Ängstlicher Hund: Das kannst Du gegen Angst bei Hunden tun

Ängstliche Hunde brauchen besonders viel Aufmerksamkeit und sollten mit Samthandschuhen angefasst werden, oder? Worauf es beim Umgang mit ängstlichen Hunden ankommt, erklärt Dir dieser Hunderatgeber.

Ein ängstlicher Hund kann im Alltag eine große Belastung sein.
Ein ängstlicher Hund kann im Alltag eine große Belastung sein.  © 123RF / Damedeeso

Ein lautes Auto auf der Straße, ein schnelles Fahrrad im Park, ein Flugzeug am Himmel oder die Gäste im Wohnzimmer – es gibt nichts, wovor Hunde keine Angst bekommen können.

Angst ist ganz natürlich und sogar wichtig für Hunde, denn dieses Gefühl sichert ihr Überleben.

Doch wenn die Furcht überhandnimmt, können die Verhaltensauffälligkeiten den Hund und die Besitzer im Alltag massiv beeinträchtigen.

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Hunderatgeber Darum brauchen Hunde einen Rückzugsort - Was Hundebesitzer wissen sollten

Ein weiteres Risiko ist, dass ängstliche Hunde unter Umständen auch eine Gefahr für ihr Umfeld und sich selbst darstellen.

Um den Alltag mit Hund zu erleichtern, ist es wichtig, das ängstliche Verhalten genau zu verstehen und dem mit einem gezielten Training entgegenzuwirken.

Hat Dein Hund wirklich Angst?

Möchtest Du Deinem Hund die Angst nehmen, ist es wichtig, die Gefühle und das Verhalten Deines Hundes richtig einzuordnen.

Ist Dein unsicher, ängstlich oder ein Angsthund?

Hunde haben einen individuellen Charakter. Dieser setzt sich zusammen aus:

  • Erbanlagen
  • frühkindlichen Prägungen
  • erlerntem Verhalten
  • Erfahrungen

Eine sehr wichtige Rolle spielt die Welpenzeit. Wächst ein Hund in einer ruhigen und abgelegen Gegend auf und kommt dann in eine Stadt, können die Menschen, der Lärm und weitere Eindrücke zu viel für sein. Außerdem übernehmen Welpen die Ängste ihrer Elterntiere. Zeigt sich die Mutter ängstlich, wenn der Staubsauger an ist, dann empfinden die Welpen daraufhin das Gerät ebenso als Bedrohung.

Manche Hunde sind charakterlich einfach unsicherer als andere. Ihre Toleranz gegenüber Veränderungen, Geräuschen oder neuen Situationen ist sehr gering. Diese Tiere wissen dann oft nicht, wie sie reagieren sollen. Bei solchen Hunden ist es für Halter besonders wichtig, Sicherheit zu vermitteln. Ebenso möglich ist es, dass der Hund schlicht scheu gegenüber anderen Hunden, Tieren und Menschen ist.

Andere Hunde wiederum fürchten sich vor einem bestimmten Objekt, einer Person oder einer Situation. Sobald dieser Angstauslöser verschwunden ist, geht es ihnen wieder gut.

Ein wirklicher Angsthund ist es erst, wenn das Tier grundlegend von dem Gefühl beherrscht wird. Angsthunde sind durchweg unsicher, fühlen sich ständig bedroht, können nicht zur Ruhe kommen und reagieren unkontrollierbar heftig. Ein Trauma durch ein schlimmes Erlebnis kann den Hund zu einem Angsthund machen.

Wer die Gefühle des Hundes versteht, kann darauf angemessen reagieren.
Wer die Gefühle des Hundes versteht, kann darauf angemessen reagieren.  © Unsplash / Tom Jur

Ängstliche Hunde aus dem Ausland

Bei Hunden aus dem Ausland, welche z.B. durch Tierschutzorganisationen nach Deutschland vermittelt werden, wird oft von typischen "Angsthunden" gesprochen.

Dabei verspüren solche Tieren meist nicht direkt Angst, sondern vielmehr Überforderung und Stress.

Es ist möglich, dass Hunde aus dem Ausland traumatische Erlebnisse hatten, aber den meisten fehlt es schlicht an Sozialisation. Tiere aus dem Ausland, die vielleicht Menschenmassen, Stadtlärm und andere Situationen als Welpen nie kennengelernt haben, werden auf der Straße mit Reizen förmlich überflutet. Für viele Tiere ist das Ganze anfangs einfach zu viel.

Wer sich einen ängstlichen Hund aus dem Ausland zulegt, sollte ganz langsam und am besten in Begleitung eines professionellen Hundetrainings das Vertrauen und die Stressresistenz des Hundes aufbauen.

