Kommentar: Die AfD auf Erfolgskurs - schwingende Nazi-Keulen taugen nichts!

Sonneberg/Berlin - Die Alternative für Deutschland (AfD) wird offenbar für viele Menschen immer mehr zur Alternative. Insbesondere im Osten ist die Partei derzeit stark unterwegs. Um die Erfolge auszubremsen, wird dieser Tage in Thüringen wieder mit scheinbar bewährten Mitteln gegen die AfD getrommelt - das könnte sich als Trugschluss erweisen, meint TAG24-Redakteur Carsten Jentzsch.

In Umfragen erzielt die AfD derzeit Rekordergebnisse. (Symbolbild)
In Umfragen erzielt die AfD derzeit Rekordergebnisse. (Symbolbild)  © Daniel Karmann/dpa

Warum die AfD bundesweit derzeit so gut abschneidet, Ende Juni womöglich der Landrat im thüringischen Sonneberg ein AfDler ist - der erste in Deutschland? Weil sie derzeit die einzige Partei ist, die tatsächlich eine Alternative zur aktuellen Politik, zur restlichen Parteienlandschaft verkörpert - und das vollumfänglich.

Doch statt sich der Realität zu stellen, treiben Altparteien und Medien die AfD-Mühle selbst noch kräftig mit an.

Zum Beispiel, indem den vermeintlichen Protest-Wählern auch noch ihre Intelligenz abgesprochen wird. "Wer Protest zeigen wollte, hat es getan. Jetzt geht es um Vernunft", twitterte beispielsweise Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt (46) als Reaktion auf eine Stichwahl zwischen AfD-Mann Robert Sesselmann (50) und CDU-Kandidat Jürgen Köpper (57) am 25. Juni in Sonneberg.

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Klar hat Voigt hier auch die eigene Partei-Brille auf, doch solche Aussagen könnten nach hinten losgehen. Und dann wäre da ja noch die restliche Thüringer Parteienlandschaft, aus der inzwischen die mahnenden Appelle kommen. Nach dem Motto: Bloß nicht AfD wählen! Seien Sie doch vernünftig!

Die Sonneberger, die einem AfD-Mann ihre Stimme gaben, sollen also nun wieder den Politik-Brei wählen, der ihnen übel aufstößt? Nein, viele Menschen - in Sonneberg sind es offenbar so viele, dass Sesselmann (46,7 Prozent) deutlich mehr Stimmen bekommen hat als Köpper (35,7 Prozent) - haben darauf keinen Bock mehr.

Höchste Zeit, die Fehler bei sich selbst zu suchen!

Robert Sesselmann (50, AfD) fehlte am vergangenen Sonntag nicht viel, um als erster AfD-Landrat Deutschlands in die Geschichte einzugehen. Inzwischen wird kräftig getrommelt, dass man ihm in der Stichwahl in Sonneberg kein Kreuzchen gibt. (Archivbild)
Robert Sesselmann (50, AfD) fehlte am vergangenen Sonntag nicht viel, um als erster AfD-Landrat Deutschlands in die Geschichte einzugehen. Inzwischen wird kräftig getrommelt, dass man ihm in der Stichwahl in Sonneberg kein Kreuzchen gibt. (Archivbild)  © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Und das sollte man akzeptieren, anstatt nun weiter mahnend den Finger zu heben. Realität akzeptieren bedeutet auch, sich eigene Fehler einzugestehen, sich zu hinterfragen, was man besser machen könnte - wie man sich von der AfD nicht den Rang ablaufen lässt.

Eine Quintessenz sollte - aus Sicht der Altparteien - zumindest ganz oben stehen: Man sollte sich tunlichst davor hüten, weiterhin den Volkspädagogen zu mimen. Die Leute, die AfD wählen, sind die Leute, welche die Altparteien wegen ihrer Politik verloren haben. Und dann fällt nichts Besseres ein, als dem Michel in Südthüringen - etwas plump ausgedrückt - auch noch dumm zu kommen?

So etwas könnte sich wahrlich als verzweifelter und dummer Rückholversuch entpuppen. Doch abgerechnet wird am 25. Juni. Bei einer Stichwahl, zu der es kommt, weil Sesselmann die absolute Mehrheit knapp verfehlte.

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Dass es dazu kommen konnte, daran ist auch die deutsche Medienlandschaft mitverantwortlich, in der zu häufig Anti-AfD-Rahmen gesetzt werden, eine Partei in der Regel auf extremistische Ansichten reduziert wird. Nur um eines klar zu stellen: Ich stelle nicht in Abrede, dass es in der AfD Menschen gibt, die extremistische Ansichten vertreten.

Gleichzeitig aber sagt mir mein Menschenverstand, dass auch andere Teile der Parteienlandschaft von Extremismus befallen sein können! Ich bin der Ansicht: Extremismus ist wie Schimmel, der in allen politischen, gesellschaftlichen Wänden auf exzellenten Nährboden trifft!

Störanfällige Ampel

Eine Mehrheit war laut ZDF-Politbarometer Ende Mai der Ansicht, die Ampel-Regierung um Kanzler Olaf Scholz (r., 64, SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (l., 53, Grüne) macht eher schlechte als gute Arbeit. (Archivbild)
Eine Mehrheit war laut ZDF-Politbarometer Ende Mai der Ansicht, die Ampel-Regierung um Kanzler Olaf Scholz (r., 64, SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (l., 53, Grüne) macht eher schlechte als gute Arbeit. (Archivbild)  © Bernd von Jutrczenka/dpa

Am Ende aber müsste es darum gehen, den Fokus darauf angemessen einzustellen - in der Parteien- wie in der Medienlandschaft. Mit mutmaßlichen Vernunftsappellen und schwingenden Nazi-Keulen holen Politiker oder Redakteure, die sich plötzlich mal wieder in einem hypermoralischen Anfall zu Pädagogen aufschwingen, jedenfalls keine verlorenen Wähler zurück - im Gegenteil! Mit dieser voreingenommenen Ausgrenzung kurbeln sie langfristig eher die eigene Abwärtsspirale weiter an.

Von einem "Umfrage-Schock" war zuletzt immer wieder die Rede. Ja, ein Schock sind die Umfrage-Ergebnisse wahrlich - und zwar für die Altparteien! Für die Ampel! Ein Wahlerfolg der AfD in Sonneberg wäre auch Ausdruck eines Abgesangs einer gescheiterten Regierung.

Einer Regierung, in der die Linke innerlich zerrissen ist, unter anderem, weil ein Parteimitglied - Sahra Wagenknecht (53) - sagt, was sie denkt, realitätsfremde Grüne für Waffenlieferungen in die Ukraine stimmen, obwohl sie ja eigentlich gegen Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete sind, fragwürdige Vorhaben in Sachen Energiewende debattiert werden, die Graichen-Affäre, ein mehr als unglücklich wirkender Wirtschaftsminister, dazu ein ausdruckslos anmutender und als führungslos kritisierter Kanzler, und, und, und.

Hinzu kommen generell Verschiebungen im parteipolitischen Feld, wodurch sich manch Stamm-Wähler einer Partei nicht mehr so recht einzuordnen weiß. Nicht auszuschließen, dass auch einige Stamm-Wähler inzwischen AfD wählen.

Und die wollen im Moment wohl nur eines: Eine störanfällige Ampel austauschen - eine Ampel, die zu oft Grün leuchtet, wo sie Rot leuchten sollte - und Rot, wenn Grün angebracht wäre.

Titelfoto: Daniel Karmann/dpa/Montage

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