Leipzig: Obdachlose trauern um ermordete Nicky (†25)

Leipzig - Die Macher der RTLZWEI-Reportage "Hartes Deutschland" schockieren mit dem Überlebenskampf drogenabhängiger Menschen, die größtenteils obdachlos sind. Sie wollen aufklären und vor allem warnen. Im Rahmen der zweiten Staffel kamen sie auch zurück nach Leipzig. Und mussten mit den Protagonisten über den Mord an einer ihrer Freundinnen (†25) sprechen.

Benny (30) wacht nach einer Nacht auf einer Laderampe am Leipziger Hauptbahnhof auf.
Benny (30) wacht nach einer Nacht auf einer Laderampe am Leipziger Hauptbahnhof auf.  © RTLZWEI/Spiegel TV

Schätzungsweise 400 Menschen leben in Leipzig auf der Straße. Einige von ihnen sind teilweise schwerst drogenabhängig - ohne Antrieb und Perspektive, aus dem selbstzerstörerischen Strudel zu entkommen. 2018 und 2019 starben jeweils zehn von ihnen.

Für die zweite "Hartes Deutschland"-Staffel kehrte das Kamerateam zurück in die Messestadt. Es begleitete die Wohnungslosen u.a. während des Corona-Lockdowns, in dem das Betteln nicht mehr möglich war. 

Es gab ein Wiedersehen mit Enrico (40). Der ehemals erfolgreiche Boxer fährt in eine Entzugsklinik ins thüringische Stadtroda, denn er will ein geregeltes Leben zurück. Innerhalb von fünf Monaten wagt er den dritten Entzugsanlauf.

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"Alles ordnet sich der Droge unter. Sie bestimmt dein Leben. Ich bin froh, wenn die Scheiße vorbei ist." 

Auch René treffen wir in einer der Baracken am Hauptbahnhof wieder. Wegen eines Abszesses an der Hüfte (Eiteransammlung, häufige Nebenwirkung bei intravenösem Drogenkonsum) wurde er zweimal im Uniklinikum operiert. Seine geklammerte Wunde hält er ungeniert in die Kamera. Er spielt mit dem Gedanken, sich die Klammern selbstständig zu entfernen und appelliert an die Zuschauer: "Lasst die Pfoten von Drogen!"

Benny (30) bricht stationären Entzug nach nicht einmal zwei Tagen wieder ab

Jason hat vor wenigen Tagen seinen 18. Geburtstag gefeiert. Nun ist er volljährig und bekommt kein Taschengeld mehr von seinen Betreuern.
Jason hat vor wenigen Tagen seinen 18. Geburtstag gefeiert. Nun ist er volljährig und bekommt kein Taschengeld mehr von seinen Betreuern.  © RTLZWEI/Spiegel TV

Renés Halbbruder André (36), der bekannte Schnorrer mit der Angel, muss mit seinen Kumpels die alten Lokschuppen und leerstehenden Trafohäuschen bald verlassen. Denn auf dem Gelände an der Eutritzscher/Delitzscher und Theresienstraße entsteht ein komplett neues Neubauviertel (TAG24 berichtete). 

"Die hätten hier einen schönen Park hinbauen können. Aber jetzt kommen Hochhäuser, Garagen und Hotels - alles, was wir schon genug haben", ärgert er sich. 

Jason hingegen ist kürzlich volljährig geworden. Der 18-Jährige, der durch seinen jahrelangen Drogenkonsum immer aggressiver wurde, will sich helfen lassen. "Ich bin bereit, einen Entzug zu machen. Ich möchte verf*ckt noch mal mein Leben in den Griff zu bekommen. Mir geht es psychisch und körperlich scheiße." Er denkt daher über stationären Entzug nach.

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Benny (30), in der ersten Staffel noch eitel und oft gut gekleidet mit Hemd unterwegs, kämpft nach einer kalten Nacht auf dem harten Boden einer Laderampe mit Entzugserscheinungen. Direkt nach dem Aufstehen schnürt er sich mit einem Absperrband den Arm ab und gibt sich den ersten Schuss des Tages.

Bei einer zurückliegenden Kontrolle, so erzählt der 30-Jährige, fand die Polizei ein Tütchen mit Heroin in seiner Federmappe. Er sollte mit aufs Revier und dort die Anzeige wegen Drogenbesitzes unterschreiben. Dann aber wurde ein Eilverfahren beim Haftrichter beantragt, der ihm zusätzlich zu seinen bestehenden zweieinhalb Jahren Bewährung noch mal sieben Monate aufbrummte. 

Der Haftrichter legte ihm ärztliche Behandlung nahe. "Ich will ja auch Entgiftung und Langzeittherapie machen." Am selben Tag machte er tatsächlich einen Termin in einer Entgiftungsklinik, kehrte von dort aber schon nach anderthalb Tagen zurück. Er ist damit einer von knapp 40 Prozent der Heroinabhängigen, die eine stationäre Therapie vorzeitig abbrechen.

Brutaler Mord an obdachloser Nicky: 25-Jährige wurde der Kopf eingeschlagen

Nicky (r.) mit ihrem Anvertrauten Jason (18). Die 25-Jährige wurde Mitte März 2020 ermordet aufgefunden.
Nicky (r.) mit ihrem Anvertrauten Jason (18). Die 25-Jährige wurde Mitte März 2020 ermordet aufgefunden.  © Screenshot/YouTube/RTLZWEI

Ebenfalls in der ersten Staffel zu sehen war eine obdachlose Frau, die im Obdachlosenmilieu unter dem Namen Nicky bekannt war.

Der crystalabhängige Jason nahm die 25-Jährige damals unter seine Obhut, weil das Leben auf der Straße vor allem für Frauen noch größere Gefahren birgt. Er fand mit ihr in einer alten Maschinenfabrik im Stadtteil Plagwitz Unterschlupf. 

Als hätte er es geahnt, sollte Nicky tatsächlich etwas Schlimmes zustoßen. Am 15. März wurde ihre schlimm zugerichtete Leiche neben einem leerstehenden Bahngebäude gefunden (TAG24 berichtete). Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts des Totschlags. 

Ihre Kumpels Eva (20) und Chris (36) sind geschockt. "Sie war meine bessere Schwester. Sie hat mir sehr viel bedeutet", so die 20-Jährige. In der Szene soll sich herumsprechen, dass sie vor ihrem Tod sexuell missbraucht worden sein soll. Chris: "Sie fehlt halt irgendwie."

André erzählt, dass Nicky damals durch einen Wohnungsbrand obdachlos wurde und anfing, Crystal Meth zu konsumieren. "Am Ende war sie so fertig, man konnte kein normales Gespräch mehr mit ihr führen." Er hofft, "dass sie das Schwein kriegen. Sowas hat hier nichts auf der Straße zu suchen."

Eva (20, l.) und Chris (36) trauern um ihre Freundin Nicky (†25).
Eva (20, l.) und Chris (36) trauern um ihre Freundin Nicky (†25).  © RTLZWEI/Spiegel TV

Die aktuelle "Hartes Deutschland"-Folge findet Ihr zum Nachschauen auf TVNOW

Titelfoto: Bildmontage: dpa/Sebastian Willnow, Screenshot/YouTube/RTLZWEI

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