Hunde aus dem Ausland wirken oft ängstlich, weil sie viele Eindrücke und Reize aus ihrer Heimat nicht kennen.
Hunde aus dem Ausland wirken oft ängstlich, weil sie viele Eindrücke und Reize aus ihrer Heimat nicht kennen.  © Unsplash / Evan Clark

Anzeichen für Angst bei Hunden erkennen

Hunde zeigen durch ihre Reaktionen und Körperhaltung, wie sie sich fühlen. Auch Unsicherheit, Furcht und Angst können Besitzer an der Körpersprache ihres Hundes erkennen.

Hund hat Angst: Verhalten

Angst als grundlegendes Gefühl verspüren sowohl Hunde als auch Menschen, aber jedes Individuum reagiert anders. Psychologisch lassen sich die verschiedenen Reaktionen dennoch fünf Strategien zuordnen. Die englischen Bezeichnungen dafür sind "flight" (ausweichen/ fliehen), "freeze" (erstarren), "fight" (angreifen), "fiddle about/ flirt/ friend" (herumspielen) und "faint/ flop" (ohnmächtig werden). Letztere ist bei Hunden allerdings eher selten zu beobachten.

1) "flight"/ ausweichen

Haben Hunde Angst, versuchen einige Tiere Abstand zwischen sich und die Quelle der Angst zu bringen. Manche Hunde weichen lediglich zur Seite, andere rennen sofort weg.

Wenn der Hund fliehen will, aber nicht kann, beißt er vielleicht erst in die Leine und zeigt dann ungewöhnlich aggressives Verhalten.

2) "fight"/ angreifen

Für manche Hunde ist Angriff die beste Verteidigung. Diese Tiere knurren, schnappen, beißen oder greifen gleich mit voller Kraft an. Ist ein Hund bereit für den Angriff, reißt er die Augen auf, die Pupillen weiten sich und die Ohren sind angelegt.

3) "freeze"/ erstarren

Andere Tieren hoffen von der Bedrohung nicht wahrgenommen zu werden und erstarren. In diesem Zustand reagieren sich auch nicht auf Kommandos oder angebotenes Futter.

4) "fiddle about"/ herumspielen

Es kommt vor, dass ängstliche Hunde ihr Gegenüber zum Spielen auffordern. Wer die Tiere dann beim Spielen beobachtet, wird sehen, dass der ängstliche Hund immer wieder stehen bleibt und sich versichert, ob Gefahr droht. Auch andere Übersprungshandlungen wie Anspringen oder Rammeln sind möglich.

Manche Hunde fordern andere zum Spielen auf, obwohl sie eigentlich Angst vor ihnen haben.
Manche Hunde fordern andere zum Spielen auf, obwohl sie eigentlich Angst vor ihnen haben.  © Unsplash / Sebastian Coman Travel

Hund ist ängstlich: Körpersprache

Eine genaue Betrachtung des Hundes verrät, wie er sich fühlt.

Körperliche für Angst bei Hunden:

  • Steife Körperhaltung
  • eingezogene oder zwischen den Hinterläufen eingeklemmte Rute
  • angelegte Ohren
  • eingezogener Hals
  • eingeknickte Gliedmaßen
  • übermäßiges Hecheln
  • Zittern
  • Kopfschütteln

Die Angstzustände des Hunds solltest Du ernst nehmen, denn die Angst kann schnell zu einer Störung werden.

Anzeichen für eine Angststörung bei Hunden:

  • Appetitlosigkeit
  • Teilnahmslosigkeit
  • plötzliche Entleerung von Darm und Blase
  • Schweißausbrüche (feuchte Pfotenabdrücke)
  • übermäßiges Lecken der Pfoten
  • selbstverletzendes Verhalten
  • Haarausfall
  • Appetitlosigkeit
  • Teilnahmslosigkeit
  • übertrieben schreckhafte Reaktion

Wenn der Hund dieses Verhalten länger als vier Wochen zeigt, spricht man schon von einer Angststörung.

Warum ist Dein Hund ängstlich?

Es ist wichtig, den eigenen Hund genau zu beobachten, um herauszufinden, was genau zu dem Angstverhalten des Hundes führt.

Folgende Fragen und Gedanken können Dir helfen, die scheinbare Angst Deines Hundes zu verstehen:

  • Gibt es bestimmte Objekte, Menschen oder Situationen, welche den Hund ängstigen?
  • Gab es Veränderungen beispielsweise neue Personen, Parfum, Möbel oder Spazierroute?
  • War die Angst schon immer da? Gibt es vielleicht Verknüpfungen mit negativen oder traumatischen Erlebnissen?
  • Wie genau reagiert der Hund? Will er flüchten, verharrt er auf der Stelle, greift er an oder zeigt er Übersprungshandlungen?
  • Ist der Hund dauerhaft in diesem Zustand oder legt sich die Angst wieder?
  • Wie verhältst Du Dich in der Situation? Bist Du aufgeregt, angespannt oder gestresst?
  • Wie hast Du in der Vergangenheit auf das ängstliche Verhalten Deines Hundes reagiert?
  • Wo ist der Hund geboren und aufgewachsen? Gibt es wesentliche Unterschiede zu seiner jetzigen Situation?

