"Sie saß auf dem Klo": Stalker versteckt sich 22 Stunden unterm Bett und ersticht dann Sophie (†23)

Dessau-Roßlau/Hannover - Dieser Fall ist an Tragik schwer zu übertreffen. Im Januar 2020 wird Sophie N. (†23) in ihrer Wohnung von einem Stalker erstochen. Monatelang terrorisierte er die Flugbegleiterin, doch dass ausgerechnet ihr Ex-Arbeitskollege dahintersteckt, ahnte niemand.

Die Flugbegleiterin Sophie N. (†23) wurde am 11. Januar 2020 erstochen.
Die Flugbegleiterin Sophie N. (†23) wurde am 11. Januar 2020 erstochen.  © Screenshot/Facebook

In der neu bei RTL+ erschienenen Doku "Tödlicher Schatten - Der Fall Sophie" wird der Stalking-Fall, der sich zu einem Mord entwickelte, beleuchtet. Familienmitglieder und Freunde kommen zu Wort, Sprachnachrichten, Fotos und Videos von ihr werden gezeigt und auch Aussagen des Täters sind enthalten.

Sophie N. wollte seit ihrer Kindheit Flugbegleiterin werden. Zunächst jobbte sie in ihrer Heimatstadt Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) aber in der Kinderabteilung eines Modegeschäfts, lernte dort Patrick S. (36) kennen, der später zu ihrem Mörder werden sollte.

Der Horror beginnt mit zerstochenen Reifen und zerkratztem Lack am Auto ihres damaligen Freundes Daniel, dem anonym Chatverläufe von ihr und ihrem Bekannten Eike geschickt werden, woraufhin Daniel die Beziehung beendet. Aber auch den Kontakt zu Eike ließ das spätere Opfer abbrechen, weil sie ihn dafür verantwortlich macht.

Nach schrecklichem Fund bei Löscharbeiten: Zielfahnder nehmen 34-Jährigen fest
Mord Nach schrecklichem Fund bei Löscharbeiten: Zielfahnder nehmen 34-Jährigen fest

Im Januar 2018 fliegt Sophie für ein Auslandspraktikum nach Barcelona. Ihr ehemaliger Arbeitskollege Patrick S. lädt sich dorthin quasi selbst ein, will bei ihr übernachten. "Ich weiß nicht, was er von mir will. Er tatscht mich die ganze Zeit an und ich will's einfach nicht", schickt sie einer Freundin per Sprachnachricht.

Weil er immer aufdringlicher wird, geigt sie ihm ihre Meinung, woraufhin er angepisst Spanien verlässt. Zurück in Deutschland wird auch ein Reifen vom Auto ihrer Mutter Christina zerstochen. Nächtliches Dauerklingeln an der Wohnung häuft sich, S. bringt ein GPS-Gerät am Wagen an.

Doch damit nicht genug. Mehr als 50 Fake-Profile mit Sophies Bildern werden auf Social-Media-Plattformen angelegt, die Namen sind "Sophie das Schwein" oder "Saftschubse", sie bezeichnet sich scheinbar selbst als Nymphomanin. Patrick S. bearbeitet zudem Fotos von ihr so, dass beispielsweise aus einer Bikiniaufnahme ein Nacktfoto wird.

Nachgestellte Szene: Patrick S. (36) kleidete sich dunkel, zog ein Cap auf und brach in Sophies Wohnung in Hannover ein.
Nachgestellte Szene: Patrick S. (36) kleidete sich dunkel, zog ein Cap auf und brach in Sophies Wohnung in Hannover ein.  © RTL / Rick Schepker / i&u TV

Stalking-Fall Sophie N. (†23): "Mama, ich habe Angst!"

In diesem Wohnhaus in der Hannoveraner Meterstraße kam die 23-Jährige zu Tode.
In diesem Wohnhaus in der Hannoveraner Meterstraße kam die 23-Jährige zu Tode.  © Julian Stratenschulte/dpa

Am 23. September 2018 bekommt die junge Frau einen Porno zugeschickt, der nachträglich mit ihrer Stimme unterlegt wurde. Sophie reicht es, sie gibt bei der Polizei eine Anzeige auf. Die Behörde geht der Sache aus Sicht der Familie aber zu wenig nach. Bis zu 160 Anrufe innerhalb von zwei Stunden sind im Anschluss keine Seltenheit.

Wenig später entwickelt sich aus Sophie und Kumpel Eike eine Beziehung. Auf einer gemeinsamen Gassirunde fühlen sie sich von einem Kapuzen-Mann beobachtet. Wahrscheinlich war es Patrick S.

