Ukraine-Krieg, Tag 70: Mehr als 70 Luftangriffe binnen eines Tages

Kiew (Ukraine) - Seit nunmehr 70 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Die Europäische Union strebt deshalb einen Importstopp für russisches Öl an. Alle aktuellen Entwicklungen im TAG24-Liveticker!

Die Stadt Mariupol und das dort befindliche Stahlwerk Azovstal sind nach russischen Angriffen massiv beschädigt.
Die Stadt Mariupol und das dort befindliche Stahlwerk Azovstal sind nach russischen Angriffen massiv beschädigt.  © -/AP/dpa

Den Importstopp sieht der Vorschlag der EU-Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen vor, wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel in der Nacht zum Mittwoch erfuhr. Um den Ländern Zeit für die Umstellung geben, soll es Übergangsfristen geben.

Über der Ukraine ging am Dienstagabend ein Hagel russischer Raketen und Marschflugkörper nieder. Ziel der Angriffe war nach Kiewer Angaben die ukrainische Eisenbahn und deren Stromversorgung, um den Nachschub an Waffen für die Ukraine zu unterbrechen.

CDU-Parteichef Friedrich Merz (66) will nach seinem Besuch in Kiew und einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) zurück nach Deutschland fahren.

Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist
Ukraine Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist

Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Dienstag nachlesen. Alle Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Mittwoch, dem 4. Mai, gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

22.15 Uhr: Moskau kündigt Feuerpause für weitere Evakuierungen aus Mariupol an

Russland hat eine Feuerpause und einen vorübergehenden Rückzug der eigenen Truppen für weitere Evakuierungen von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol angekündigt.

Am Donnerstag, Freitag und Samstag sollten jeweils von 8 Uhr bis 18 Uhr Ortszeit (7 Uhr bis 17 Uhr MESZ) sogenannte Fluchtkorridore eingerichtet werden, teilte der vom russischen Verteidigungsministerium eingerichtete Koordinierungsstab für humanitäre Maßnahmen am Mittwochabend mit.

"Während dieser Zeit stellen Russlands Streitkräfte und die Formationen der Volksrepublik Donezk jegliche Kampfhandlungen ein, die Einheiten werden auf eine sichere Entfernung zurückgezogen", heißt es in der Mitteilung. Aus dem Stahlwerk Azovstal gerettete Zivilisten dürften anschließend selbst entscheiden, ob sie in der Ukraine bleiben oder nach Russland gebracht werden wollen.

Seit Tagen steigt Rauch aus dem Stahlwerk Azovstal auf. Ab dem morgigen Donnerstag soll es jedoch Feuerpausen geben.
Seit Tagen steigt Rauch aus dem Stahlwerk Azovstal auf. Ab dem morgigen Donnerstag soll es jedoch Feuerpausen geben.  © AFP/Andrey Borodulin

21.50 Uhr: Raketenangriff auf Zentrum von Großstadt Dnipro

Auf das Zentrum der ostukrainischen Großstadt Dnipro hat es Behördenangaben zufolge einen russischen Raketenangriff gegeben.

Dabei sei die Eisenbahninfrastruktur getroffen worden, sagte Bahnchef Olexander Kamyschin am Mittwochabend. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

Explosionen - teils durch die Flugabwehr - wurden auch aus den Gebieten Kiew, Odessa, Tscherkassy, Kirowohrad und Saporischschja gemeldet. Am Abend gab es im gesamten von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet für längere Zeit Luftalarm.

Offenbar wurde Eisenbahninfrastruktur in Dnipro (Foto zeigt Hauptbahnhof) bei einem Angriff zerstört.
Offenbar wurde Eisenbahninfrastruktur in Dnipro (Foto zeigt Hauptbahnhof) bei einem Angriff zerstört.  © AFP/Ed Jones

21 Uhr: Russland meldet mehr als 70 Luftangriffe binnen eines Tages

Russlands Armee hat eigenen Angaben zufolge binnen eines Tages das Nachbarland Ukraine insgesamt 77 Mal aus der Luft angegriffen.