Die Angst des Hundes zu verstehen und klar abgrenzen zu können, ist extrem hilfreich, wenn es darum geht, den Hund zu trainieren.

Hinweis: Es ist ratsam, den Hund tiermedizinisch untersuchen zu lassen, um Schmerzen, Hormonstörungen und andere körperliche Beschwerden als Ursachen für die Ängste des Tieres auszuschließen.

Einen ängstlichen Hund übertrieben zu trösten, bestärkt die Ängste des Tieres.
Einen ängstlichen Hund übertrieben zu trösten, bestärkt die Ängste des Tieres.  © Unsplash / Angel Luciano

Was ist zu tun, wenn der Hund ängstlich ist?

Wenn ein Hund in irgendeiner Form Angst zeigt, dann sollten Halter das auf keinen Fall ignorieren, denn Angst steigert sich. Was erst der Fahrradfahrer ist, kann bald das Auto und demnächst alles sein, was sich schnell bewegt.

Inwieweit Hundebesitzer der Angst des Hundes durch gezieltes Training entgegenwirken können, hängt von der Ursache und dem Charakter des Hundes ab.

Es kann sein, dass der Hund niemals angstfrei sein wird, aber durch Übung und Hilfestellungen wird zumindest der Alltag mit einem ängstlichen Hund entspannter.

Das solltest Du mit einem ängstlichen Hund nicht machen

Ein ängstlicher Hund kann für Hundebesitzer ziemlich anstrengend und überfordernd sein. Aus Unwissenheit heraus bestärken sie dann versehentlich den Hund in seiner Angst.

Diese Verhaltensweisen sind im Umgang mit ängstlichen Hunden meist nicht sehr hilfreich:

  • selbst Angst und Unsicherheit ausstrahlen
  • den Hund übermäßig trösten, streicheln und übertrieben viel Aufmerksamkeit schenken
  • den Hund unter Druck setzen, überfordern, ausschimpfen, schlagen und bestrafen
  • den Hund an der kurzen Leine direkt mit der Angst konfrontieren
  • an der Leine des Hundes zerren und den Hund zur Angstquelle schleifen oder tragen
  • den Fluchtweg des Hundes abschneiden und das Tier dadurch bedrängen bzw. in die Enge treiben
  • den Hund aus der Situation komplett ausbrechen lassen
  • die Angstauslöser zum Schutz des Hundes grundsätzlich vermeiden
  • den Hund für ein "lustiges" Video oder Foto erschrecken, denn das löst Stress aus und schädigt das Vertrauen
Einige dieser Empfehlungen gelten nicht für jeden Hund mit Ängsten, denn manchmal ist es z.B. wirklich nötig, die Angstauslöser zu vermeiden.

Wer sich unsicher ist, welches Verhalten im Umgang mit dem Hund angemessen ist, kann sich in einer Hundeschule Hilfe holen.

Achte darauf, dass der ängstliche Hund schwierigen Situationen nicht hilflos ausgeliefert ist.
Achte darauf, dass der ängstliche Hund schwierigen Situationen nicht hilflos ausgeliefert ist.  © Unsplash / Sabina Fratila

So kannst Du einem ängstlichen Hund helfen

Im Idealfall führst Du als Herrchen oder Frauchen in den Augen des Hundes das Rudel. Du bist seine Vertrauensperson, legst die Regeln fest, gibst dem Hund Orientierung und Sicherheit. Folglich ist es sehr wichtig, Dich stets souverän, berechenbar und vertrauensvoll gegenüber des Hundes zu verhalten.

Biete dem Hund einen strukturierten Tagesablauf mit klaren Grenzen und Regeln. Es geht nicht darum, den Hund zu drängen oder auf irgendeine Art zu überfordern, aber es ist nötig, einen konkreten Handlungsrahmen festzulegen, damit der Hund nicht nur das macht, was er will.

Erst wenn der Hund Dir im Alltag vertraut, wird er es auch in schwierigen Situationen tun.

Verhalte Dich in der angstauslösenden Situationen nicht grundlegend anders als im Alltag, denn so erkennt der Hund, dass gerade nichts Schlimmes oder Bedrohliches passiert.

Nimm die Ängste Deines Hundes durchaus wahr. Schau Dir den Gegenstand, das Feuerwerk oder dergleichen ruhig an und wende Dich anschließend wieder anderen Dingen zu.

Training und Spiele verschaffen dem Hund zusätzliche Erfolgserlebnisse und wirken sich positiv auf dessen Selbstvertrauen aus. Durch gemeinsamen Aktivitäten wird beim Hund auch das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, welches einen Gegenpart zum Stresshormon Cortisol darstellt.

Tipp: Der Kontakt zu selbstsicheren und entspannten Hunden kann unsicheren und ängstlichen Hunden mehr Selbstvertrauen geben.

Ein ängstlicher Hund kann durch gemeinsame Erfolgserlebnisse Vertrauen zu den Besitzern aufbauen.
Ein ängstlicher Hund kann durch gemeinsame Erfolgserlebnisse Vertrauen zu den Besitzern aufbauen.  © Unsplash / Richard Brutyo

Ängstliche Hunde trainieren

Hat der Hund Angst vor einem bestimmten Objekt, einer Person oder einer Situation, kannst Du diese mit viel Geduld im Training mit etwas Positivem wie z.B. Futter verknüpfen. Bei der Desensibilisierung wird der Hund langsam an den Angstauslöser gewöhnt.

Angenommen, der Hund hat Angst vor einem Föhn, dann gehst Du wie folgt vor.

1. Schritt: Der Föhn wird nicht mehr in Anwesenheit des Hundes benutzt, liegt aber im Sichtfeld des Hundes, wenn mit ihm gespielt oder er gefüttert wird. Anfangs sollte der Abstand zwischen Hund und Föhn recht groß sein. Verhält sich der Hund wie gewünscht, belohnst Du es. Nach einer Weile kannst Du den Gegenstand Stück für Stück näher holen.

2. Schritt: Nimm den Föhn in die Hand, während Du mit dem Hund spielst oder ihn fütterst. Es kann helfen, den Hund am Gerät schnuppern zu lassen. Bleibt er ruhig und zeigt keine Zeichen von Angst, wird er belohnt.

3. Schritt: Schalte den Föhn im Beisein des Hundes an. Bei diesem Schritt ist etwas Feingefühl gefragt. Vielleicht hat der Föhn mehrere Stufen, dann solltest Du die niedrigste wählen. Eine andere Variante wäre es auch, den Föhn im Nebenraum anzuschalten. Bleibt der Hund entspannt, wird er belohnt. Für den langfristigen Effekt solltest Du den Hund jedes Mal nach dem Haare föhnen, positiv belohnen.

Bei Geräuschen kann es helfen, diese einfach täglich in den Alltag zu integrieren. Auf diese Weise gewöhnt sich der Hund daran.

Wie bei jedem Training mit Hund gilt:

  • Der Hund gibt das Tempo vor.
  • Bestärke stets das gewünschte Verhalten Deines Hundes positiv.
  • Bestrafe den Hund nicht, wenn es nicht klappt.
  • Sei geduldig und nimm Dir Zeit.
  • Zwinge den Hund zu nichts.

Das Hundetraining ist ein Prozess, in welchem viel ausprobiert werden darf und auch Rückschläge erlaubt sind.

Gibt es Medikamente, die ängstlichen Hunden helfen?

Wer das Training zusätzlich mit Medikamenten unterstützen möchte, sollte möglichst auf die Anwendung von Acepromazin verzichten. Dieses Beruhigungsmittel ist in einigen Medikamenten enthalten und wird zum Teil auch von Tierärzten empfohlen.

Acepromazin hat jedoch den Nachteil, dass es die Tiere zwar körperlich ruhigstellt, aber das Gefühl der Angst auf psychischer Ebene nicht weg ist. Die Hunde sind ihrer Angst vollkommen hilflos ausgeliefert, was ein enormer Leidensdruck sein kann.

Eine beruhigende Wirkung auf Hunde hat das Pheromon Adaptil. Dieser Duftstoff vermittelt den Tieren mütterliche Geborgenheit.

Auch Aminosäuren und andere Nahrungsergänzungsmittel sorgen bei Hunden für mehr Gelassenheit.

In jedem Fall sollte man sich in einer Tierarztpraxis beraten lassen, wenn der Hund Medikamente gegen die Angst nehmen soll.

Ängste von Hunden sind meist so individuell, dass keinen Lösungsansatz gibt, der bei jedem Hund klappt. Ratsam ist es, genau zu reflektieren, was die Angst auslöst und in welcher Form sich das äußert. Mit dieser Erkenntnis und eventuell professioneller Hilfe kannst Du dem Hund helfen, seine Angst zu bewältigen.

Titelfoto: 123RF / Damedeeso

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