Nachdem die angehende Flugbegleiterin zu einer Schulung nach Frankfurt gefahren ist, werden ihr Fotos des ICE und eines Zimmers ihres Hotels geschickt. Sie ruft ihre Mutter an, sagt: "Mama, ich habe Angst!"

29 Jahre nach Tod von Manuela: Mit diesen Plakaten hofft die Polizei den Fall aufzuklären
Mord 29 Jahre nach Tod von Manuela: Mit diesen Plakaten hofft die Polizei den Fall aufzuklären

Sophie bekommt einen Job bei Condor in Hannover und zieht in die niedersächsische Landeshauptstadt. Weil ihr Stalker nicht weiß, wo genau sie wohnt, bringt er bei einem Heimatbesuch einen GPS-Tracker am Wagen ihres Partners Eike an.

Am Tatwochenende folgt er ihr nach Hannover, parkt seinen Wagen am nahegelegenen Maschsee, übernachtet dort. "Ich hab die Scheiben des Autos abgedunkelt, dass niemand reingucken kann", sagte er bei seinem Gespräch mit einem JVA-Psychologen am 6. Juli 2020. Am nächsten Morgen läuft er um den Block, ist schwarz gekleidet, trägt ein Cap.

Mörder Patrick S.: "Sophie hat auf der Toilette gesessen und sich erschrocken"

Ermordete die junge Stewardess: Stalker Patrick S. (36).
Ermordete die junge Stewardess: Stalker Patrick S. (36).  © Ole Spata/dpa

Er parkt sein Auto vor dem Hauseingang. Stundenlang wartet und beobachtet er die Tür, pinkelt in einen Becher, um nicht auszusteigen.

Nach einem Dschungelcamp-Abend mit zwei Freundinnen gehen die drei Mädels in einen Club feiern. Patrick S. bricht die Balkontür auf, schaut sich in der Wohnung um, nimmt BH, Slip und ein altes Handy mit. Anschließend legt er sich unter das Bett ihrer Mitbewohnerin, lauert dort stundenlang auf den perfekten Moment.

Am nächsten Mittag setzt ein Arbeitskollege die Stewardess nach einem Mittagessen gegen 13.30 Uhr daheim ab. Doch erst um 21 Uhr, knapp 22 Stunden nach seinem Einbruch, kriecht S. unter dem Bett hervor und geht ins Bad.

"Sophie hat auf der Toilette gesessen und sich erschrocken. Sie ist direkt hochgesprungen und hat sich an meinem linken Arm festgekrallt. Sie hat fürchterlich geschrien. Ich wollte, dass sie aufhört mit schreien und habe ihr den Mund zugehalten, dabei hat sie mich in Zeigefinger und Daumen gebissen", berichtet er.

Weil sie sich weiter wehrt, schlägt er auf sie ein, bis sie blutend zu Boden geht. Dann sticht er ihr mehrmals in den Hals. Sophie verblutet in ihrem Bad, wo eine Freundin, die sich um die Katzen kümmern sollte, die 23-Jährige findet.

S. fährt nach der Tat zurück nach Dessau, löscht Dateien auf seinem PC, gesteht seinen Eltern, am Vorabend eine junge Frau in Hannover erstochen zu haben und bittet sie, ihn zur Polizei zu fahren.

Christina N. verliert ihr einziges Kind: "Sophie war mein Lebensinhalt. Mir fehlt die Aufgabe als Mama"

Sophies Mutter erfährt in den Nachrichten vom Tod einer 23-Jährigen in der Hannoveraner Meterstraße. Ans Telefon geht ihre Tochter nicht. Gegen 10 Uhr klingelt die Kriminalpolizei an ihrer Tür. "Da wusste ich alles", erinnert sie sich zurück.

Wegen Mordes wird S. vom Landgericht Hannover zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt, was eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren verhindert.

"Sophie war mein Lebensinhalt. Mir fehlt die Aufgabe als Mama", sagt Mutter Christina N., die ihr einziges Kind zu Grabe tragen musste.

"Dieser Fall sollte uns alle wachrütteln", mahnt Stalking-Expertin Sandra Cegla. "Jeder Stalking-Fall hat eine tickende Zeitbombe in sich. Wir müssen alle viel genauer hinschauen."

Habt Ihr auch Probleme mit einem Stalker? Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen erreicht Ihr unter 08000 / 116016, die Nummer von "SOS-Stalking" lautet 0176/64244818.

Titelfoto: Bildmontage: RTL / Rick Schepker / i&u TV, Screenshot/Facebook

Mehr zum Thema Mord: