Frankfurt soll es weitere Hauptverfahren in Stuttgart und München geben.

Titelfoto: Boris Roessler/dpa

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