Dabei seien am Mittwoch bis zu 310 ukrainische Kämpfer getötet und 36 Einheiten Militärtechnik zerstört worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow. Unabhängig überprüfen ließen sich die Aussagen nicht. Konaschenkow berichtete unter anderem vom Abschuss sechs ukrainischer Drohnen über dem ostukrainischen Gebiet Luhansk und der Schlangeninsel im Schwarzen Meer.

Zudem seien vier Stellungen der ukrainischen Artillerie sowie drei Munitionsdepots mit Raketen angegriffen worden, hieß es weiter. Bei Popasna im Gebiet Luhansk sei darüber hinaus ein in den USA hergestelltes Artillerieradar-System zerstört worden.

77 Mal griff Russland am Mittwoch die Ukraine an.
77 Mal griff Russland am Mittwoch die Ukraine an.  © AFP/Yuriy Dyachyshyn

20.10 Uhr: Scholz will Gespräche auch mit Putin fortsetzen

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) wird nach eigener Aussage weiterhin auch mit dem russischen Präsident Wladimir Putin (69) reden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (44) hatte am Dienstag mit Putin telefoniert. Auf die Frage, ob er auch entsprechende Pläne habe, verwies Scholz am Mittwoch in Berlin auf viele Gespräche mit den Präsidenten der Ukraine und Russlands. Diese seien richtig gewesen. "Und selbstverständlich werde ich die auch fortsetzen. Die Situation ist aber wie sie ist und was gegenwärtig stattfindet, darüber dürfen wir uns keinerlei Illusionen machen", fügte er hinzu.

Der russische Präsident verfolge unverändert eine Zielrichtung, die nicht hingenommen werden könne und die in die Irre führe, sagte Scholz. Ein Friede könne nur gewonnen werden, wenn sich Russland darauf einlasse, mit der Ukraine eine Vereinbarung abzuschließen, die diese selbst unterstütze. "Ein Diktatfrieden wird nicht funktionieren." Der Bundeskanzler nannte die Situation "unverändert bedrohlich" und "dramatisch" und forderte Putin zu einem Ende der Kampfhandlungen auf: "Russland soll sofort die Waffen schweigen lassen."

20 Uhr: US-Militär trainiert ukrainische Soldaten auch in Grafenwöhr

Die USA bilden ukrainische Soldaten auch auf dem US-Militärstützpunkt im oberpfälzischen Grafenwöhr mit westlichem Kriegsgerät aus.

"Wir trainieren in Grafenwöhr", sagte ein Vertreter des US-Militärs am Mittwoch. Aktuell werden dort demnach 50 bis 60 Soldaten an Artilleriesystem ausgebildet. Die Soldaten kämen gruppenweise: Aktuell werde in Grafenwöhr die zweite Gruppe ausgebildet. Deshalb sei es schwierig, konkretere Zahlen zu nennen. "Wir bilden eine angemessene Anzahl von Personen für die Systeme aus, die wir haben", hieß es weiter.

19.45 Uhr: Öl-Embargo der EU gegen Russland offiziell vorgestellt

Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland müssen sich auf noch teurere Zeiten vorbereiten: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63, CDU) präsentierte am heutigen Mittwoch das nunmehr sechste Sanktionspaket der Europäischen Union.

Der wahrscheinlich wichtigste Punkt darin: ein EU-weites Einfuhrverbot für russisches Öl. Innerhalb von sechs Monaten sollen alle Lieferungen von Rohöl einschlafen, innerhalb von acht Monaten die der Erdölprodukte. Die Ölpreise und infolgedessen die Spritpreise an der Tankstelle könnten dadurch deutlich steigen.

Was das bedeutet und was noch kommt, lest Ihr im TAG24-Artikel "EU-Kommission bereitet Russen-Öl-Stopp vor: Explodieren jetzt die Preise an der Tankstelle (noch mal)?".

