Gasumlage: Der Kanzler muss Entlastungen liefern, oder ist er ein Heuchler?

In seinem Kommentar zur Gasumlage und der drohenden sozialen Krise in Deutschland infolge einer Gaskrise fordert TAG24-Redakteur Florian Gürtler von der Bundesregierung und insbesondere von Bundeskanzler Olaf Scholz umfassende und wirksame Entlastungsmaßnahmen.

Spätestens seit dem gestrigen Montag ist endgültig klar: Die drohende Gaskrise im Herbst und Winter in Deutschland wird die Bürgerinnen und Bürger des Landes teuer zu stehen kommen. Was es nun braucht, sind umfassende, wirksame und vor allem auch sozial gerechte Entlastungen für die Menschen – wird die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) das liefern? Zweifel sind zumindest angebracht.

Was nun, Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD): Werden Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen im Herbst und Winter wirksam entlastet oder kommt es zur sozialen Krise?
Was nun, Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD): Werden Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen im Herbst und Winter wirksam entlastet oder kommt es zur sozialen Krise?  © Kay Nietfeld/dpa

Insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Gehältern, aber auch Armutsrentnern, Studenten und Menschen im Hartz-IV-System droht nicht weniger als eine soziale Krise.

Denn die am gestrigen Montag verkündete Gasumlage mit ihren bereits extremen Mehrkosten für sehr viele Menschen ist nur die Spitze des Eisberges. Es drohen eventuell noch weitere Preis-Steigerungen bei Gas, Öl und Strom, doch damit hört es nicht auf.

Was die Politiker der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP im Bund bei ihren Ausführungen gerne unter den Tisch fallen lassen: Die steigenden Energiepreise treffen nicht nur Privathaushalte, sondern auch Unternehmen. Letztere können ihre Mehrkosten aber über die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen an die Endverbraucher weitergeben.

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Es droht also eine weitere, massive Teuerung bei Gütern des täglichen Bedarfs, insbesondere bei Lebensmitteln und Drogerieprodukten!

Vor dem Hintergrund der bereits eingetretenen Teuerungen der letzten Monate und angesichts der horrenden Mietkosten, die ohnehin bereits sehr viele Menschen mit überschaubarem Monatseinkommen in Deutschland stemmen müssen, ist völlig klar: Wenn der soziale Frieden in diesem Land gewahrt werden soll, dann müssen die sogenannten "kleinen Leute" mit wirksamen Maßnahmen Entlastung erfahren.

Doch von der Bundesregierung gibt es hierzu bisher nur sehr vage Wischiwaschi-Ankündigungen – und eine geplante Einkommenssteuer-Reform, die an Zynismus nicht zu überbieten ist.

Eine soziale Krise droht, doch die Lindner-FDP beschenkt die Wohlhabenden und Reichen

Christian Lindner (43) ist nicht nur Bundesfinanzminister, sondern auch der Bundesvorsitzende der neoliberalen FDP.
Christian Lindner (43) ist nicht nur Bundesfinanzminister, sondern auch der Bundesvorsitzende der neoliberalen FDP.  © Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Denn die von Bundesfinanzminister Christian Lindner (43) geplanten sogenannten steuerlichen "Entlastungen" sind in erster Linie ein Geschenk seiner marktradikalen Reiche-Leute-Partei FDP an deren Klientel.

Von der gewaltigen Reform-Summe von rund zehn Milliarden Euro kommen circa 70 Prozent dem Drittel der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen zugute, wie Marcel Fratzscher (51), der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), vorrechnet.

Die unteren zwei Drittel dürfen sich folglich die verbliebenen 30 Prozent der Entlastungs-Summe teilen, sofern sie überhaupt etwas vom Kuchen abbekommen, denn nur wer überhaupt Einkommenssteuer zahlt, profitiert auch eventuell. Menschen im Niedriglohnsektor und Armutsrentner gehen also leer aus.

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Das ist nicht sozial gerecht, das ist Klassenkampf-Politik für die Wohlhabenden und Reichen und gegen die ganz normalen, einfachen Leute.

Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Steuerpläne seines Finanzministers allerdings einen "guten Aufschlag". Auch griff der Kanzler nicht mit seiner Richtlinienkompetenz ein, als Christian Lindner einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets (das tatsächlich eine effektive Entlastung für sehr viele Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen darstellt) eine Absage erteilte.

Im Hinblick auf die bislang von der Bundesregierung in Aussicht gestellten weiteren Entlastungsmaßnahmen lässt das nichts Gutes erahnen.

Wo ist der "Respekt", von dem Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf sprach?

TAG24-Redakteur Florian Gürtler (44) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
TAG24-Redakteur Florian Gürtler (44) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.  © Florian Gürtler

Vage heißt es, dass es beim Wohngeld Verbesserungen geben soll. Außerdem wird auf das geplante Bürgergeld verwiesen, bei dem die FDP allerdings schon klar zu Protokoll gegeben hat, dass sie eine Erhöhung der Regelsätze ablehnt. Und sonst?

Ob es nun ein Gaspreis-Deckel ist oder die Abschaffung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel und Drogerieprodukte, es ist völlig klar, dass die Bundesregierung mehr liefern muss, um den Frieden in der Gesellschaft zu wahren.

Ohne Frage ist das in einer Koalition mit der chauvinistischen FDP schwierig, aber gerade diesen Kampf auszufechten ist nun der Job des Bundeskanzlers.

War es nicht Olaf Scholz, der beim zurückliegenden Bundestagswahlkampf großspurig von "Respekt" sprach, den die Kassierer und Pfleger, die Busfahrerinnen und Bäckerinnen, also die ganz normalen Menschen mit kleinen Gehältern verdienten?

Genau diesen Respekt gegenüber der großen Masse der Bevölkerung sollte der Kanzler nun zeigen und die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen, indem er für wirksame finanzielle Entlastungen sorgt. Geld ist dabei kein Problem, die zehn Milliarden aus Lindners Steuer-Reform könnten ja schließlich auch anders verwendet werden und nur den sogenannten "kleinen Leuten" zugutekommen.

Sollte es allerdings bei der bisherigen Politik der Bundesregierung bleiben, dann ist klar: Der angebliche "Respekt" von Olaf Scholz im Wahlkampf war nichts anderes als das Geschwätz eines Heuchlers.

Titelfoto: Montage: Kay Nietfeld/dpa, Florian Gürtler

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