Chemnitzer Eingemeindungs-Serie, letzter Teil: Röhrsdorf - Zwischen Bauernhof und Einkaufs-Tempel

Chemnitz - In der neuen TAG24-Serie beschäftigen sich Ortsvorsteher der Ex-Dörfer, die mittlerweile zu Chemnitz gehören, damit, was ihnen die Eingemeindung gebracht hat. Im letzten Teil geht's um den Stadtteil Röhrsdorf.

Der Blick vom Goetheweg in Röhrsdorf reicht über den Ort bis zum roten Dach des Schulgebäudes, hinter dem die Felder beginnen, bis nach Wittgensdorf.
Der Blick vom Goetheweg in Röhrsdorf reicht über den Ort bis zum roten Dach des Schulgebäudes, hinter dem die Felder beginnen, bis nach Wittgensdorf.  © Sven Gleisberg

Wer Röhrsdorf hört, denkt automatisch ans Einkaufen. Mancher Chemnitzer nennt das 1992 errichtete größte Einkaufszentrum Sachsens noch heute Röhrsdorf Center, obwohl längst die Stadt Namensgeber ist.

Das Center war Fluch und Segen zugleich für das Bauerndorf. Es ließ Gewerbesteuern sprudeln und weckte Begehrlichkeiten.

Die Röhrsdorfer kämpften gegen ihre Eingemeindung. Auch Hans-Joachim Siegel (79, Linke), seit 2009 Ortsvorsteher, war dabei: "Es gab Demos 1998 mit 300, 400 Leuten. Wir wollten einen Zusammenschluss mit Kändler und Pleißa zur Gemeinde Pleißenbach erreichen." Dafür boten die Röhrsdorfer sogar an, das Gewerbegebiet an Chemnitz abzutreten. Die Eingemeindung kam trotzdem.

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"Aus heutiger Sicht wäre es günstiger gewesen, einen Vertrag auszuhandeln, um Baumaßnahmen oder den Erhalt bestimmter Dinge wie Poststelle oder Sparkasse festzuschreiben", sagt Siegel.

Mit der Eingemeindung verlor der Ortsteil seine Steuereinnahmen. Jede Ausgabe musste den städtischen Verwaltungsapparat passieren. Für die Gemeindevertreter ein Schock.

Als ein Dorf ein Riesen-Einkaufszentrum bauen ließ: das Röhrsdorf Center.
Als ein Dorf ein Riesen-Einkaufszentrum bauen ließ: das Röhrsdorf Center.  © Chemnitz Center
Das 1999 eingemeindete Röhrsdorf ist 12,3 Quadratkilometer groß und hat rund 2800 Einwohner. Trotz des 47 Hektar großen Gewerbegebietes ist der Ort eher landwirtschaftlich geprägt.
Das 1999 eingemeindete Röhrsdorf ist 12,3 Quadratkilometer groß und hat rund 2800 Einwohner. Trotz des 47 Hektar großen Gewerbegebietes ist der Ort eher landwirtschaftlich geprägt.  © Sven Gleisberg

Wer sich in Röhrsdorf niederlassen will, hat's schwer

Hans-Joachim Siegel (79, Linke) lenkt als Ortsvorsteher die Geschicke von Röhrsdorf seit 13 Jahren.
Hans-Joachim Siegel (79, Linke) lenkt als Ortsvorsteher die Geschicke von Röhrsdorf seit 13 Jahren.  © Sven Gleisberg

"Zudem wurden wir in den ersten Jahren als Ortschaftsräte kaum gehört. Jetzt haben wir einen Verfügungsfonds von 5000 Euro im Jahr, mit dem zumindest kleinere Reparaturen drin sind. Auch die Einbeziehung in Entscheidungen hat sich verbessert."

Vielen Grundstückseigentümern nahm die Eingemeindung eine Last: "Einige hatten schon fünfstellige Beträge an Abwasser-Anschlussgebühren gezahlt, die erhielten sie von der Stadt zurück", so Siegel.

Wer sich heute in Röhrsdorf niederlassen will, hat's schwer: "Wir haben Baulücken für über 100 Eigenheime und eine sehr große Nachfrage. Ich muss die Interessenten wegschicken, weil das Bauen in den Randgebieten eingeschränkt wurde", ärgert sich der Orts-Chef.

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Was dem Ort fehlt, ist ein einfacher Gasthof. "Der Wirt des Volkshauses hat aufgegeben. Jetzt nutzt der Fußballverein darin Vereinszimmer und sorgt dafür, dass nicht alles verfällt. Bis zum Kulturhauptstadt-Jahr soll ein Haus der Generationen und Kultur daraus werden", so Siegel.

Nicht gebannt ist die Gefahr durch ein Hochwasser. "In der Ortsmitte stehen bei Starkregen Häuser unter Wasser. Aber für ein Regenrückhaltebecken gibt es kein Geld."

Der Volkshaus-Komplex ist das Sorgenkind der Röhrsdorfer.
Der Volkshaus-Komplex ist das Sorgenkind der Röhrsdorfer.  © Sven Gleisberg
Der Märchenbrunnen, das beliebteste Wahrzeichen des Ortes, hier bei seiner Wiedereinweihung im Mai.
Der Märchenbrunnen, das beliebteste Wahrzeichen des Ortes, hier bei seiner Wiedereinweihung im Mai.  © Uwe Meinhold

Röhrsdorfer Glück auf dem Rücken der Pferde

Für das Glück auf Röhrsdorfer Erde braucht es ein Gespann, eine Koppel und Pferde: Jörg Heinig (58, r.) und Norbert Münster (65) bei einer Kutschfahrt am Reitplatz.
Für das Glück auf Röhrsdorfer Erde braucht es ein Gespann, eine Koppel und Pferde: Jörg Heinig (58, r.) und Norbert Münster (65) bei einer Kutschfahrt am Reitplatz.  © Uwe Meinhold

Röhrsdorfer sind Pferdenarren. Der Reit- und Pferdesport wird von mehreren Vereinen und Reitclubs gepflegt. Neben dem Reitplatz entstand das größte Bauprojekt des Ortes nach der Eingemeindung: 2011 wurde eine Reithalle für 95.000 Euro eingeweiht.

Bereits seit 1976 findet alljährlich eine große Ponyleistungsschau statt, die rund 2 500 Besucher auf den Reitplatz nach Röhrsdorf lockt.

Ihre Ausstattung mit historischen Kutschen, Mehrspännern und Kostümen haben das Fest, auf dem bis zu 100 Ponys und 50 Pferde verschiedener Rassen zu sehen sind, überregional bekannt gemacht.

Die nächste Schau ist am 21. August geplant.

Hier gibt's die anderen Teile der TAG24-Serie zum Nachlesen

Titelfoto: Sven Gleisberg

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