Die EU präsentierte am heutigen Mittwoch ihr sechstes Sanktionspaket.
Die EU präsentierte am heutigen Mittwoch ihr sechstes Sanktionspaket.  © dpa/Philipp von Ditfurth

19.40 Uhr: Göring-Eckardt für EU-Aufnahme der Ukraine

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (56, Grüne), plädiert für eine Aufnahme der Ukraine in die EU.

"Die Ukraine sollte schnellstmöglich den Kandidatenstatus erhalten und, sobald die formalen Kriterien erfüllt sind, auch offiziell zur EU gehören", sagte die aus Thüringen stammende Grünen-Politikerin der Thüringer Allgemeine (Donnerstag). "Wir müssen mit der Ukraine eine echte, robuste, wirtschaftliche sowie politische Partnerschaft auf Augenhöhe eingehen und so ihre Stabilität auch in der Zukunft sichern."

Auf die Frage, ob eine rasche Aufnahme der Ukraine nicht auf den Kriegseintritt der EU hinauslaufe, sagte Göring-Eckardt, ein Beitritt sei ein jahrelanger Prozess. Die deutsche Bundesregierung sollte der Ukraine dabei helfen, dass sie die formalen Kriterien für den EU-Beitritt erfüllen könne.

19.30 Uhr: Bulgarien will ukrainische Militärtechnik reparieren

Das Nato- und EU-Mitglied Bulgarien will nun Militärtechnik aus der Ukraine reparieren, doch weiter keine Waffen an Kiew liefern.

Das entschied das Parlament am Mittwoch in Sofia, nachdem ein entsprechender Brief des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eingebracht wurde. Auch die anderen Punkte seiner Wunschliste wurden gebilligt - wie etwa Export von Getreide aus der Ukraine über den bulgarischen Schwarzmeerhafen Warna, weitere humanitäre Hilfe sowie Unterstützung eines EU-Beitritts der Ukraine.

18.10 Uhr: Biden will mit G7-Verbündeten über weitere Sanktionen beraten

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Öl-Embargo gegen Russland will US-Präsident Joe Biden (79) mit Verbündeten über weitere mögliche Sanktionen gegen Moskau beraten.

"Ich werde diese Woche mit den Mitgliedern der G7 darüber sprechen, was wir tun oder nicht tun werden", sagte Biden am Mittwoch am Rande eines Auftritts im Weißen Haus. "Wir sind immer offen für zusätzliche Sanktionen."

Zur G7-Gruppe führender demokratischer Industrienationen gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland. Außerdem ist Japan Teil der Gruppe. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die USA, die anderen G7-Staaten und weitere Verbündete harte Sanktionen verhängt.

US-Präsident Joe Biden (79) will sich über neue Sanktionen beraten.
US-Präsident Joe Biden (79) will sich über neue Sanktionen beraten.  © AFP/Saul Loeb

17.55 Uhr: Blockierer von Öl-Embargo machen sich mitschuldig an russischen Verbrechen

EU-Staaten, die ein geplantes Öl-Embargo gegen Russland blockieren, machen sich nach den Worten des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba (41) mitschuldig an mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.

"Wenn irgendein Land in Europa sich weiterhin gegen ein Einfuhrverbot für russisches Öl stellt, kann man mit Fug und Recht sagen, dass dieses Land mitschuldig ist an den Verbrechen, die Russland auf ukrainischem Territorium verübt", sagte Kuleba am Mittwoch.

Die EU-Kommission hatte zuvor die schrittweise Einführung eines Importstopps für russisches Öl bis zum Jahresende vorgeschlagen. Ungarn meldete umgehend Vorbehalte an, auch die Slowakei und Tschechien pochten auf Nachbesserungen. Die EU-Staaten können Sanktionen aber nur einstimmig billigen, weshalb ein schneller Embargo-Beschluss nicht in Sicht ist.

Titelfoto: AFP/Yuriy Dyachyshyn

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