Cyber-Killer "White Tiger": Deswegen waren den Ermittlern zwei Jahre die Hände gebunden

Hamburg - Am Mittwoch erschütterte der Fall "White Tiger" ganz Deutschland. Nach fast zwei Jahren Ermittlung hatten Beamte in der Nacht zu Dienstag einen 20-jährigen Hamburger verhaftet, dem über 120 Straftaten vorgeworfen werden. Darunter der Mord an einem 13-Jährigen.

Die Gruppe "764" zwang ein Mädchen dazu, mit ihrem eigenen Blut Tic-Tac-Toe zu spielen und machte davon Aufzeichnungen. "White Tiger" (r.) soll ein Kopf des Netzwerks sein.
Die Gruppe "764" zwang ein Mädchen dazu, mit ihrem eigenen Blut Tic-Tac-Toe zu spielen und machte davon Aufzeichnungen. "White Tiger" (r.) soll ein Kopf des Netzwerks sein.  © Fotomontage: Staatsanwaltschaft Hamburg

Es ist kaum auszuhalten, allein den Schilderungen der Ermittler zu folgen. Was White Tiger und seine Gruppierung "764" Kindern angetan haben soll, ist entsetzlich, unvorstellbar.

Seit Februar 2023, als das FBI dem Hamburger Landeskriminalamt Informationen über den Deutsch-Iraner zuspielte, wussten die Ermittler, was für ein Monster hinter der Fassade eines modernen Einfamilienhauses in Hamburg-Wandsbek sein Unwesen trieb.

Im September 2023 stürmten die Beamten schließlich das Haus, durchsuchten es, und fanden neben Tierkadavern fast zwölf Terabyte an Videomaterial, welches so grausame Szenen offenbarte, dass die Ermittler während der Sichtung psychologisch betreut werden mussten.

Blutige Auseinandersetzung auf Partymeile: Zwei Personen verletzt
Hamburg Crime Blutige Auseinandersetzung auf Partymeile: Zwei Personen verletzt

832 Screenrecords, also Bildschirmaufnahmen davon, was den Kindern angetan wurde. 127 Stunden unvorstellbare Gewalt, die von den Ermittlern teilweise im Sekundentakt analysiert werden mussten. Bildmaterial, welches laut Generalstaatsanwalt Dr. Jörg Fröhlich (65) "mitunter menschliches Vorstellungsvermögen um einiges überstieg".

Doch das Einzige, was sie zu diesem Zeitpunkt machen konnten, war eine Gefährderansprache. Mehr nicht. Nur eine Ansage, dass man ihn im Auge habe, über seine Taten Bescheid wisse.

Der Fall "White Tiger" ist rechtliches Neuland

Zusammen mit seinen Eltern und einem Bruder soll der 20-Jährige in diesem Haus gelebt haben.
Zusammen mit seinen Eltern und einem Bruder soll der 20-Jährige in diesem Haus gelebt haben.  © NEWS5 / René Schröder

Durch die akribische Arbeitsweise habe beispielsweise die Dokumentation einer 75-minütigen Sequenz, an deren Ende der Beschuldigte eine jugendliche Geschädigte dazu brachte, sich ein Messer vaginal einzuführen, ganze 17 Arbeitstage gedauert, erläuterte der Generalstaatsanwalt.

Gleichzeitig mussten die Ermittler in die sadistische Community vordringen, verdeckt ermitteln, in Deutschland und im europäischen Ausland.

"White Tiger" musste nachgewiesen werden, "dass er die Tatherrschaft über die äußerlich eher eigenverantwortlich anmutenden Selbstverletzungen und Selbsttötungen hatte", so Fröhlich. Und das sei in dieser Massivität nach seinem Dafürhalten rechtliches Neuland.

SEK-Einsatz in Hamburg: Kräfte stürmen Reihenhaus, Hintergrund unklar
Hamburg Crime SEK-Einsatz in Hamburg: Kräfte stürmen Reihenhaus, Hintergrund unklar

Für Jan Hieber, Leiter des Landeskriminalamtes Hamburg und selbst Vater, eine qualvolle Zeit des Ausharrens. Der Tatverdächtige konnte nur umfassend observiert werden, seine Aktivitäten im Internet zu verfolgen, war den Ermittlern nicht möglich. Erst Ende Mai konnten die Beamten einen Haftbefehl erwirken und schlugen dann zu.

Titelfoto: Fotomontage: Staatsanwaltschaft Hamburg

Mehr zum Thema Hamburg Crime: